Pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft startet die Mobilfunk-Branche eine Offensive zur Etablierung des so genannten Handy-TV. Dabei existieren weiterhin zwei Rundfunk-Standards: Die vier großen Netzbetreiber T-Mobile, Vodafone, O2 und E-Plus setzen auf DVB-H, das Düsseldorfer Unternehmen Mobiles Fernsehen Deutschland startete am 31. Mai die Ausstrahlung von vier TV-Programmen über DMB.

 

In seltener Eintracht haben sich Deutschlands Mobilfunk-Netzbetreiber zu einer Allianz zusammen gefunden. Bis Ende August statten sie „ein paar tausend“ Testpersonen mit modernen Handys aus, die auch den Empfang von TV-Bildern ermöglichen. In Berlin, Hamburg, Hannover und München (nur bis Ende Juli) sollen 14 Fernsehkanäle (u.a. ARD, ZDF, RTL, Sat.1, Pro 7, N24 und MTV) sowie sechs Radioprogramme mobil zu empfangen sein. Dabei wird die auf dem digitalen terrestrischen TV-Standard DVB-T basierende Technik DVB-H (Digital Video Broadcasting – Handhelds) eingesetzt.

Ü Für DVB-H fehlen noch Endgeräte

Das Konsortium von T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2 will sich auch dauerhaft um die nötigen Frequenzen bewerben, die in die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer fallen. Die Unternehmen riefen dazu auf, rasch Klarheit über die bundesweite Vergabe der Kapazitäten zu schaffen. Die Landesmedienanstalten sollten sich auf eine einheitliche DVB-H-Frequenz einigen. Die auf DVB-T basierende Technik bietet große Bandbreite, gilt für eine Abdeckung ländlicher Regionen aber als unwirtschaftlich. Einige hundert Millionen Euro soll der Netzausbau kosten, hieß es am Montag. Den monatlichen Preis für die Kunden kalkulieren die Unternehmen je nach Programmauswahl auf Werte zwischen fünf und 15 Euro. Marktreife Endgeräte werden voraussichtlich erst im kommenden Jahr auf den Markt kommen.

 

Textfeld: Systeme für Mobile-TV im Vergleich
	DMB	DVB-H	UMTS
Basisnetz	baut auf DAB auf	baut auf DVB-T auf	Mobilfunknetz
Verfügbarkeit	nahezu bundesweit	Ballungsräume	zurzeit nur Ballungsräume
möglicher Start	ab 2006	ab 2007	bereits in Betrieb
Programme	max. 4 TV-Kanäle	20-30 TV-Kanäle	32 TV-Kanäle (Vodafone)
Bildqualität	hoch	hoch	sinkt bei wachsender Nutzerzahl 
Internet-Protocol (IP)	nicht möglich	möglich 	möglich
Entgelt-Zusatzdienste 	kaum möglich	leicht möglich (über IP)	bereits vorhanden(über IP)
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Einen Schritt weiter als das Mobilfunk-Konsortium ist das Düsseldorfer Unternehmen Mobiles Fernsehen Deutschland (MFD), das in fast allen Bundesländern über DMB-Versuchslizenzen (über drei bis acht Jahre) verfügt. Der Standard DMB (Digital Multimedia Broadcasting) beruht im Wesentlichen auf der Technik DAB (Digital Audio Broadcasting) des wenig genutzten digitalen terrestrischen Hörfunks, bietet eine große Abdeckung, aber wenig Bandbreite. Pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft werden an den WM-Standorten Berlin, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Hannover, Köln, München und Stuttgart vier TV-Programme (ZDF, N24, ein MTV-Musikkanal und ein ProSiebenSat.1-Comedy-Programm) sowie das Hörfunkprogramm Big FM ausgestrahlt. MFD-Gesellschafter sind außer dem Essener Rechtsanwalt und Geschäftsführer Henrik Rinnert, der über die  Hanauer Beteiligungsfirma J2 (Heraeus-Rinnert) Anteile hält, weitere Finanzinvestoren, die nicht aus der Medienbranche stammen. Dabei handelt es sich um das Stuttgarter Risikokapital-Unternehmen Grazia Equity GmbH, um die Ammax GmbH des Tchibo-Vorstandschefs Dieter Ammer und die Kölner Catharina Verwaltungs GmbH.

Ü DMB-Handys von Samsung

DMB-Vertriebspartner ist das Mobilfunk-Unternehmen Debitel, das seinen Kunden Handy-TV unter dem Produktnamen „watcha“ ab 9,95 Euro als Teil von Provider-Verträgen anbietet. Voraussetzung ist der Kauf eines geeigneten Handys, das ab etwa hundert Euro zu haben sein soll. Bis zum Ende der WM soll die Nutzung von watcha kostenfrei bleiben. Noch bietet nur Samsung geeignete Endgeräte, LG Electronics wird bald folgen. Außer den TV-Programmen sollen die neuen Handys auch interaktive Dienste (z.B. Spiele) bieten. Um DMB-Dienste um das Internetprotokoll zu erweitern, wurde inzwischen die erweiterte Version eDAB geschaffen.

 

Textfeld: Handy-Angebote zur WM
Live-Übertragungen von Spielen der Fußball-Weltmeisterschaft kann via UMTS nur T-Mobile bieten. Der offizielle WM-Sponsor zeigt zwanzig Paarungen live und in voller Länge. Für 12,99 Euro werden außerdem Spiel-Zusammenfassungen, Interviews und Analysen geboten. 
Vodafone zeigt in seinem UMTS-Angebot Vodafone live (für Abonnenten ohne Extra-Gebühr) nach den Spielen Tor-Szenen und Interviews per Streaming sowie drei- bis viermal täglich ein 15-minütiges WM-Feature des Pay-TV-Kanals Premiere. 
O2 und E-Plus haben keine Rechte für Spiel-Sequenzen. O2 überträgt via UMTS Experten-Interviews (u.a. mit Franz Beckenbauer, Berti Vogts, Lothar Matthäus), E-Plus bietet – wie alle anderen Anbieter auch – SMS- und MMS-Services.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Zur Nutzung der neuen Broadcast-TV-Angebote für mobile Endgeräte muss – anders als bei UMTS – keine Einzelverbindung aufgebaut werden. Vielmehr handelt es sich um Rundfunk. Die Frequenzen werden deshalb auch nicht versteigert, sondern von den Landesmedienanstalten vergeben. Beim Wettbewerb zwischen DVB-H und DMB (4 siehe Artikel Mobilfunk-Minifernsehen pünktlich zur WM?) geht es um einen Millionen-Markt und um die Frage, ob dieser künftig von den Netzbetreibern oder von TV-Programmanbietern erobert wird. RTL und das Tochterunternehmen RTL Interactive haben bei den Landesmedienanstalten bereits eigene Lizenzen beantragt. Henrik Rinnert, geschäftsführender Gesellschafter von MFD, betont, sein Unternehmen sei nicht an DMB gebunden und könne künftig auch via DVB-H Programme ausstrahlen. Provider wie Debitel fürchten, dass die großen Mobilfunk-Netzbetreiber das Geschäft mit dem Handy-TV allein machen wollen.

Ü DXB soll DVH-H und DMB kombinieren

Während sich die Verbraucher noch an die Kürzel DMB und DVB-H gewöhnen müssen, arbeiten Experten bereits an einer neuen Generation von Handy TV namens DXB. Das Kürzel DXB (Digital eXtended Broadcasting) steht für die Verknüpfung von DMB, DVB-H und UMTS mit dem Ziel der einheitlichen Verbreitung von Rundfunk-, Medien- und Telediensten über Rundfunk- und Mobilfunknetze. „DXB ist keine Technologie, sondern ein Systemkonzept zur Harmonisierung“, erklärt Dr. Ralf Schäfer vom Berliner Heinrich-Hertz-Institut.

Auf Initiative der Landesanstalt für Rundfunk NRW (LfM) haben sich am 29. Mai in Düsseldorf mehr als vierzig Experten getroffen, um in Nordrhein-Westfalen den ersten deutschen DXB-Betriebsversuch vorzubereiten. An der „Kick-off-Veranstaltung“ nahmen Vertreter von Telekommunikations- und Rundfunkunternehmen ebenso teil wie Spezialisten der Endgeräte-Industrie und der für die Frequenzvergabe zuständigen Behörden. Sie alle wünschen sich vor allem eines: die Integration von Rundfunk, Mobilfunk und Internet für den mobilen Empfang so zu optimieren, dass alle Angebote – egal ob via DMB, DVB-H oder UMTS – schließlich mit einheitlichen Endgeräten genutzt werden können. Der neue Standard soll auf dem Internet-Protokoll (IP) basieren, so dass Anbieter ihr Inhalte nicht eigens auf spezielle Verteilwege abstimmen müssen.