Zweiter Startversuch für HDTV
Hochauflösendes Fernsehen soll TV-Bildqualität
entscheidend verbessern
Von Dr. Matthias Kurp, 10.12.2004
Mit der Digitalisierung der Fernsehstandards
sollen demnächst Bilder in hochauflösender Qualität möglich sein. Während das
so genannte High Definition Television (HDTV) in den USA und vor allem in Japan
bereits Wirklichkeit ist, wartet der europäische Markt noch auf eine Initialzündung.
In Deutschland wollen im nächsten Jahr zwei Anbieter HDTV-Programme starten:
Premiere und der Berliner Unternehmer Paul Stutenbäumer.
Wenn Georg Kofler, der Geschäftsführer des Pay-TV-Programmanbieters Premiere, vom hochauflösenden digitalen Fernsehen spricht, gerät er schnell ins Schwärmen: „Das Bild ist schärfer und brillanter als auf DVD.“ Voraussetzung dafür ist eine neue Fernsehnorm namens High Defintion Television (HDTV). Bereits ab November 2005 will Deutschlands digitaler Pay-TV-Pionier via Satellit drei HDTV-Kanäle ausstrahlen: Geplant sind ein Spielfilm-, ein Sport- und ein Dokumentationskanal, jeweils mit einer Bildauflösung, die bis zu fünfmal höher sein soll als bei herkömmlichen Digital-Angeboten. Optimistisch glaubt Kofler, dass bis 2007 etwa 400.000 Premiere-Kunden auch HDTV-Programme nutzen.
Ü
Premiere setzt auf MPEG 4
Bereits Ende der 80-er Jahre sollte HDTV in
Europa eingeführt werden. Nachdem die EU-Kommission am 27. April 1989 eine Entscheidung zur raschen Einführung des
hochauflösenden Fernsehens beschlossen hatte (89/337/EWG), flossen mehr als eine halbe Milliarde Euro
Fördergelder, um den Standard mit dem Kürzel D2-Mac zu etablieren. Am Ende
blieben Investitionsruinen, weil die analoge Technik für HDTV ungeeignet war.
Dies soll nun dank digitaler Ausstrahlung anders werden. In Amerika und Asien
existieren bereits erfolgreiche HDTV-Angebote. Allerdings bietet die analoge
NTSC-Norm zum Beispiel in den USA eine deutlich schlechtere Bildqualität als
das deutsche PAL-System, so dass HDTV im Ausland oft einen größeren
Quantensprung darstellt als in Deutschland. Die Japaner wollen von der
Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nur noch HDTV-Aufzeichnungen akzeptieren. Europa
hat also in Sachen HDTV dringenden Nachholbedarf. Bereits die Olympischen
Spiele in Athen wurden in HDTV-Qualität aufgezeichnet und übertragen.
Der europäische Satellitenmarktführer SES Astra startete im
September einen eigenen HDTV-Demonstrationskanal namens Astra HD. Bereits seit
1. Januar 2004 wird von Belgien aus Europas erster HDTV-Kanal
HD1 (früher: Euro 1090) ausgestrahlt und bietet
– zunehmend verschlüsselt – über den Satelliten Astra 1H in fünf Sprachen
nahezu europaweit Programme für fünf Sparten an: Music, Trends, Sports, Xplore
und Fiction (Spielfilme). Während HD1 zur Reduzierung der enormen Datenmengen das Verfahren
MPEG2 anwendet – diese Codierung erlaubt höchstens zwei HDTV-Kanäle auf einem Astra-Transponderkanal
–, setzt
Premiere auf MPEG 4. Generell stellt die MPEG-Datenreduzierung sicher, dass sich die enormen
Datenströme von 25 Mbit/s – PAL kommt mit 4 oder 6 Mbit/s aus – für Bilder mit
mindestens 720 Zeilen in 1280 Linien überhaupt übertragen lassen. Die bessere
Bildqualität von HDTV resultiert vor allem daraus, dass die Zahl der Bildpunkte
im Vergleich zum herkömmlichen Fernsehsystem PAL mindestens verdoppelt wird. Ob
sich am Ende als Format 720p oder 1080i durchsetzt (siehe Abbildung), lässt
Premiere offen. Beide Standards sollen mit den von Premiere zertifizierten
HDTV-Receivern unterstützt werden, so dass wahlweise in einem der beiden
Verfahren ausgestrahlt werden kann.
Ü
Warten auf den HDTV-Start
Die genaue technische
Spezifikation für die Premiere-Receiver wird zurzeit noch erarbeitet. „Wir
haben zwar bereits eine entsprechende Ausschreibung gemacht, die genauen
Anforderungen aber wurden noch nicht in allen Details formuliert“, erklärt
Unternehmenssprecher Michael Jachan. Ob über die HDTV-Empfangsboxen
von Premiere auch hochauflösende Bilder anderer TV-Kanäle empfangbar sein
werden? „Aber sicher“, verspricht Jachan. Noch aber halten sich in Sachen HDTV
vor allem die öffentlich-rechtlichen Anbieter und die RTL Group merklich
zurück. Übernimmt Premiere für HDTV in Deutschland also die Vorreiter-Funktion?
Die Decoder-Spezialisten von Technisat
und Humax rechnen mit ersten
MPEG-4-Chips für das nächste Frühjahr, Konkurrent Nokia erst für 2006 (zunächst
nur für IP-TV). Humax plant mit Chips von Broadcom oder Conexant, sieht sich in
den Premiere-Verhandlungen bereits kurz vor dem HDTV-Ziel und weiß, dass
vermutlich auch noch einige Konkurrenz-Receiver von Premiere zertifiziert
werden.
Ü
HD Channel bereits ab Sommer?
Premiere müht sich, die neuen
HDTV-Angebote möglichst lückenlos in die bereits vorhandene Angebotspalette zu
integrieren. Über die drei HDTV-Kanäle, die als Pay-per-Channel-Programme
konzipiert sind, sollen ausschließlich hochauflösende Inhalte zu sehen sein.
Allerdings werden jeweils identische Sendungen – egal ob Sport, Dokumentationen
oder Spielfilme – auch anderswo in den digitalen Premiere-Bouquets auftauchen.
„Wahrscheinlich wird es die HDTV-Kanäle nur in Kombination mit normalen
Programmen geben“, will Premiere-Sprecher Jachan die hochauflösenden Formate
eher als „Ad on“ zu den bereits vorhandenen Angeboten verstanden wissen. HDTV bedeutet für Premiere also im Wesentlichen nichts
inhaltlich Neues, sondern die verbesserte Präsentation bereits vorhandener
Programmvorräte. Die technische Aufbereitung der Inhalte als
High-Definition-Formate besorgen die Programmzulieferer. Wenig ändern wird sich
auch bei der Verschlüsselung der mit einem CI-Slot (Conditional Interface)
geplanten Receiver, bei denen erneut das Nagravision-System eingesetzt wird.
Und der Kopierschutz? „Natürlich werden auch die digitalen HDTV-Receiver keinen
Ausgang für DVD-Brenner erhalten“, heißt es auch Nachfrage.
Bereits vor dem HDTV-Start von Premiere will im
Sommer der Berliner Kameramann, Gründer des ersten deutschen privaten
Regionalfernsehens „Fernsehen aus Berlin“ (FAB) und
Medien-Unternehmer Paul Stutenbäumer im Rahmen der Internationalen Funkausstellung sein Programm namens HD Channel starten. Stutenbäumers Firma Electronic Cinematography Company (ECC) machte in einer entsprechenden
Presseerklärung allerdings keine Angaben darüber, ob das Programm über
Satellit, Kabel oder lediglich über das Internet verbreitet werden soll.
Dennoch: Die Branche erhofft sich von solchen Projekten eine Art Initialzündung.
Die Pariser Berater von Euroconsult kündigten bereits an, bis
2008 würden in Europa mehr als 15 Millionen HDTV-fähige TV-Geräte verkauft. Nach
einer vom Umfrageinstitut Datamonitor
im August vorgestellten HDTV-Studie
sollen im Jahr 2008 in Europa allerdings nur etwa 4,6 Millionen Haushalte HDTV
nutzen. Im
vergangenen Juni einigten sich beim zweiten europäischen HDTV-Forum von SES
Astra in Luxemburg Programmveranstalter und Geräteindustrie mit weiteren
Partnern auf eine gemeinsame technische Spezifikation und den Zeitplan zur
HDTV-Einführung. Im August wurde das European HDTV-Forum gegründet, um einheitliche
Qualitätsstandards bei den Hardware-Produzenten und Programmanbietern zu
gewährleisten. Ist ein Empfangs-, Wiedergabe- oder Zuspielgerät HDTV-tauglich,
soll es künftig mit einem eigenen HDTV-Logo versehen werden.
Ü
HDTV-Bildschirme sehr teuer
Als größte Barriere auf dem Weg zu einer raschen Marktdurchdringung von
HDTV dürfte sich bald herausstellen, dass der neue Standard nicht nur neue
Receiver, sondern auch neue TV-Monitore erfordert. Notwendig sind entweder Rückprojektions-Geräte oder die flachen Plasma- bzw. LCD-Fernseher. Zusätzliche Voraussetzung
ist, dass HDTV-Displays 1920 mal 1080 Pixel abbilden können, was für herkömmliche
Monitore in der Regel nicht gilt. Nur Geräte, die garantiert
die Bildauflösung von 1080i oder 720p bei einer Bildwechselfrequenz von 50/60
Hz abbilden können, gelten garantiert in vollem Umfang als HDTV-tauglich. Wer
einen solchen Bildschirm kaufen möchte, muss mindestens 1500 Euro investieren.