Politik bei Privat-TV nur Restgröße
Landesmedienanstalten ließen Programme
untersuchen
Von Dr. Matthias Kurp, 14.12.2000
Politische Themen
spielen in den Fernsehprogrammen der privatwirtschaftlichen TV-Anbieter kaum
noch eine Rolle. Das ist das Ergebnis der Studie über Fernsehen in Deutschland,
die von den Landesmedienanstalten in Auftrag gegeben wurde.
Tatsächlich
scheint der Bereich der politischen Berichtserstattung bei RTL, SAT.1 & Co.
zu einer Restgröße zu verkommen. Die Studie „Fernsehen in Deutschland 1998 -
1999“ des Potsdamer Forschungsinstitutes Göfak ergab, dass die privatwirtschaftliche Konkurrenz von
ARD und ZDF nur etwa ein bis drei Prozent ihrer Sendezeit mit politischen
Informationen bestreitet. Die öffentlich-rechtlichen Programme hingegen kamen
auf einen Politik-Anteil von 17 bis 19 Prozent.
Untersucht wurden die Programme von ARD, ZDF, RTL,
SAT.1, ProSieben, Vox, RTL2 und Kabel 1. Von einer Reduzierung politischer
Inhalte, so führte Projektleiter Hans-Jürgen Weiß am 13. Dezember bei der
Präsentation der Studie aus, könne eigentlich schon nicht mehr die Rede sei.
Vielmehr müsse man ein „Verschwinden“ attestieren. So ging der Anteil
politischer Berichterstattung bei RTL2 von 1998 bis zu diesem Jahr von 0,6
Prozent auf „kaum messbare 0,1 Prozent“ zurück. RTL wurde von den
Medienforschern zwar als „politischstes Vollprogramm“ eingestuft, wird dem
Anspruch der vom Ex-RTL-Chef Helmut Thoma verkündeten „Informationsoffensive“
aber kaum noch gerecht. Schließlich reduzierte Europas erfolgreichster
Werbeträger den Politik-Anteil im Programm von 4,8 Prozent (1998) auf 2,8
Prozent (2000).
Ü
50 Prozent nur Serien, Filme, Quiz und Shows
Mit Ausnahme des ZDF-Programms bestehen alle untersuchten
Programme inzwischen zu mehr als 50 Prozent aus Serien, Spielfilmen, Quiz-,
Spiel- und Comedy-Shows. Der Berliner Professor Weiß kommentierte, Unterhaltung
sei „das Maß aller Dinge“. RTL und SAT.1 hätten im Abendprogramm zwar weniger
Serien und Filme als früher im Programm, würden statt dessen aber Magazine und
Shows ausstrahlen, die zwar informativen Charakter hätten, aber mehr auf human
touch als auf echte Informationen setzten.
Die Autoren der Studie bilanzieren, bei den
privatwirtschaftlichen TV-Angeboten kämen die bedeutsamen politischen und
gesellschaftlichen Kräfte nicht angemessen zu Wort. Die Forscher werten das als
„Marktversagen“. Konsequent drohte der Chef der Direktorenkonferenz der
Landesmedienanstalten, Norbert Schneider (LfR), vielen als Vollprogrammen
lizenzierten Angeboten demnächst die Kabeleinspeisung zu verweigern. In einer
Erklärung der Direktorenkonferenz heißt es außerdem: „Fernsehen in Deutschland
verliert allmählich seine Bedeutung als Medium der politischen Information und
Meinungsbildung.“
Ü Mehr dazu in einer Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft der
Landesmedienanstalten (ALM).