Sechs Tage lang soll die Internationale Funkausstellung Berlin zum Multimedia-Mekka machen. Nachdem der ganz große Boom in der Branche vorbei ist, hoffen Macher und Manager jetzt auf neue Impulse durch kleine, digitale Wundermaschinen. Was vor fast achtzig Jahren als (Rund-)Funkmesse begann, wird immer mehr zur Computermesse.

Bereits seit ein paar Jahren stagniert der Umsatz der Unterhaltungsindustrie und ging im vergangenen Jahr in Deutschland sogar auf 19,3 Milliarden Euro zurück. Für neues Wachstum soll jetzt die Digitalisierung und Vernetzung aller Endgeräte sorgen. 958 Aussteller zeigen bei der Internationalen Funkausstellung (IFA) in 25 Messehallen etwa 25.000 Produkte. Auch wenn von Konvergenz – der Annäherung der Technologien von PC und TV – kaum noch die Rede ist, gehen Unterhaltungselektronik und Informationstechnik mehr und mehr eine Ehe ein. Egal ob beim größten Fernseher der Welt oder der kleinsten Digitalkamera, beim modernen UMTS-Handy oder der HiFi-Anlage für 1 Million Euro: Überall wachsen einst getrennte Medien zusammen. Technisch ist eben vieles möglich. Ob es sich auch auf dem Markt durchsetzt, ist eine andere Sache.

Ü Mit Konvergenz gegen die Krise

Mehr und mehr verschwinden die Grenzen zwischen TV-Gerät und PC-Monitor, zwischen Foto und Video, zwischen Mobilfunk und Rundfunk. Die Bedienung der medialen Wunderkisten aber wird immer komplizierter – erst recht, wenn sie miteinander vernetzt werden. Samsung und Philips zeigen bei der IFA, wie man möglichst viele Geräte im Haushalt miteinander vernetzen und zentral steuern kann. Loewe präsentierte bereits vor zwei Jahren ein Luxus-TV-Gerät, das mit Telefon oder Gegensprechanlage interagierte. Inzwischen aber gibt es kein elektrisches Gerät mehr im Haushalt, das nicht wie von Geisterhand digital gesteuert werden kann.

 

Jenseits der totalen Vernetzung, die bei der IFA mehr Labor- als Alltagscharakter aufweist, sorgen vor allem Flachbildschirme und mit DVD-Recordern und Festplatten-Receivern ausgestattete Endgeräte fürs digitale Heimkino. Immerhin machen Flachbildschirme inzwischen etwa zehn Prozent des Umsatzes mit TV-Geräten aus. Der Verkauf von LCD-Fernsehern hat sich von 2001 bis 2002 mehr als versechsfacht. In Deutschland wurden 2002 insgesamt 100.000 LCD- und Plasma-Bildschirme verkauft, für 2003 wird ein Absatz von 120 000 Stück allein für LCD-Bildschirme erwartet. Plasmatechnik bei den großen und LCD-Technik bei den kleineren TV-Flatscreens sind inzwischen gängiger Standard. Noch aber sind die großen der digitalen Renommiermöbel bei Diagonalen von 1 Meter oder mehr noch recht teuer: Der rieisige Plasmaschirm von Sony kostet etwa 14.000 Euro, etwas bescheidenere Modelle von Panasonic oder Thomson werden für etwa 6.000 Euro angeboten. Kleinere 15- oder 17-Zoll-LCD-Monitore (z.B. von Philips) sind ab 900 Euro zu haben.

 

Ü DVD und Digital-TV auf dem Vormarsch

 

Erfolgreichster Wachstumsmotor der Unterhaltungsindustrie bleibt nach wie vor die DVD-Technik, über die bereits jeder dritte deutsche Haushalte verfügt. Inzwischen gibt es vom Hamburger Unternehmen Xoro sogar einen tragbaren DVD-Player, der wie ein Laptop ohne Tasten aussieht. Auf die unterschiedlichen Formate bei DVD-Recordern haben die meisten Hersteller inzwischen mit einer Multi-Plattform-Strategie reagiert, so dass viele Brenner sowohl +RW als auch –RW als Standard akzeptieren. Panasonic stattete einen DVD-Recorder sogar zusätzlich mit einer Festplatte aus. Festplattenrecorder sind mehr als lediglich reine Aufzeichnungsgeräte. Sie suchen gezielt nach bestimmten Filmen oder Genres, die automatisch gespeichert werden können und erlauben außerdem bequem die Ausblendung von Werbung. Noch aber wurden von solchen digitalen Assistenten in Deutschland kaum mehr als 40.00 Stück verkauft. Loewes „Digital RecorderPlus“ kann auf seinem 80-Gigabyte-Festplattenspeicher für Videoaufzeichnungen (max. 90 Stunden Aufnahmekapazität) als erster seiner Art sowohl analoge als auch digitale Signale speichern. Der neue Festplattenserver TVS 200 der Münchener Firma Fast kann sogar 200 Stunden Programm aufzeichnen und zugleich zeitversetzt abspielen. Noch sind solche Angebote allerdings teuer, kostet der TVS 200 doch knapp 1500 Euro.

 

Außer solchen Universal-Recordern sind auch „vercomputerisierte“ Fernsehgeräte weiter auf dem Vormarsch. Dabei gibt es ebenso TV-Mutanten mit Schlitzen für die Speicherkarten von Digitalkameras als auch welche, die Fernsehprogramme auf integrierte MPEG-4-Karten speichern können. Der dänische Hersteller Kiss Technology zeigt bei der IFA einen Plasmafernseher mit einer Bilddiagonale von106 Zentimetern, integriertem DVD-Player und einem High-Speed-Wireless-Ethernet-Anschluss für eine PC-Vernetzung. So lassen sich schnurlos WWW-Sites oder Videodateien vom Computer auf den TV-Monitor übertragen. Panasonic bietet ab Oktober in dem Modell TX-32DTX30C parallel einen analogen und einen digitalen Tuner, um für die Zukunft gewappnet zu sein.

 

Sony hat ein neuartiges Gerät entwickelt, das Computer, Fernsehgerät und Audio-Anlage vereint: das Modell „Vaio W1“ sieht aus wie ein TV-Monitor mit einer am Gerätefuß angeschraubten PC-Tastatur. Im Inneren verbergen sich ein 2,8-Gigahertz-Pentium-Prozessor samt Festplatte (160 Gigabyte) und 512 Megabyte Arbeitsspeicher. Auch Fujitsu verspricht für den Herbst den Start einer digitalen „eierlegenden Wollmilchsau“: Zur neuen Set-top-Box namens „Activity Media Center“ gehört ein Festplatten-Videorecorder (80-120 Gigabyte) plus Internet-Anschluss sowie Abspielvorrichtung für verschiedene Bild-, Video- und Musikdateiformate (MPEG-1/-2, DivX, MP3/WMA, JPEG). Das Spitzenmodell der Serie bietet sogar noch einen DVD-Recorder. Im Zusammenspiel mit dem Video-on-Demand-Angebot von T-Online-Vision soll die Box auch rund um die Uhr Filme empfangen können.

 

Ü Zukunft von MHP bleibt ungewiss

 

Anfang kommenden Jahres will Philips mit dem „Streamium MX 6000i“ eine Komplettanlage auf den Markt bringen, die auch ohne PC auf Breitband-Internet-Inhalte zugreifen soll. Die Verbindung vom Telefonanschluss zum TV im Wohnzimmer erfolgt drahtlos per Wi-Fi-Funktechnologie. Mit der so genannten „iLink"-Technologie können nach Hersteller-Angaben prinzipiell alle AV-Geräte wie Fernseher oder Stereoanlage mit Inhalten aus dem Internet versorgt werden. Die neuen Geräte kosten, je nach Ausstattung, zwischen 350 und 500 Euro.

 

Nokia hat seine Set-Top-Box Mediamaster so aufgerüstet, dass sich über ein Foto-Handy schnurlos bis zu 36 Fotos übertragen lassen. Samsung und Humax haben Digital-Decoder und DVD-Player in einem Gehäuse vereint. Offen bleibt allerdings weiterhin die Frage, welcher Programmierungsstandard die Zukunft multimedialer TV-Applikationen bestimmen wird. Vor zwei Jahren noch wurde bei der IFA die Multimedia Home Platform (MHP) als Heilsbringer beschworen. Inzwischen ist diese Norm zwar von allen wesentlichen Gremien akzeptiert worden, Set-Top-Boxen, die MHP unterstützen, aber gibt es kaum. Auch wenn unter dem IFA-Funkturm 13 Aussteller neue Produkte und Programme präsentieren, bleiben praxistaugliche Angebote eine Seltenheit. Konkrete Anwendungsbeispiele im Markt bleiben also rar. Deutschlands einziger digitaler Abo-Kanal Premiere jedenfalls will vorerst keinen Euro in MHP-Angebote investieren.

 

 

Ü Über die IFA 2001: Siehe Artikel IFA zwischen Zauberkästen und Fehlerkisten.