Pro Sieben und SAT.1 verschmelzen

Kirch bündelt das Free-TV-Geschäft

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 28.06.2000

 
 

 

 

 

 

 

 


Die ProSieben Media AG und SAT.1 wollen zum größten deutschen TV-Konzern fusionieren. Damit werden Sat.1, ProSieben, Kabel 1 und N24 unter einem Dach geführt.

 

Stimmen am 22. August die Aktionäre der ProSieben Media AG und die Gesellschafter von SAT.1 dem Zusammenschluss zu, soll noch in diesem Jahr eine leistungsstarke Senderfamilie gegründet werden. Motor dieser Entwicklung war Leo Kirch, der bei den Verhandlungen zugleich bei beiden Seiten am Tisch saß. Schließlich gehören der Kirch-Gruppe mit 58,4% sowohl die Mehrheit der Anteile bei ProSieben als auch 59% von SAT.1. Die übrigen 41% der SAT.1-Gesellschafteranteile hält der Axel Springer Verlag, an dem die KirchBeteiligung GmbH & Co. KG wiederum mit 40,05% beteiligt ist. Den Rest der ProSieben-Stammaktien hält mit 41,6% zurzeit noch die Rewe-Beteiligungs-Holding National GmbH.


Die am Dienstag, 27. Juni, beschlossene Senderfamilie soll in der neuen Holding ProSiebenSAT.1 Media AG zusammengefasst werden, die zu 72% den Anteilseignern der ProSieben Media AG und zu 28% den bisherigen SAT.1-Gesellschaftern gehören soll. Hauptaktionär wird damit die KirchMedia GmbH & Co. KKaA, die 88,52% der Stammaktien auf sich vereinen wird. Der Axel Springer Verlag tauscht seinen 41%-Anteil an SAT.1 gegen 11,48% am Stammkapital der ProSiebenSAT.1 Media AG und soll KirchMedia eine Option eingeräumt haben, diese Anteile später komplett zu übernehmen. Rewe will seine ProSieben-Anteile gegen eine Beteiligung von 6% an KirchMedia eintauschen. Das Unternehmen KirchMedia GmbH & Co. KgaA war Anfang 1999 bei der Restrukturierung der Kirch-Gruppe zur Bündelung von Kirchs Free-TV-Aktivitäten gegründet worden und soll später an die Börse gebracht werden.

Ü Mehr als 2 Milliarde Euro Umsatz

Der Umsatz der neuen Senderfamilie mit Sitz in Unterföhring bei München summierte sich im vergangenen Jahr auf etwa 2 Mrd. Euro bei einem Ergebnis vor Steuern von etwa 200 Mio. Euro. Die Senderfusion soll das Ergebnis noch einmal um etwa 200 Mio. Euro verbessern. Alle jetzigen Senderstandorte sollen erhalten bleiben. Für SAT.1-Geschäftsführer Fred Kogel ist nach dem erfolgreichen Konzernumbau ein Platz im Aufsichtsrat der ProSiebenSAT.1 Media AG reserviert. Mit der Integration von SAT.1 könnte Kirch bei dem Programm, das noch immer Anlaufverluste in dreistelliger Millionenhöhe abbauen muss, endlich die Synergieeffekte seiner Senderfamilie bei Lizenzhandel, Marketing, Verwaltung und Werbungsakquise optimieren.


Dreieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrages hat Leo Kirch (73) damit seine TV-Senderfamilie insofern konsolidiert, als seine Unternehmensgruppe fast alle Anteile an den beteiligten Sendern selbst übernommen hat. Vor 1997 war TV-Anbietern in Deutschland lediglich eine Beteiligung an einem Fernsehvollprogramm oder einem Informationsspartenprogramm mit maximal 49,9% erlaubt sowie zwei weitere TV-Beteiligungen mit jeweils weniger als 25%. Kirch hatte aus diesem Grund Anteile durch seinen Sohn Thomas oder befreundete Unternehmen halten lassen, eine verdeckte Strohmann-Funktion dieser Akteure aber stets abgestritten. Seit 1997 darf sich ein Medienunternehmen an beliebig vielen TV-Programmanbietern beteiligen, solange deren kumulierter Zuschauermarktanteil nicht die 30%-Grenze überschreitet. Deshalb hält Kirch Media inzwischen auch 100% der Anteile am Deutschen Sport Fernsehen (DSF). Rechnet man die aktuellen Marktanteile der neuen ProSiebenSAT.1 Media AG zusammen, so ergeben sich für Mai 24,3%. Hinzu kommen 1,3% Marktanteil von DSF. Die Quoten von N24 werden noch nicht gemessen und müssen deshalb unberücksichtigt bleiben. Alles in allem hat die Kirch-Gruppe die zulässige Höchstgrenze von 30% fast erreicht.

Ü Aktientausch im großen Stil

Einen ersten Schritt zur Zusammenführung der Gruppe hatte Leo Kirch schon im Oktober vergangenen Jahres unternommen, als Sohn Thomas seine 58,4% Mehrheitsanteile an der ProSieben Media AG an Kirch Media abgeben musste. Die übrigen 41,6% der Stammaktien gehören noch immer der Rewe-Beteiligungsgesellschaft. An Kirch Media wiederum sind außer der Familie Kirch, die 88,45% hält, mit je 2,76% der italienische Medien-Tycoon Berlusconi, der arabische Prinz Al-Waleed und ein Fonds der Bank Lehmann Brothers beteiligt sowie mit 3,27% der Capital Research and Management Fonds aus den USA. Nach Gründung der ProSiebenSAT.1 Media AG entfallen auf die Kirch-Gruppe 83,12% der Anteile, Rewe erhält 6,0%, Fonds Capital Research 3,08% und Berlusconis Fininvest, die Kingdom-Holding des Prinzen Al-Waleed sowie Lehmann Brothers werden je 2,60% der Anteile halten.


Die Münchener Kirch-Gruppe ist im deutschsprachigen Raum längst der führende Film- und TV-Programmanbieter. In Kirchs Archivkellern lagern mehr als 16600 Filmtitel und 52200 Stunden Serien, die in den Bilanzen mit einem Wert von mehr als 4 Mrd. Mark ausgewiesen sein sollen. Doch die gewaltige Expansion hat den Konzern auch erhebliche finanzielle Belastungen beschert. Allein im Abenteuer Pay-TV mussten fast 2 Mrd. Mark eingebüßt werden. Nach jahrelangem Tauziehen mit der Bertelsmann AG übernahm die Kirch Pay-TV im Herbst 1999 schließlich 32,5% von CLT-UFA und 25% von Canal+, um sich für insgesamt 2,356 Mrd. Mark 95% von Premiere Wolrd zu sichern und den Sender mit dem eigenen Angebot DF1 zu vereinen. Die restlichen 5% gehören noch immer der CLT-UFA.

 

Für Schlagzeilen hatte in den vergangenen Jahren auch Kirchs Engagement auf dem Sportrechtemarkt gesorgt. Zunächst kaufte die Sportrechte-Agentur ISPR, die Kirch (50%) gemeinsam mit dem Springer Verlag (50%) betreibt, zusammen mit der Schweizer Sporis-Holding für insgesamt 3,4 Mrd. Mark die Übertragungsrechte der Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2006. Im vergangenen April schloss ISPR dann auch noch einen Vierjahresvertrag mit dem Deutschen Fußball-Bund, um für jährlich mindestens 750 Mio. Mark alle Bundesligaspiele exklusiv im Free-TV übertragen zu dürfen.