TV-Regionalprogramm TV NRW gestartet

Zeitungsverlage machen dem WDR-Regionalprogramm Konkurrenz

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 02.10.2001

 
 

 

 

 

 

 

 


Am 1. Oktober startete in Nordrhein-Westfalen endlich das erste privatwirtschaftliche Regional-TV-Programm: tv.nrw will dem WDR Konkurrenz machen und gehört vor allem Zeitungsverlagen.

 

In Nordrhein-Westfalen ist über privatwirtschaftliches Regional- oder Lokal-TV lange gestritten worden: Jahrelang wehrten sich die Zeitungsverleger aus Furcht vor zurückgehenden Werbeeinnahmen, dann entschieden sie sich mit wechselnden Allianzen selbst in das TV-Geschäft einzusteigen. Den Zuschlag erhielten schließlich die mächtigsten NRW-Zeitungsverlage mit ihrem Unternehmen tv.nrw.

Gesellschafter waren ursprünglich mit je 30 Prozent die Essener WAZ-Gruppe und der Kölner Verlag DuMont Schauberg (Kölner Stadt-Anzeiger, Express) sowie mit schließlich nur noch 10 Prozent der Berliner TV-Produzent und Noch-Ehemann von Sabine Christiansen, Theodor Baltz. Weitere 30 Prozent der Gesellschafteranteile hielt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Roger Schaack, der diese aber am Tag vor dem Sendestart an die Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft (Rheinische Post) aus Düsseldorf weiterreichte. Wenige Stunden vor dem Beginn der ersten Sendung am 1. Oktober (17.30 Uhr) zog sich Theo Baltz plötzlich wieder aus dem Unternehmen zurück. Für sein Unternehmen Medienkontor habe sich die Produktion von Fernsehbeiträgen für tv.nrw nicht gelohnt, meldete der Pressesprecher. Zuvor waren große Teile der Programmproduktion an andere Anbieter gegangen. Wer die von Medienkontor abgegebenen zehn Prozent übernimmt, stand nach Angaben des Senders noch nicht fest.

Ü Konsequentes Outsourcing der Produktion aktueller Programme

Bis Ende Dezember soll tv.nrw etwa 18 Millionen Mark ins Programm stecken, bis zum Ende des kommenden Jahres insgesamt allerdings nur etwa 60 Millionen Mark. Das zwingt zum Sparen. Deshalb wurden auch nur zwanzig Mitarbeiter eingestellt, die für das „Sendermanagement“ zuständig sind. Fast alle publizistischen Leistungen entstehen bei Zulieferern aus Dortmund, Köln, Düsseldorf und Essen. So werden etwa die News-Magazine komplett von den Firmen APM und DFA zugeliefert. APM ist das TV-Produktionsunternehmen des Verlages DuMont Schauberg und hält für den Verlag auch die Anteile an tv.nrw. Wichtigster DFA-Gesellschafter ist mit 30 Prozent wiederum die Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft, die nun neuerdings auch an tv.nrw 30 Prozent der Anteile hält. Nach Angaben des vom Institut der deutschen Wirtschaft herausgegebenen Medienspiegels soll sich der APM/DFA-Nachrichtenvertrag auf ein Volumen von knapp 7 Millionen Mark belaufen; ein Preis, bei dem das Baltz-Unternehmen Medienkontor offenbar nicht mithalten konnte.

Ü Bei Rahmenprogramm und Werbung Kooperation mit Kirch-Gruppe

Für die Kernzeit zwischen 17.30 Uhr und 20.15 Uhr verspricht Geschäftsführer Jörg Schütte, der in gleicher Funktion früher auch bei Vox tätig war, mindestens einen 50-Prozent-Anteil zugunsten aktueller Informationssendungen. Ausgestrahlt werden soll rund um die Uhr, teilweise jedoch muss auf das Rahmenprogramm Sun TV zurückgegriffen werden, das die Kirch-Gruppe für ihre Ballungsraumsender in TV Berlin, TV München und Hamburg 1 sowie für Lokal- oder Regionalprogramme in Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg und dem Saarland ausstrahlt. Allerdings wird tv.nrw nur Teile von Sun TV übernehmen und die Kirch-Formate erst nach 22 Uhr ausstrahlen. Kirchs Ballungsraumsender in Berlin, Hamburg und München greifen hingegen auf das Rahmenprogramm (u.a. mit Wigald Boning und Hella von Sinnen) bereits vor und nach der lokalen Informationsschiene am Nachmittag und ab 21 Uhr zurück. Gemeinsam mit der Kirch-Gruppe will tv.nrw auch die Werbezeiten vermarkten. Der Werbezeitenvermarkter SevenOne Media kann damit eine Werbe-Kombination für Deutschlands größte Ballungsräume anbieten.

Ü „nrw aktuell“ macht WDR Fernsehen regionale Konkurrenz

Schwerpunkt der Informationsleistung von tv.nrw soll der Vorabend sein, an dem zwischen 17.30 Uhr und 19.30 Uhr Nachrichten-Moderatorin Brigitte Reimann das Magazin „nrw aktuell“ präsentieren wird. Brigitte Reimann moderierte früher Nachrichten bei RTL, CNN und n-tv. Gegen die neun Regional- und zwei Metropolen-Programme (Köln, Dortmund) des WDR will sich tv.nrw vor allem mit regionalen Magazinen behaupten. So soll das werktägliche Reportage-Format „Countdown NRW“ (ab 20.15 Uhr) zum Beispiel im Laufe einer Woche über ein regionales Ereignis täglich aus einer anderen Perspektive berichten, bevor am Ende der Woche alle Perspektiven zu einer Reportage vereint werden. Donnerstags wird außerdem SAT.1-Fußballreporter Werner Hansch in der Sendung „eins:eins“ (ab 21 Uhr) mit einem Prominenten aus der Sport-Szene talken. Das Reisemagazin „Endlich Wochenende“ (samstags, ab 19 Uhr) soll Kurzurlaubstipps mit NRW-Zielen geben, und in der täglichen Kochshow „echt lecker“ (werktags, ab 19.30 Uhr) können Spitzenköche Moderator Ralf Kühler ihre Profitipps verraten. Das sonntägliche Automagazin soll „topspeed nrw“ heißen (19.00 bis 19.30 Uhr) und die „Faszination der Technik in hochwertigen Bildern“ vorstellen.

Ü Im nächsten Jahr in NRW auch lokale Ballungsraum-Fenster?

Sollte das nordrhein-westfälische Landesrundfunkgesetz im kommenden Jahr auch lokale oder regionale TV-Ballungsraumprogramme zulassen, will tv.nrw zunächst in Köln und im Ruhrgebiet eigene Lokalfernseh-Fenster öffnen. Dabei steht für Jörg Schütte außer Frage, dass nur tv.nrw selbst als Veranstalter dieser Ballungsraumprogramme in Frage kommt. Das jedoch sehen zumindest einige Akteure bei der LfR und in den Reihen der nordrhein-westfälischen Medienpolitiker anders. Schließlich würden von tv.nrw betriebene Lokalprogramme nicht gerade zur Meinungsvielfalt beitragen, da es sich bei den Gesellschaftern ausgerechnet um Zeitungsverlage handelt, die im Großteil ihrer Verbreitungsgebiete sowohl im Zeitungs- als auch im Lokalfunk-Markt über Monopole verfügen. Am 23. August forderte deshalb auch die nordrhein-westfälische FDP-Landtagsfraktion, die Verleger dürften nur maximal 49 Prozent der Kapital- und Stimmrechtsanteile an den Anbietergemeinschaften für die Ballungsraum-Fenster erwerben.