Regionalfernsehen, Ballungsraumfernsehen, Metropolenfernsehen oder Lokalfernsehen – vier Begriffe, ein Problem: Mit regionalen oder subregionalen TV-Programmen lässt sich in Deutschland wegen zu kleiner Reichweiten trotz teilweise beachtlicher Zuschauerresonanz fast nirgendwo Geld verdienen. TV-Programme aus dem Nahraum sind bei den Zuschauern beliebt, für die Anbieter aber meist ein teures Vergnügen. Kein Wunder, dass sich angesichts der angespannten Lage auf dem TV-Werbemarkt die Hiobsbotschaften mehren: Kirchs Metropolen-Programmkette in München, Berlin und Hamburg ist Vergangenheit, das baden-württembergische Programm B.TV meldete 2002 Insolvenz an, der Ballungsraum-Verbund Sachsen-Fernsehen kündigte zum Jahresende 2002 allen Mitarbeitern, bereits in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres hatte das bayerische Oberfranken-TV Insolvenzantrag stellen müssen.

Trotz aller wirtschaftlichen Probleme: Lokal- und Regionalfernsehen hat weder beim Publikum noch bei den Anbietern an Beliebtheit verloren. Alles in allem existieren in Deutschland mehr als 300 Kanäle für regionale oder subregionale TV-Programme. Fernsehen wird immer mehr zum Nahsehen. In Bayern erreichten die lokalen Fernsehprogramme bei der Reichweitenmessung 2001/2002 an einem durchschnittlichen Werktag fast 10 Prozent der Bevölkerung. In den bayerischen Kabelnetzen wurden sogar 15,4 Prozent „Seher gestern“ gemessen.

Als kommerzielles Lokalfernsehen im engeren Sinne lassen sich nur solche Programme bezeichnen, die sich ausschließlich auf eine Stadt oder Gemeinde beziehen. Etwa die Hälfte der kommerziellen TV-Lokalprogramme befindet sich in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg. Allein in Sachsen gibt es fast 90 lokale Kabelfernsehlizenzen. Die Thüringer Landesmedienanstalt hat bislang 18 lokale oder regionale Veranstalter zugelassen, die teilweise auch terrestrische Frequenzen nutzen können. In Brandenburg heißen die 36 Lokalprogramme Stadtkanäle.

Ü Miniprogramm: Lokal-TV für 172 Haushalte

Wie unterschiedlich die Lage der Lokalfernseh-Veranstalter ist, zeigt das Beispiel Sachsen-Anhalt: Dort senden 16 kommerzielle Programmanbieter, die zwischen 130.000 Haushalte (Magdeburg) und lediglich 220 Kabelanschlüsse (Balgstädt) erreichen. Der kleinste brandenburgische Kanal heißt „Info Klettwitz“ und macht in Annahütte gerade einmal für 172 Haushalte Programm. Viele dieser Programme bestehen nur aus einstündigen Sendeschleifen, die tagelang unablässig wiederholt werden. Andere übertragen regelmäßig Ratssitzungen und Familienfeiern, Chorkonzerte oder Sportveranstaltungen. Ihre Organisationsformen reichen vom eingetragenen Verein bis zur Kapitalgesellschaft.

Im Gegensatz zu den 63 nicht-kommerziellen Offenen Bürgerkanälen müssen sich die privatwirtschaftlichen Lokal-TV-Anbieter selbst finanzieren. Ihre Jahresetats liegen meist zwischen einer halben und zwei Millionen Euro. Außer Zuschüssen für die technische Infrastruktur, die von den Landesmedienanstalten gewährt werden, fließen kaum öffentliche Mittel in subregionale Angebote. Anders ist es in Bayern, wo die etwa vierzig mittelständischen TV-Lokalprogrammanbieter – davon etwa zwanzig als Lokalfenster von RTL und SAT.1 – mit Fördergeldern aus den Kabelbeiträgen der Haushalte (monatlich 1 Euro pro Kabelhaushalt) subventioniert werden. 2001 flossen so etwa zehn Millionen Euro in die Kassen privater Veranstalter von Lokalfernsehen. Auch in Sachsen gibt es ein Teilnehmerentgelt und damit die Möglichkeit, Lokalfernsehen zu subventionieren. Dank solcher Zuschüsse betrug der Kostendeckungsgrad der zahlreichen Klein- und Kleinstprogramme fürs Fernsehen aus der Nahwelt nach Berechnungen des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung 1998 immerhin 98 Prozent. Ohne die Fördermittel hätten die lokalen TV-Programmanbieter ihre Kosten nur zu 56 decken können.

Während sich in den USA die meisten der mehr als 2000 TV-Lokalstationen im Rahmen des so genannten Syndication-Modells vor allem als Partner der großen Networks mit lokalen Fenstern begnügen, setzen die meisten Lokal- und Ballungsraumprogramme in Deutschland auf eigene Sendungen rund um die Uhr. Das aber kostet viel Geld, das sich zurzeit über die Werbung nicht einspielen lässt. Weil TV-Spots teuer sind, kommen sie für die meisten mittelständischen Händler oder Gewerbebetriebe nicht in Frage. Um Kosten zu senken, werden jetzt auch in Deutschland immer mehr Kooperationen verabredet. So trafen sich zum Beispiel Ende November in Bad Saarow Vertreter ostdeutscher Lokalstationen und verabredeten eine Programmharmonisierung. Damit soll der Austausch einzelner Formate oder ihre gemeinsame Produktion vereinfacht werden. Zu diesem Zweck gründeten 166 Lokalfernseh-Unternehmen den Bundesverband lokales Fernsehen (BLF), der bei einer Reichweite von mehr als 4 Millionen Zuschauern auch überregionale und nationale Werbung akquirieren soll.

Ü Mesokosmos regionaler TV-Programme

Zwischen dem Mikrokosmos des Lokalfernsehens und dem Makrokosmos bundesweiter Vollprogramme begann sich bereits in den 80-er Jahren eine Art Mesokosmos regionaler TV-Programme zu entwickeln. SAT.1 und RTL strahlen – als Unterpfand für terrestrische Frequenzen – inzwischen vierzehn regionale Landesfenster aus. Um Regionalfernsehen im engeren Sinne aber handelt es sich dabei meist nicht, eher um Boulevardprogramme mit regionalem Anstrich, werktäglich jeweils nur dreißig Minuten lang. Darüber hinaus aber existieren in Deutschland dreizehn Ballungsraum- und Regionalprogramme, die mit eigener Lizenz täglich mehrere Stunden lang Sendungen aus ihrer Region ausstrahlen.

Privatwirtschaftliches Regionalfernsehen, bei dem komplette TV-Programme auf jeweils ein Bundesland abgestimmt werden, existiert – mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin und Hamburg – nur in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Als der baden-württembergische Programmanbieter B.TV im März 2001 einen analogen Astra-Sendeplatz belegte, kündete Geschäftsführer und Hauptgesellschafter Bernd Schumacher noch an, man verstehe sich als bundesweites Vollprogramm mit Ballungsraumfenstern. Für Niedersachsen hatte sich B.TV bereits einen Kabelplatz gesichert. Doch noch bevor zusätzlich zu den Programmen für Karlsruhe und Stuttgart weitere Fenster geöffnet werden konnten, musste das 1995 gegründete Unternehmen wegen Zahlungsunfähigkeit am 31. Juli Insolvenz anmelden.

Mitte 2002 hatte B.TV-Chef Schumacher noch behauptet, sein Unternehmen würde schwarze Zahlen schreiben. Sogar an den Ballungsraumkanälen TV München, TV Berlin und Hamburg 1 hatte er Interesse gezeigt. Dann aber wurde es plötzlich ruhig um B.TV. Inzwischen wird nur noch ein Notprogramm ausgestrahlt, Ende November erlosch die Sendelizenz für das Lokalfenster des Standortes Karlsruhe. Auslöser für die Krise dürften wohl die Pleite des Mitgesellschafters Kinowelt, die hohen Kosten für den Astra-Transponder (ca. 6 Mio. Euro jährlich) und mangelnde Werbeeinnahmen gewesen sein. Sollen die etwa 200 Arbeitsplätze erhalten werden, braucht B.TV dringend einen neuen Gesellschafter. Der niedersächsische Kabelplatz wurde vorläufig erst einmal an  Bloomberg TV und Arte vergeben.

Ende Januar übernahm schließlich die Regio Network Communication GmbH & Co KG des Plüdershausener Geschäftsmannes Thomas Hornauer das insolvente Unternehmen B.TV. Hornauer, der durch Geschäfte mit Telefonservice-Nummern reich geworden ist, will aus B.TV ein Programm „mit viel Zuschauerbeteiligung“ machen. Zu diesem Zweck wurden die Studios, Technik und einige Mitarbeiter von B.TV übernommen, nicht aber die Anteile an den Gesellschaften B.TV Württemberg und B.TV Baden. Die regionale Berichtserstattung soll aber, so versprach der neue Gesellschafter, weiterhin „eine große Rolle“ spielen.

Ü TV NRW mit steigender Reichweite

Eine weitaus kostengünstigere Situation als B.TV fand im Oktober 2001 TV NRW beim Start in Nordrhein-Westfalen vor. In keinem anderen Bundesland gibt es mehr als die 4,2 Millionen Kabelhaushalte an Rhein und Ruhr. Der von der Düsseldorfer Landesanstalt für Rundfunk (heute: Landesanstalt für Medien) vergebene Kabelplatz garantiert dem Dortmunder Programmanbieter eine komfortable Reichweite. So konnte Geschäftsführer Jörg Schütte bereits ein halbes Jahr nach Sendestart stolz eine Tagesreichweite von ungefähr 750.000 Zuschauern verkünden. TV NRW muss mit einem Jahresetat von etwa 25 Millionen Euro und nur etwa zwanzig festen Stellen auskommen. Gesellschafter sind zu je einem Drittel drei Großstadt-Zeitungsverlage: die Essener WAZ-Gruppe, der Kölner Verlag DuMont Schauberg (Kölner Stadt-Anzeiger, Express) und die Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft (Rheinischen Post) aus Düsseldorf.

Auch wenn TV NRW keine Gewinne erwirtschaften sollte, erreichen die drei nordrhein-westfälischen Verlage mit ihrem TV-Engagement zumindest das Ziel, ihre größtenteils monopolartigen Zeitungs-Werbemärkte zu schützen. Für das landesweite Regionalfernsehen in Nordrhein-Westfalen, das nur von den 4,2 Millionen Kabelhaushalten und digital über Eutelsat empfangen werden kann, hat eine Studie im Auftrag des Landesanstalt für Medien für das Jahr 2000 ein regionales und nationales Werbepotenzial von etwa 22 Millionen Euro hochgerechnet. Käme noch Ballungsraumfernsehen hinzu, lägen die Einnahmen etwa ein Drittel niedriger. Davor aber muss TV NRW vorerst keine Angst haben, weil der Programmanbieter selbst zum Betreiber subregionaler Ballungsraumfenster wird. Das erste dieser Fenster wurde am 2. Dezember 2002 im Köln/Bonner Raum geöffnet, weitere mit jeweils viermal täglich etwa zwölf subregionalen News-Minuten sollen im nächsten Jahr in den Ballungsräumen Düsseldorf und Dortmund folgen. Von diesen Fenstern erhofft sich TV-NRW-Chef Schütte außer einer höheren Zuschauerbindung vor allem die bessere Ausschöpfung lokaler Werbemärkte.

Ähnlich wird auch beim Ballungsraumfernsehen kalkuliert, das ebenfalls in heterogenen Regionen TV-Angebote für subregionale Kommunikationsräume ermöglichen soll, allerdings ohne ein Rahmenprogramm wie B.TV oder TV NRW, das ein ganzes Bundesland abdeckt. Der Begriff Ballungsraum ist maßgeblich vom Marktforschungsinstitut Nielsen geprägt worden. Dabei wurden für Deutschland 13 ökonomisch und kulturell möglichst homogene Gebiete mit der größten Wirtschafts- und Bevölkerungskonzentration gebildet, in der Regel Großstädte mit ihrem Umland. Zu diesen Nielsen-Ballungsräumen gehören zwar nur 13,2 Prozent der Fläche der Bundesrepublik, in ihnen leben aber 41 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Folge: In den Ballungsräumen wohnen jeweils etwa fünfmal so viele Menschen pro Quadratkilometer wie im Bundesdurchschnitt. Die Vorteile: Mit einem TV-Programm, das regionale Eigenheiten berücksichtigt und abbildet, lassen sich deutlich höhere Reichweiten zu relativ geringen Kosten erreichen als in ländlichen Gebieten. Positiv auf das Werbeklima wirkt sich bei Ballungsraum-Programmen außerdem aus, dass in ihren Verbreitungsgebieten die Kaufkraft durchschnittlich etwa zehn Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt.

Ü Stadt-Fernsehen kriselt auch in Metropolen

Inzwischen existieren in fast allen deutschen Metropolen Ballungsraumsender, allerdings meist mit wenig wirtschaftlichem Erfolg. Im Zuge der Kirch-Krise gerieten zuletzt die Angebote in Berlin, München und Hamburg ins Wanken. Vor allem das privatwirtschaftliche Hauptstadtfernsehen hat immer wieder gezeigt, dass selbst in Ballungsräumen Erfolge keine Selbstläufer sind. Das im November 1993 vom Filmemacher Ulrich Schamoni initiierte Metropolenprogramm 1A Brandenburg – im Dezember 1995 umbenannt in 1A Fernsehen und ein Jahr später in Puls TV umgewandelt – machte 130 Millionen Mark Verlust, bevor es 1996 Pleite ging und 1997 von Thomas Kirch übernommen wurde. Leo Kirchs Sohn nannte das Programm fortan TV Berlin und vermarktete es zusammen mit den Ballungsraumsendern in Hamburg und München, bis Anfang August 2002 erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Mit dem Zusammenbruch der Kirch Media fehlten TV Berlin wichtige Programmvorräte, und Geschäftsführer Christian Böhmer fand zunächst keinen neuen Partner. Vom 31. Juli bis 15. November 2002 konnte nur noch eine Archiv-Endlosschleife ausgestrahlt werden. Der Marktanteil war aber auch vorher schon von 1,8 Prozent (2001) auf deutlich weniger als 1 Prozent (2002) gesunken.

Während TV Berlin immer schon chronisch defizitär operierte, meldet das 1991 gestartete Fernsehen aus Berlin (FAB), an dem 21 mittelständische Gesellschafter beteiligt sind, seit 1998 immerhin „kleine schwarze Zahlen“. Täglich werden etwa acht bis zehn Stunden neues Programm gesendet, der Rest besteht aus Wiederholungen. FAB versteht sich als ein „konzernunabhängiges Metropolen-TV“, hat nur 14 feste Mitarbeiter und bezieht sein Programm vor allem von den Firmen des eigenen Gesellschafterkreises. Zu den Anteilseignern zählt auch die Deutsche Fernsehnachrichten Agentur (DFA) der Verlage von Rheinischer Post (52 Prozent) und Bonner Generalanzeiger (22 Prozent) sowie des Bonner TV-Unternehmens Infobonn (26 Prozent).

Im Gegensatz zu FAB hat TV Berlin die Anlaufverluste noch lange nicht refinanziert. Für die Wende soll nun der Österreicher Hanno Soravia sorgen, der das Unternehmen im Oktober 2002 für einen symbolischen Euro kaufte. Der Unternehmer erhielt für seine Kanal 1 Fernsehbetriebsgesellschaft Mitte November eine Lizenz der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Voraussetzung war die Übernahme von 45 der zuletzt noch hundert Mitarbeiter von TV Berlin. Soravia will in diesem Jahr bis zu 15 Millionen Euro in TV Berlin investieren und kalkuliert mit jährlichen Anlaufverlusten von sieben bis acht Millionen Euro in den ersten beiden Jahren. Ist dann keine Trendwende in Sicht, will er sein Engagement rasch wieder aufgeben. Das neue Programmschema bietet eine boulevardeske Mischung aus Hauptstadt-Klatsch, preiswerten Dating- und Casting-Shows, Sport und News (teilweise bis zu fünfmal täglich wiederholt).

Ü Soravia übernahm zwei Kirch-Programme

Die Unternehmens-Gruppe, die Hanno Soravia gemeinsam mit seinem Bruder Erich führt, gilt mit etwa 350 Millionen Euro Umsatz als einer der größten Bauträger in Österreich. Außerdem halten die geschäftstüchtigen Eigentümer Beteiligungen an Parkhäusern, an einer Plakatwerbefirma und am 300 Jahre alten österreichischen Pfandleihhaus Dorotheum. Auch wenn sich die Soravias auf Werbung und das Verwerten verpfändeten Eigentums verstehen: Im TV-Bereich fehlt es ihnen an Erfahrung. „Von Fernsehen habe ich keine Ahnung. Ich kann nur Bilanzen lesen“, kokettierte Soravia freimütig gegenüber der Frankfurter Rundschau. Dennoch plant er ein länderübergreifendes Satellitenprogramm für Ballungsraumstationen. Kanal 1 hat sich außer bei den Studios des Züricher Senders TV3 und dem Belgrader TV-Kanal Kosava mit 40 Prozent auch bei TV München eingekauft (ebenfalls gegen einen symbolischen Euro). 60 Prozent von TV München hält zwar weiterhin Thomas Kirch, der 1996 damit begonnen hatte, die Regie beim früheren TV Weiß-Blau des Strauß-Sohnes Franz Georg zu übernehmen. Den Sendebetrieb soll Kanal 1 zukünftig aber allein finanzieren und in den kommenden zwei Jahren etwa 30 Millionen Euro in München investieren.

Das dritte TV-Glied aus Kirchs ehemaliger Senderkette war das Hamburger Programm Hamburg 1 (HH1). Dort hatte die Kirch Beteiligungs GmbH & Co. KG zuletzt einen Gesellschafteranteil in Höhe von 92,7 Prozent, reichte ihn aber Mitte November 2002 an die Düsseldorfer DFA weiter. Die DFA hatte bis Oktober 2000 in Hamburg zu den HH1-Gründungsgesellschaftern gehört, dann aber ihre Anteile an Kirch verkauft. Der Axel Springer Verlag, der noch 7,3 Prozent der HH1-Anteile hält, hat bereits angekündigt, sich ebenfalls aus dem Hamburger Ballungsraum-Programm zurückziehen zu wollen. Nach der Trennung von Kirch werden bei Hamburg 1, das nie Gewinne erzielte, inzwischen mehr eigene Formate gesendet.

Ü Kirch in Metropolen mit Millionen-Verlusten

Für Kirch lohnten sich die verlustreichen Ballungsraum-Programme vor allem, weil er an ihnen durch den Verkauf von Senderechten verdienen konnte. So brauchten TV München, TV Berlin und Hamburg 1 vor allem Serien fürs Abendprogramm. Die Programmchefs der Redaktionen in München, Berlin und Hamburg machen inzwischen keinen Hehl mehr daraus, dass sie die Kirch-Ware in ihren Rahmenprogrammen ohnehin vor allem als finanziellen wie inhaltlichen Ballast empfanden. Insgesamt machten Kirchs drei Ballungsraumstationen mehr als 100 Millionen Euro Verlust, davon mehr als 50 Millionen Euro bis Ende 2000. 2001 kamen bei TV Berlin etwa weitere 15 Millionen Euro Miese hinzu, bei Hamburg 1 betrug das Defizit knapp 12 Millionen Euro und bei TV München etwa 11 Millionen Euro.

Im Januar stellte der neue Eigentümer von TV München und TV Berlin den Redaktionen sein neues Konzept vor: Nach Angaben des Branchendienstes Der Kontakter soll nachmittags bald ein Kinderprogramm mit Formaten von Fox Kids und Disney ausgestrahlt werden. Außerdem wird nach den Vorbildern von „Big Brother“ und „The Osbournes“ an einem Real-Life-Format gebastelt. Dabei soll unter dem Arbeitstitel „Kommune 2“ der Alt-68-er Rainer Langhans gemeinsam mit fünf Frauen in einer Wohngemeinschaft mit Kameras beobachtet werden. Gedreht wird in München, ausgestrahlt demnächst in München, Berlin und Wien. Aus, in und für Berlin werden zurzeit noch täglich vier Stunden Programm produziert, das in Schleifen wiederholt wird. In München liegt der lokale Programmanteil noch ein wenig höher.

Ü Experimente bei Sachsen Fernsehen

Ähnlich wie Kirch versuchte in Ostdeutschland auch die Sachsen Fernsehen GmbH & Cohen GmbH & Co. Fernseh-Betriebs KG in Dresden, Leipzig und Chemnitz SynergieEffekte auszunutzen. Gründungsgesellschafter waren die bayerische Oschmann-Gruppe (77,38 Prozent über die Müller-Medien GmbH), der fränkische Rundfunkunternehmer Dietmar Straube (17,62 Prozent) sowie die Axtmann-Beteiligungs GmbH (5 Prozent). Seit 1996 wurden die terrestrisch und per Kabel verbreiteten Programme in den drei sächsischen Großstädten einheitlich formatiert und zentral vermarktet (technische Reichweite: 1,65 Millionen Menschen). In allen drei Städten wurden identische Programme gezeigt, die lediglich mehrmals täglich durch 30 Minuten lokale Informationen („Drehscheibe“) unterbrochen werden. Die für 2002 erhoffte Gewinnschwelle wurde jedoch verfehlt. Zum Jahresende 2002 kündigte Sachsen Fernsehen deshalb allen siebzig festen Mitarbeitern und hat die Programmproduktion inzwischen regionalen Partnern übertragen. Die Lizenz, so erklärte Hauptgesellschafter Müller Medien, soll aber nicht zurückgegeben werden. Die sächsische Landesmedienanstalt muss nun genau überwachen, ob die Oschmann-Gruppe mit dem strategischen Schachzug nicht der Veranstalterbegriff aushöhlt, indem andere Unternehmen die Programmstruktur festlegen, die Programmabfolge planen und die Sendungen selbst zusammenstellen.

Trotz aller Krisen anderswo: Auch in wird mit Rhein-Main TV im kommenden Mai das erste Ballungsraumfernsehen für die Region zwischen Friedberg und Darmstadt, Bingen und Aschaffenburg on Air gehen. Zur neuen Redaktion mit Sitz in Bad Homburg sollen 71 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gehören. An der GmbH sind zwölf Gesellschafter beteiligt, darunter die Bad Homburger Produktionsfirma Bibo TV, die Fernsehentwicklungsgesellschaft Euro-Star, der Fußballclub Eintracht Frankfurt oder der Sport-Kreis Rhein-Main. Zusammen mit acht mittelständischen Firmen haben diese Akteure für die ersten zweieinhalb Jahre jährliche Kosten von nur 10 Millionen Euro veranschlagt. „Wenn wir von den etwa 1,3 Milliarden Euro Werbepotenzial im Rhein-Main-Gebiet zwei Prozent erhalten, sind wir schon ganz dick in den schwarzen Zahlen“, erklärte Rhein-Main-TV- und Euro-Star-Geschäftsführer Helmut Polzin gegenüber dpa. Nachts soll auf dem Kanal, der von 4,5 Millionen Hessen zu empfangen sein wird, das Programm von BBC World ausgestrahlt werden. Spielfilme und Serien sind bislang nicht vorgesehen. Zu den gesetzlichen Auflagen gehört hingegen, dass pro Werktag vier Stunden neues Programm gesendet werden, an Sonn- und Feiertagen nur zwei Stunden.

Ü Bundesweite Vermarktung als Schwachpunkt

Um Werbekunden eine größere Reichweite zu bieten, haben sich vor zwei Jahren die größten deutschen Ballungsraum-Programme zusammengeschlossen und von der Seven One Media der Kirch-Gruppe zentral vermarkten lassen. Zu dem im August 2000 gebildeten Vermarktungsverbund (Reichweite: 31,3 Millionen Zuschauer) zählten außer TV NRW, den drei Kirch-Ballungsraumsendern und Sachsen Fernsehen auch Saar TV im Saarland (zu den Gesellschaftern gehören u.a. DFA und Oschmann-Gruppe), das Franken Fernsehen (Nürnberg, Fürth, Erlangen; Gesellschafter: Dietmar Straube), das Rhein-Neckar-Fernsehen (Nordbaden, Südhessen, Vorder- und Südpfalz; Gesellschafter: Bert Siegelmann), FR Südbaden (Freiburg; Hauptgesellschafter: Oschmann-Gruppe) sowie TV Bayern als Zusammenschluss von 15 regionalen TV-Stationen in Bayern (v.a. Oschmann-Gruppe).

Nach der Kirch-Krise fiel der von Seven One Media vermarktete Ballungsraum-TV-Verbund jedoch vorerst auseinander. Im August wurde statt dessen ein Arbeitskreis BallungsraumFernsehen e.V. gegründet, um auch weiterhin gemeinsam Werbekombis anbieten sowie Marktforschung und Marketing bündeln zu können. Mit der von Seven One Media initiierten Schaffung „genreharmonisierender Programmstunden“ (einheitliches Abendprogrammschema) und dem im April 2001 eingeführten gemeinsamen Rahmenprogramm Sun TV ist es nun vorbei. Innerhalb des neuen Arbeitskreises aber, so heißt es, wollen sich die Mitglieder auch weiterhin um den Austausch von Programmformaten kümmern.

Der Anteil eigenproduzierter Sendungen lag bei den ehemaligen Kirch-Programmen 2001 nach eigenen Angaben bei etwa einem Viertel der täglichen Sendezeit: Hamburg 1 produzierte 9 Stunden, TV Berlin etwa 7 und TV München etwas mehr als 6 Stunden pro Tag in eigener Regie (ohne Wiederholungen). Inklusive Wiederholungen stammten jeweils etwa zwei Drittel der Gesamtsendezeit aus den eigenen Redaktionen oder von Auftragsproduzenten. Bei B.TV und FAB lag dieser Anteil mit 75 bzw. 85 Prozent sogar noch höher. Weil eigenproduzierte Programme der eigentliche Unique Selling Point (USP) der Ballungsraumprogramme sind, kann auf sie trotz relativ hoher Kosten nicht verzichtet werden. Kirchs Programme in Berlin, München und Hamburg investierten zuletzt zwischen 7 und 7,5 Millionen Euro jährlich in eigene Magazine, Talkshows und lokale Nachrichten, was für die Erstsendung jeweils Minutenpreisen von etwa 50 Euro entsprach. Für die „Drehscheibe“ bei Sachsen Fernsehen wurden 2001 zwar mehr als 61 Euro pro Minute ausgegeben. Die genannten Kosten sind allerdings nur etwa 30 bis 40 Prozent dessen, was für die regionalen TV-Fenster von RTL und SAT.1 aufgewendet wird und sogar nur ein Zehntel dessen, was bundesweite TV-Programme im Durchschnitt kosten.

Ü Sun-TV nur mäßig erfolgreiche Übergangslösung

Programmplätze, für die keine eigenen Sendungen produziert werden konnten, wurden beim von Seven One Media vermarkteten Ballungsraum-TV-Verbund seit April 2001 statt mit Serien aus dem Kirch-Archiv (u.a. „Bonanza“, „Waltons“) sukzessive mit dem Rahmenprogramm Sun TV gefüllt. Dabei handelte es sich für die Sendestrecke von 15 bis 17 Uhr sowie von 21 bis 24 Uhr um Magazine und Shows der Firma Entertainment Factory des ehemaligen ProSieben-Unterhaltungschefs Oliver Mielke, an der vorübergehend auch Kirch mit 25 Prozent beteiligt war. Mielke verkaufte Comedy-Formate etwa vier bis acht mal günstiger als sonst in der Branche üblich. Für die Wiederholungen alter Formel-Eins-Sendungen mit Kai Böcking und Ingolf Lück sowie für neue Comedy-Formate mit Wigald Boning oder Hella von Sinnen zahlten die Ballungsraumprogramme dennoch Millionensummen, allein TV München, TV Berlin und HH1 mussten jährlich jeweils mehr als 3 Millionen Euro für Sun TV überweisen.

Die Verjüngung der Programminhalte scheint sich für die Ballungsraumprogramme allerdings nicht ausgezahlt zu haben. Mit Ausnahme von Franken Fernsehen verloren 2001 alle Sun-TV-Programme gegenüber dem Vorjahr deutlich an Reichweite, am meisten Saar TV (von 16,6 auf 11,7 Prozent), Rhein Neckar Fernsehen (von 20,3 auf 12,3 Prozent) und Sachsen Fernsehen (von 17,3 auf 12,8 Prozent). Die Quoten blieben auch 2002 mäßig, so dass sich die Ballungsraum-Programme am 1. August von Sun TV verabschiedeten (und Mielke etwa hundert seiner 130 Stellen abbauen musste). Statt dessen wird inzwischen von den meisten Anbietern täglich die von TV NRW produzierte Entertainment-Show „Nur mit Nummer! Koslars seltsame Sprechstunde“ im Abendprogramm ausgestrahlt. Ähnlich wie Sun TV soll dieses Format vor allem jüngere Zuschauer an die Ballungsraum-Programme binden.

Bei der Zielgruppendefinition befinden sich Ballungsraum-Programme in einem Dilemma: Einerseits verlangt die Werbewirtschaft nach einem möglichst jungen Publikum, andererseits interessieren sich für regionale oder lokale Inhalte – das zeigen auch die Leseranalysen der Lokalzeitungen – vor allem ältere Rezipienten. Auch die öffentlich-rechtlichen Dritten Programme der ARD erreichen mit ihren regionalen Angeboten vor allem ältere Zuschauer, von denen nur 30,5 Prozent jünger als 50 Jahre sind.

Ü Arbeitskreis für bundesweite Vermarktung

Der Arbeitskreis BallungsraumFernsehen scheint zurzeit vor allem auf mehr Akzeptanz bei der Werbewirtschaft durch eine Verjüngung der Zielgruppe zu setzen. Schließlich stammen etwa siebzig Prozent aller Erlöse von Ballungsraumprogrammen aus der Vermarktung von Werbezeiten. Hinzu kommen Einnahmen aus der Produktion von Werbespots und dem Verkauf von Bildern und Beiträgen an Dritte sowie aus Merchandising und – vor allem in Bayern – aus Zuschüssen der Landesmedienanstalten. Darüber hinaus stellten die drei Kirch-Programme sowie Saar TV lange gegen Entgelt Neun live Programmplätze für das Reiseverkaufsmagazin „Sonnenklar“ zur Verfügung. Im Rahmen ähnlicher Syndication-Verträge strahlen andere Programme (Rhein-Neckar Fernsehen, Sachsen Fernsehen, Franken Fernsehen, FR Südbaden) Bloomberg-Formate aus oder einzelne Sendestunden von RTL Shop (B.TV, Sachsen Fernsehen, FR Südbaden).

Trotz des Werbebooms machten die TV-Ballungsraum-Programme bereits im Jahr 2000 ein Defizit von etwa 68 Millionen Euro. Lange vor der großen Krise der Werbebranche hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bereits ermittelt, dass die Ballungsraumprogramme weniger als 40 Prozent ihrer Ausgaben erwirtschaften. 1995 waren es 36 Prozent, 1999 und 2001 jeweils 38 Prozent. Da lag Sachsen Fernsehen 2001 mit einem angegebenen Kostendeckungsgrad von etwa 75 Prozent noch äußerst günstig. TV München erreichte im selben Jahr (ohne Teilnehmerentgelt-Zuschuss in Höhe von 307.000 Euro) nach eigenen Angaben nur einen Kostendeckungsgrad von 45,7 Prozent, TV Berlin von 28,1 Prozent, und HH1 konnte 2001 nur 26 Prozent seiner Kosten decken. Diese Zahlen ermittelte Daniel Friedheim im Rahmen einer Magisterarbeit am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Dass weniger die mangelnde Akzeptanz als die hohen Kosten und geringen Werbeeinnahmen für die Krise des Ballungsraumfernsehens verantwortlich sind, zeigen die aktuellen Publikumsdaten: Eine im Juni 2002 von NFO Infratest Media Research durchgeführte Reichweitenforschung attestierte den zehn größten Ballungsraumprogrammen in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Berlin, München, Sachsen, Franken, Süd-Baden und Bayern sowie dem Saarland bei der Reichweite von 31,3 Millionen Zuschauern ab 14 Jahren, dass täglich 2,36 Millionen Zuschauer erreicht wurden. Der weiteste Seherkreis lag bei 9,6 Millionen. Mit etwa 3 Prozent Marktanteil schnitten die untersuchten Programme durchschnittlich in ihren Verbreitungsgebieten 2002 sogar besser ab als zum Beispiel Super RTL oder Neun live. Die beiden bundesweiten Spartenprogramme aber erzielten in den vergangenen zwölf Monaten Gewinne. Mit einem Anteil von 56,3 Prozent aller Zuschauer in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen schneiden die Metropolenprogramme aus Sicht der Werbewirtschaft sogar noch geringfügig besser ab als die Gesamtheit der TV-Programme (53,9 Prozent). Dennoch scheuen viele Werbeabteilungen die Schaltung von Spots in Metropolenprogrammen.

Ü Zu optimistische Werbeprognosen

Die Akquisition von Werbebuchungen großer national agierender Markenhersteller macht beim deutschen Ballungsraum-TV durchschnittlich weniger als zehn Prozent der Einnahmen aus. Um dies zu ändern, ging TV NRW jüngst in die Offensive und kündigte für den Jahresanfang 2003 ungefähr eine Halbierung der Spotpreise an. In den USA liegt der Anteil nationaler Werbung bei den Lokalstationen bei 35 Prozent. Würde dieser Anteil auch in Deutschland erreicht, wären die meisten Anbieter regionaler oder subregionaler TV-Programme ihre Sorgen los. Noch aber sind die Stationen im Durchschnitt etwa 20 bis 40 Prozent unterfinanziert. Im Klartext: Die Einnahmen decken die Kosten in vielen Fällen gerade einmal zu zwei Dritteln.

Ende der 80-er Jahre noch hatte das Forschungsinstitut Prognos orakelt, die lokalen TV-Stationen würden bis zum Jahr 2000 etwa zehn Prozent der regionalen Werbemärkte erobern. Ende der 90-er Jahre hielt Infratest-Burke einen regionalen Werbemarktanteil von 5 Prozent mittelfristig für möglich. DFA-Geschäftsführer Helmut Keiser kalkulierte im Vorfeld des Starts von TV NRW, Ballungsraumfernsehen lohne sich, wenn es durchschnittlich 4 Prozent Werbemarktanteil erziele.

Zwischen solchen Modellrechnungen und der Wirklichkeit klafft inzwischen eine große Lücke. Meist erreicht der Anteil lokaler TV-Programme am örtlichen Werbevolumen kaum mehr als 1 Prozent. Der Dortmunder Medienökonomie-Professor Jürgen Heinrich veranschlagt das tatsächliche nationale und regionale Werbepotenzial für privatwirtschaftliches Landesfernsehen in Nordrhein-Westfalen (ohne Konkurrenz) auf lediglich 0,82 Prozent des bundesweiten Werbemarktes. Heinrich geht davon aus, dass sich Ballungsraumfernsehen erst ab einer Reichweite von 4 Millionen Zuschauern rentiert. Behält er Recht, bleibt den Anbietern nur die Wahl zwischen Zusammenschluss oder Zusammenbruch.

Um auch bundesweit Werbezeiten vermarkten zu können, wurde Anfang des Jahres vom Arbeitskreis Ballungsraumfernsehen eine eigene GmbH gegründet. Zum Verbund gehören TV NRW, TV Bayern, Sachsen-Fernsehen, Saar TV, Rhein-Neckar-Fernsehen, Freiburg TV, Hamburg 1, Franken Fernsehen, FAB und Rhein-Main TV. TV München und TV Berlin erwägen außerdem eine Kooperation.

Ü Neue Vermarktungsstrategien gesucht

Den sehr unterschiedlichen Angeboten regionaler oder sub-regionaler TV-Unternehmen fehlt es aus Sicht der großen Markenartikel-Hersteller vor allem an Prominenz, Reichweite und flächendeckender Vermarktung. Deshalb suchen Manager der regionalen und lokalen TV-Stationen jetzt nach neuen Argumenten. Steffen Müller, Geschäftsführer der Ludwigshafener Medien-Union-Holding Moira Rundfunk, wurde in den USA fündig. Dort, so wird er nicht müde zu betonen, lägen viel ausgefeiltere Studien über regionale Verbrauchergewohnheiten vor. So könne zum Beispiel genau angegeben werden, in welchen Landesteilen welche Produkte besonders stark oder wenig gefragt seien. Eine entsprechend präzise Werbeschaltung ohne Streuverluste könnten nur lokale Medien bieten, argumentiert Müller.

Lassen sich im Lokal- oder Regionalfernsehen die Einnahmen trotz solcher Konzepte nicht steigern, müssen die Kosten gesenkt werden. Gespart wird vor allem an Personal und Technik. Der Amerikaner Michael Rosenblum, früher CBS-News-Redakteur und inzwischen Professor für Kommunikation in New York, tingelt seit Monaten mit einer Mission durch Europa: Er predigt den „Ein-Mann-Journalismus“, bei dem Videojournalisten mit digitalen Camcordern und Computern die Arbeitsprozesse Recherche, Text, Dreh und Schnitt ganz allein realisieren. Außer dem Schnitt werden auch heute schon bei den Ballungsraumkanälen, aber auch beim Hessischen Rundfunk oder dem WDR kürzere Beiträge von Journalisten im Alleingang realisiert. Demnächst könnte auch noch die Postprodukton im Schneideraum oder im Schnittmobil hinzukommen. Wie das geht, kann man in Köln besichtigen. Dort bildet AZ Media, die Produktionsfirma von Andre Zalbertus, zurzeit 15 neue Videojournalisten aus, die mit semiprofessionellen Videokameras (Kosten: ca. 3500 Euro) und Laptops ganze Beiträge allein herstellen. Zalbertus, der vor allem für RTL arbeitet (Programmfenster, Doku-Formate), träumt bereits vom gewinnträchtigen sublokalen Heimat-TV für Kommunikationsräume mit nur etwa 400.000 Zuschauern.

 

Dieser Text ist die aktualisierte Fassung meines Artikels aus der Funkkorrespondenz 2/2003 (S. 3-10).