Die DSL-Technologie könnte aus dem Internet eine
interessante Plattform zur Verbreitung von Fernsehdiensten machen. Die
technischen Voraussetzungen scheinen inzwischen erreicht. Was fehlt, sind die
Inhalte. Außer T-Online, das mit Vision-on-TV an den Start ging, versucht sich
auch Arcor am DSL-Geschäft mit breitbandigen Video-Inhalten.
Mit der DSL-Technologie lassen
sich inzwischen über die Kupferadern der Telekommunikationsnetze bequem
Datenraten übermitteln, die auch bewegte Bilder in hoher Qualität zulassen. Mit
eine Bandbreite von 2 Mbit/s sind bereits Bilder in DVD-Qualität möglich.
Technisch scheint die Konvergenz von Computer, Internet und Fernsehen damit
nahezu erreicht. Weil inzwischen mehr als die Hälfte aller deutschen Zugang zum
Internet hat und mehr als fünf Millionen DSL-Anschlüsse existieren, entwickeln
sich breitbandige Internet-Dienste allmählich zum Massenmarkt.
Sogar Premiere hat angekündigt, DSL als
Verbreitungsplattform zu prüfen. Noch aber scheint der Pay-TV-Programmanbieter
das DSL-Feld anderen zu überlassen. Der deutsche DSL-Marktführer T-Online offeriert seinen etwa 2,5 Millionen
DSL-Kunden seit März per Video on Demand (VoD) Filme, die mit Hilfe des Activy
Media Centers von Fujitsu Siemens nicht nur auf dem PC-Monitor zu sehen
sind, sondern auch auf TV-Geräten. Die Activy-Box wird an den Fernseher und
außer an das Antennenkabel auch an einen T-DSL Zugang angeschlossen.
Voraussetzungen sind ein T-DSL Anschluss der Deutschen Telekom und ein
bestehendes T-Online Kundenverhältnis (T-Online dsl flat Tarif). Im vierten
Quartal 2004 bringen auch Samsung, Handan und Humax für T-Online Vision geeignete Geräte auf den
Markt. „Die werden billiger sein als die Activy-Box,“ verspricht
T-Online-Presssprecher Martin Frommhold. Die Preise für die Filme liegen
zwischen 1,90 und 4,00 Euro, die „Ausleihzeit“ beträgt jeweils 24 Stunden. Die
Bezahlung erfolgt über die Telefonrechnung oder über Micromoney, die
Guthabenkarte von T-Pay.
Ü Live-Videostreams via DSL
Mit dem Ziel, den Kunden
jederzeit eine Auswahl von bis zu 400 Filmen aller Genres zur Verfügung zu
stellen, kooperiert T-Online unter anderem mit Universal, MGM, Dreamworks und
der deutschen Constantin Film AG. Mit weiteren Major Studios wird über eine
Zusammenarbeit verhandelt. Alle unter www.t-online-vision.de abgerufenen Archiv-Filme
werden als Live-Videostreams übertragen, die nach einer kurzen Buffer-Phase von
wenigen Sekunden starten. Damit wird einerseits die Festplatte des Activy Media
Centers entlastet und andererseits ein Kopieren der Inhalte unterbunden, was
für die Filmindustrie äußerst wichtig ist.
Von den sechs größten deutschen
DSL-Anbietern (5 siehe Tabelle) setzt
zurzeit außer T-Online nur Arcor auf ein
großes Video-on-Demand-Angebot. Seit dem Start im November 2001 haben sich nach
Angaben von Arcor-Sprecher Paul Gerlach etwa 65.000 Kunden dafür registrieren
lassen. Die VoD-Filme sind allen DSL-Nutzern zugänglich („Download & Play“,
kein Streaming) und werden per Lastschrift oder Firstgate-Micropayment abgerechnet. Seit
Juli bietet Arcor außerdem „Video on Demand on TV“
als Integration der VoD-Inhalte in die Windows XP Media Center Edition mit
direkter Abbildung auf einem angeschlossenen TV-Gerät. Die Menüsteuerung der
Online-Videothek erfolgt über einen Multimedia-PC per Fernbedienung.
Seit Juni überträgt Arcor Filme mit 2 Mbit/s in
DVD-Bilqualität plus 6-Kanal-Surround-Sound. Für Preise zwischen 1,50 und 4,50
Euro stehen Kunden etwa 1.300 Angebote vom Spielfilm über Dokumentationen bis
zu E-Learning-Videos zur Auswahl. Aktuelle Top-Filme sind unter anderem „Der
Schuh des Manitu“ und „Nirgendwo in Afrika“. Die Filmrechte gehören der
Constantin Film.
Ü Weltmarktführer AOL zögert noch
Bei AOL Deutschland, dem Tochterunternehmen des
weltweit größten Online-Providers AOL,
herrscht in Sachen VoD noch immer Zurückhaltung. „Wir schauen uns den Markt im
Moment noch sehr genau an und sehen interessante Optionen“, teilt
Pressesprecherin Alexandra Jordans auf Nachfrage mit. Ein wichtiger Grund für
das Zögern einiger Branchen-Riesen könnte darin liegen, dass sowohl die
Online-Rechte als auch die Übertragung der großen Datenmengen für die Provider
sehr teuer sind. Wer Video-Dateien kostengünstig zum Kunden bringen will, der
muss wegen der DSL-typischen geringen Reichweite, die beim jüngsten Standard
ADSL2+ schon bei Entfernungen ab 2 Kilometern zu deutlichem Leistungsverlust
führt, seine Content-Server möglichst nahe beim Kunden platzieren („Content to the
Edge“). Deshalb haben die VoD-Angebote der Netzbetreiber Telekom (T-Online) und
Arcor zurzeit noch einen großen Vorteil. „Dauerhaft können nur Kooperationen
zwischen Content- und Netzanbietern zum Erfolg führen“, prognostiziert Frank
Radeck, Technik-Experte beim Breitband-Internetanbieter QSC. Als VoD-Akzeptanzprobleme könnten sich aber
auch dann das große Free-TV-Angebot in Deutschland erweisen und die Tatsache,
dass die Vergabe der VoD-Rechte in der Verwertungskette der Hollywood-Majors
noch hinter dem Videoverleih rangiert.
4 Dieser Artikel erschien auch in der Fachzeitschrift Digital Fernsehen
10/2004, S. 106.