E-Commerce wartet auf Durchbruch

Geschäft mit vielen Chancen, aber auch Risiken

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 16.01.2001

 
 

 

 

 

 

 

 

 


Die große E-Commerce-Euphorie ist erst einmal verflogen. Vom Online-Weihnachtsgeschäft profitierten vor allem die großen Einzelhandelsunternehmen. Der Beinahe-Konkurs von Letsbuyit.com und der Kurssturz von Intershop sind deutliche Krisenzeichen.

 

Insgesamt sollen die Deutschen in der vergangenen Weihnachtszeit nach Angaben des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels online Waren im Wert zwischen 150 und 200 Millionen Mark geordert haben. Profitiert haben davon allerdings die Branchenriesen wie Quelle oder Metro. quelle.de konnte dank des Weihnachtsbonus im vergangenen Jahr deutlich mehr als die anvisierten 500 Mio. Mark umsetzen. Die Metro-Tochtergesellschaft Primus online meldete mit 150 Mio. Mark etwa 50 Prozent mehr Umsatz als eingeplant, davon zwei Drittel im November und Dezember 2000. Der weltweit größte Internethändler Amazon.com meldete gar für das deutsche Weihnachtsgeschäft im Vergleich zum Vorjahr eine Verbesserung um 250 Prozent. Dennoch aber liegt der Marktanteil des Online-Handels in Deutschland nur bei 0,75 Prozent.

Ü Große Probleme für kleine Anbieter

Probleme haben vor allem die kleineren Anbieter im Markt. Ihnen trauen viele Konsumenten offenbar in punkto Pünktlichkeit, Datenschutz und Zuverlässigkeit nicht viel zu. Schuld daran sind vor allem schlechte Erfahrungen. Da brechen Bestellvorgänge im Netz plötzlich ab, bleiben E-Mails oft unbeantwortet, und wurden auch diesmal wieder viele Weihnachtsgeschenke erst nach dem Fest zugestellt. Die reibungslose Auslieferung ist für viele Anbieter noch immer das größte Problem. Bei einem Test durch die Unternehmsberater von Andersen Consulting wurden 39 Prozent von 162 online eingeleiteten Geschäftsvorgängen unvollständig abgewickelt. Schnell stellte sich heraus, dass viele E-Commerce-Start-ups von Logistik wenig verstehen. Bei 150 Testkäufen der Stiftung Warentest konnten 27 Händler überhaupt nicht liefern.

In den USA erlebten viele der E-Commerce-Stars von einst das Weihnachtsgeschäft schon gar nicht mehr. Anbieter wie Garden, Streamline, MotherNature, Pets und BeautyJungle mussten aufgeben. Nach den Feiertagen geriet der niederländische Anbieter Letsbuyit.com nur fünf Monate nach seinem Börsengang ins Trudeln. Die Geschäftsidee, Einkaufswünsche im Netz zu bündeln, um so Rabatte zu erzielen, überzeugte die Aktionäre immer weniger. Das so genannte Co-Shopping geriet in Liquiditätsschwierigkeiten. Zum Jahresanfang gab außerdem der Kurs des E-Commerce-Software-Anbieters Intershop um mehr als 80 Prozent nach, als das Unternehmen geringere Gewinne als geplant ankündigen musste.

Ü Mit Gütesiegeln um Vertrauen werben

Die Unternehmensberatung Mummert und Partner fand heraus, dass drei von vier Internet-Käufen abgebrochen werden. Viele Verbraucher sind verunsichert, haben Angst vor Datenmissbrauch, kommen mit komplizierten Bestellvorgängen nicht zurecht oder vermuten hinter Angeboten von kleineren, noch unbekannten Unternehmen unseriöse Geschäfte. Deshalb will die E-Commerce-Branche jetzt mit eigenen Gütesiegeln gegen die Verunsicherung ihrer Kunden kämpfen. Marktführer in Deutschland ist die Kölner Trusted Shops GmbH, ein Tochterunternehmen des Gerling-Versicherungskonzerns. Wer das Gütesiegel von Trusted Shops erhalten will, muss strengen Kriterien entsprechen, die gemeinsam mit Verbraucherschützern entwickelt wurden. E-Commerce-Unternehmen, die sich zertifizieren lassen wollen, müssen für das Siegel mindestens 1000 Mark bezahlen. Dafür garantiert der Gerling-Konzern allen Kunden der zertifizierten Anbieter, dass sie bei Problemen ihr Geld zurück erhalten.

 

Das Gerling-Versprechen dabei klingt verlockend: "Wird mit Kreditkarte oder per Bankeinzug bezahlt und der Verkäufer hat bereits das Geld, liefert aber die Ware nicht, ersetzt der Gerling-Konzern den Schaden. Auch wenn Produkte vertragsgemäß zurückgesendet werden, der Shop aber den Kaufpreis nicht erstattet, greift die Garantie. Und schließlich übernimmt Gerling bei einem betrügerischen Einkauf mit Kreditkartennummer die mögliche Selbstbeteiligung des Karteninhabers." Außer Trusted Shops vergeben in Deutschland nach Angaben von Stiftung Warentest etwa 15 Unternehmen ähnliche Gütesiegel.