Wer gewinnt Poker um WM-Rechte?

Riesige Millionen-Summen für 2002 und 2006 im Gespräch

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 19.02.2001

 
 

 

 

 

 

 

 


Der Poker um die TV-Übertragung von Spielen der Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2006 im Free-TV scheint noch lange nicht zu Ende. Rechte-Inhaber Kirch braucht dringend Geld, ARD und ZDF brauchen dringend Fußball-Rechte. Das Ende des Pokers ist offen.

 

Anfang des Jahres schien alles schon so gut wie abgemacht. Am 8. Januar teilte der Pressedienst der ARD stolz mit: „ARD und ZDF berichten live von der Fußball WM 2002.“ Ein mit der Kirch-Gruppe ausgehandelter Vertrag, so hieß es, sehe ein „Live-Paket von 24 Spielen“ vor, darunter alle Begegnungen der deutschen Nationalmannschaft, das Eröffnungsspiel, die Halbfinale und das Endspiel. Bei einer deutschen Beteiligung im „kleinen Finale“ um den 3. Platz wäre noch ein 25. Live-Spiel hinzugekommen. Über den Preis hatten beide Vertragspartner Stillschweigen vereinbart. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung soll er bei 225 Millionen Mark plus Mehrwertsteuer gelegen haben. Doch als sich in den kommenden Wochen die verantwortlichen Kontrollgremien von ARD und ZDF ein wenig genauer mit dem Vertrag auseinandersetzten, machten die öffentlich-rechtlichen Anbieter plötzlich einen Rückzieher.

Ü Fußball-Free-TV-Vertrag mit vielen Fußangeln

Bei näherer Betrachtung entpuppte sich das Vertragswerk als wenig attraktiv. ARD und ZDF hätten nur die Live-Rechte an maximal 25 von 64 Begegnungen erworben. Weil die WM 2002 aber in Japan und Südkorea stattfindet, beginnen die Spiele um 8.30, 11 und 13 Uhr deutscher Zeit. Die quotenträchtigen Wiederholungen und Zusammenfassungen aller Partien in der abendlichen Prime Time sollten Sat.1 vorbehalten sein. Zusätzlich sollten alle Begegnungen der WM live bei Premiere World im Pay-TV ausgestrahlt werden. Die für die öffentlich-rechtlichen Anbieter in den Verhandlungsmarathon geschickten Intendanten Dieter Stolte (ZDF) und Albert Scharf (Bayrischer Rundfunk) hatten sich von Kirchs designiertem Nachfolger Dieter Hahn noch weitere Restriktionen abringen lassen: So sollte unter anderem sichergestellt werden, dass ARD und ZDF die Spiele zwar auch digital, aber nur verschlüsselt ausstrahlen dürften, um Kirchs Pay-TV-Angebot von Premiere World nicht das Wasser abzugraben. Außerdem sollte eine Verbreitung der ARD- und ZDF-Übertragungen in ausländische Netze unterbunden werden, weil Kirch die Rechte auch im Ausland teuer vermarkten will.

Kaum waren die genauen Vertragskonditionen bekannt, hagelte es aus den Reihen der Aufsichtsgremien von ARD und ZDF auch schon Proteste. Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis geißelte in ihrer Funktion als ZDF-Verwaltungsrätin die zu unterbindende WM-Übertragung in ausländische Kabelnetze schlicht als „recht abstruse Vorstellung“. In einem Brief an ZDF-Intendant Stolte kritisierte sie außerdem: „Ihren Euphemismus kann ich nicht nachvollziehen.“ Ein Vertrag über die WM 2002, so betonte Simonis, dürfe mit Kirch nur dann unter sachgerechten Bedingungen unterschrieben werden, „wenn die Übertragungsrechte für die WM 2006 in Deutschland sicher in den Händen von ARD und ZDF liegen“. Gleiches hatte zuvor auch der neue ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen gefordert. Also mussten Stolte und BR-Intendant Scharf abermals nach München reisen, um mit Kirch nachzuverhandeln.

Ü Zahlen ARD & ZDF 800 Mio. Mark für TV-Rechte 2002/06?

Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung soll die Kirch-Gruppe inzwischen 800 Millionen Mark verlangt haben, um ARD und ZDF außer den Rechten für 2002 auch eine Übertragung von 25 Spielen für die WM 2006 einzuräumen. Für die Free-TV-Rechte der Weltmeisterschaft im eigenen Land müssten die öffentlich-rechtlichen Anbieter dann 450 Millionen Mark plus Mehrwertsteuer zahlen. Diese Summe aber scheinen die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Anbieter nicht aufbringen zu wollen (oder zu können). Um den Betrag zu reduzieren, sind deshalb jetzt Sport-Rechte im Gespräch, die von ARD und ZDF an Kirch weiter gereicht werden sollen. Dabei handelt es sich vermutlich um Rechte an Ereignissen, die bei den Olympischen Spielen zeitgleich zu anderen Höhepunkten stattfinden und deshalb im vergangenen Jahr auf 3sat übertragen wurden. Thomas Bach, deutscher Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitee (IOC), hat dagegen aber schon Protest und gerichtliche Schritte angekündigt. Die Weitergabe von TV-Rechten, so Bach, dürfe nur Olympia-Ereignisse betreffen, über die sonst überhaupt nicht berichtet werde. Wegen solcher Proteste wurden inzwischen auch Übertragungsrechte der Europameisterschaft 2004, die bei ARD und ZDF liegen, zur Disposition gestellt. Denkbar scheinen sogar Gegengeschäfte aus anderen Programmsparten. Einen Verkauf der „Sendung mit der Maus“, so erklärte WDR-Intendant Pleitgen launisch gegenüber Journalisten, aber wolle er kategorisch ausschließen.

Pleitgen, der es nicht einfach hat, alle Intendanten-Kollegen auf einen gemeinsamen Kurs zu verpflichten, spielt offenbar zunehmend auf Zeit. Kirch hingegen drängt auf einen Vertragsabschluss. Schließlich hat er gemeinsam mit der Schweizer Sportmarketingagentur ISL einen Vertrag über 3,4 Milliarden Mark mit der Fifa abgeschlossen (1,6 Mrd. Mark für 2002, 1,8 Mrd. Mark für 2006), um die Fußball-Großereignisse im Fernsehgeschäft zu vermarkten. Für die notwendigen Ratenzahlungen braucht die Kirch-Gruppe dringend Geld, mussten doch allein mit dem Pay-TV-Abenteuer von Premiere World in den vergangenen beiden Jahren mehr als 2 Milliarden Mark Verlust verkraftet werden.

Ü Alle Spiele der Nationalelf auf jeden Fall im Free-TV

Als Kirch die TV-Rechte vor fünf Jahren erwarb, baute er noch darauf, mit den Exklusiv-Rechten seinem Pay-TV-Angebot zum Durchbruch zu verhelfen. Dann aber beschloss die EG eine Richtlinie, die ihren Mitgliedsstaaten das Recht gibt, Großereignissen von nationaler Bedeutung für das Free-TV Bestandsschutz zu gewähren. Deshalb dürfen in Deutschland gemäß Rundfunkstaatsvertrag (§5a) bestimmte Fußballspiele bei Europa- und Weltmeisterschaften nicht ausschließlich im Pay-TV ausgestrahlt werden. Dazu zählen alle Spiele mit deutscher Beteiligung, das Eröffnungsspiel, die Halbfinalspiele und das Finale. Sollten ARD und ZDF also am Ende nicht mit Kirch handelseinig werden, müsste der Münchener Medienmogul einen privat-kommerziellen Free-TV-Abnehmer finden. Doch angesichts der gigantischen Summen von 10 oder gar 20 Millionen Mark pro Spiel wäre für Pro7, SAT.1 & Co. eine Refinanzierung über die Werbung ausgeschlossen. Dass die ProSieben SAT.1 Media AG zuletzt doch noch Interesse bekundete, halten Branchenexperten eher für ein Kirch-Manöver, um den Preis in die Höhe zu treiben. Nach Angaben des Magazins Der Spiegel soll Kirch den Preis inzwischen schon von 800 Mio. auf 750 Mio. Mark gesenkt haben. Pleitgen könnte also in Ruhe auf den Faktor Zeit setzen.

Auch in anderen europäischen Ländern konnte Kirch bislang noch kaum Verhandlungserfolge erzielen. Kleinere Summen dürften zwar durch Verträge mit Programmanbietern aus Bulgarien, Irland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien und der Slowakei wieder eingespielt werden, doch in den großen Fußball- und TV-Nationen konnte bislang erst mit dem spanischen Pay-TV-Anbieter Via digital ein 300-Mio.-Mark-Vertrag ausgehandelt werden. In England sollen BBC und ITV gemeinsam 500 Millionen Mark zahlen, weigern sich aber noch. In Frankreich verhandelt Kirch mit Canal plus und TF1, die allerdings nur 120 Millionen statt der geforderten 420 Millionen Mark zahlen wollen. Kirch und ISL zahlten für die europäischen Rechte an der Fußball-WM 2002 mit 1,6 Mrd. Mark mehr als zehnmal mehr als 1998 die European Broadcasting Union (zu der auch ARD und ZDF gehören), die nur 135 Millionen Mark ausgab. – Vielleicht hat Kirch zu hoch gepokert.