Streit um Bundesliga-Rechte eskaliert
Umstritten ist vor allem die
Kurzberichterstattung
Von Dr. Matthias Kurp, 20.07.2001
Eine Woche vor
Beginn der Fußball-Bundesliga ist noch immer nicht klar, wann über welche
Spiele in welchen Medien wie lange berichtet werden darf.
750
Millionen Mark hat die Kirch-Gruppe
investiert, um sich die TV-Rechte an der Fußball-Bundesliga zu sichern. Nun
soll die Investition dazu beitragen, dem Pay-TV-Angebot von Premiere World zum
Durchbruch zu verhelfen. Mit knapp 2,4 Millionen Abonnenten ist das Programm
noch immer weit von der Gewinnzone entfernt. Nicht einmal die exklusiven Live-Berichte
aller Bundesliga-Paarungen konnten in der vergangenen Spielzeit genügend neue
Kunden locken. Vielen Fans war das Angebot einfach zu teuer. Wer in der
kommenden Saison jeweils zwei der sieben Bundesliga-Paarungen live sehen will,
muss fürs Premiere-Abo (bei einem Zweijahresvertrag) monatlich 44 Mark zahlen.
Alle übrigen Spiele kosten extra: entweder 15 Mark pro Begegnung oder 25 Mark
pro kompletten Spieltag beziehungsweise 349 Mark für alle Spiele der gesamten
Spielzeit 2001/02.
Um das teure Premiere-Angebot attraktiver zu machen,
so kalkulieren die Kirch-Manager, wird in der kommenden Saison die
Free-TV-Berichterstattung bei SAT.1
einfach ins Abendprogramm verschoben. Die Fußball-Show ran startet deshalb demnächst
erst um 20.15 Uhr, die Tore aus den Spitzenbegegnungen werden gar erst gegen 22
Uhr gezeigt. Wer vorher Teams und Tore bestaunen will, so das simple
Kirch-Kalkül, muss für Premiere World zahlen. Vor 20.15 Uhr soll es im Free-TV
keine Spielberichte geben. Das aber sieht die ARD ganz anders. Unter Berufung auf den Rundfunkstaatsvertrag
und ein Abkommen mit Kirchs Sportrechte-Agentur ISPR, das der ARD bis 2002 die TV-Zweitrechte einräumt,
soll die Tagesschau die
wichtigsten Tore bereits gegen 20.15 Uhr zeigen. Doch während der
ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen auf die Einhaltung des Vertrages besteht,
kontert KirchMedia, das
Abkommen sichere der ARD die Ausstrahlung erst nach Beendigung der
„ran“-Sendung zu.
Wenige
Tage vor Saisonbeginn scheint der Streit weiter zu eskalieren. „Ich finde es
sehr bedauerlich, dass ISPR sich nicht an geschlossene Verträge hält“, ließ
ARD-Chef Pleitgen per Pressemitteilung verkünden und formulierte spitz: „Das
Wichtigste vom Tage gehört in die Tagesschau – am Samstag also auch die
Top-Spiele der Fußball-Bundesliga. Eine Verschlechterung der Berichterstattung
in der Hauptnachrichten-Sendung des deutschen Fernsehens ist im Interesse des
Publikums nicht hinnehmbar.“
Tatsächlich räumt Paragraf 5 des Rundfunkstaatsvertrages
allen Programmanbietern bereits seit 1997 eine unentgeltliche
„nachrichtenmäßige“ Kurzberichterstattung von allen Ereignissen in einer Länge
von bis zu eineinhalb Minuten ein. Das Bundesverfassungsgericht konkretisierte dazu 1998, jeder
Sender müsse das Recht haben, seine Zuschauer in kurzen Berichten mit bewegten
Bildern über die wichtigsten Sportereignisse zu informieren. Nahezu prophetisch
machten die Richter bereits vor drei Jahren in ihrem Urteil auf die Gefahr
aufmerksam, dass „herausragende Veranstaltungen und Ereignisse nur noch im
Bezahl-Fernsehen (Pay-TV) aktuell übertragen und dadurch nur einem Teil der
Zuschauer zugänglich werden“. Diese Situation scheint nun erreicht und die
Rundfunkfreiheit gefährdet.
Beinahe trotzig hat der WDR als für die ARD im Moment geschäftsführende Anstalt in drei
Fällen gleich zum Saisonstart eigene Kamerateams angemeldet. Aus den Stadien in
Dortmund (gegen Nürnberg), in Leverkusen (gegen Wolfsburg) und Mönchengladbach
(gegen Bayern München) will die ARD ihr Recht auf Kurzberichterstattung mit
eigenem Equipment wahrnehmen. Die neue Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) lässt
diese Pläne zurzeit juristisch prüfen. Ligaverbands-Präsident Werner Hackmann
droht aber bereits damit, auch die ARD-Hörfunkübertragungen in Frage zu
stellen, wenn die ARD noch vor SAT.1 Spielberichte ausstrahlt.
Bereits seit 1982 besteht eine Regelung, die für die
Radio-Berichte pro ARD-Anstalt und Spieltag ein 40-Minuten-Limit vorsieht. De
facto aber überschritten vor allem der Bayerische Rundfunk und der Norddeutsche Rundfunk diese Grenze deutlich, was bislang
stillschweigend akzeptiert wurde. Dass aber beispielsweise der Bayerische
Rundfunk weiterhin komplette Spiele live und insgesamt bis zu drei Stunden lang
von Bundesliga-Paarungen überträgt, will der Liga-Verband zukünftig
unterbinden. DFL-Sprecher Michael Pfad kündigte an, demnächst alle
Hörfunk-Übertragungen minutiös überprüfen zu lassen. Dann sollen außer der
20-minütigen Schlusskonferenz nur noch eine 5-minütige Konferenzschaltung am
Ende der ersten Halbzeit sowie einzelne Einblendungen von insgesamt maximal 15
Minuten Dauer erlaubt sein. Der ARD-Vorsitzende Pleitgen und seine
Intendanten-Kollegen hingegen vertreten die Auffassung, bei den
Hörfunk-Berichten aus den Stadien handele es sich um ein journalistisches
Produkt, das allein auf die originäre Leistung der Reporter zurückzuführen sei,
sodass keinerlei Rechte erworben oder gar begrenzt werden dürfen.
Einigungsversuche zwischen Kirch-Gruppe und ARD sind
zuletzt am 20. Juli gescheitert. Dabei wollte KirchMedia der Tagesschau nach
eigenen Angaben pro Spieltag 90 Sekunden Bundesliga-Bilder überlassen, davon
für je ein Topspiel Sequenzen von 30 Sekunden Länge (ab 4 Toren 40 Sekunden).
Die ARD-Intendanten bewerteten dieses Angebot als „unseriös“ und bestritten
außerdem, dass die Wahl des Topspieles der Tagesschau selbst überlassen werden
sollte. Vielmehr hätte Kirch diese Auswahl übernehmen wollen.
Unklarheit herrscht auch noch immer an der
Hörfunk-Front. In den ARD-Verhandlungen mit dem Ligaverband dürften dabei auch
die Internet-Pläne beider Parteien eine Rolle spielen. Noch kooperiert die DFL
nämlich mit der Berliner Agentur Altus, die über das Angebot http://www.bundesliga.de/
in Kooperation mit RTL und anderen eigene Live-Berichte anbietet. Seit einiger
Zeit aber wird bereits darüber verhandelt, dass diese Live-Reportagen künftig
von der ARD produziert werden sollen. Aus diesem Grund hat die ARD bislang auch
auf eigene Bundesliga-Reportagen via Internet verzichtet. Eine harte
Konfrontation mit der DFL scheint diesem Ziel kaum dienlich. Auch mit dem Deutschen Fußballbund (DFB) muss
die ARD äußerst pfleglich umgehen, stehen doch schon bald Verhandlungen über
die TV-Rechte von Fußballländerspielen an.