Als Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) Anfang Juni mahnte, ARD und ZDF sollten über eine Verschiebung der Rundfunkgebührenerhöhung nachdenken, warf er einen Stein ins Wasser, der Kreise zog. Inzwischen schlägt der Streit immer höhere Wellen. ARD und ZDF pochen auf ihr Recht, selbst zu bestimmen, mit welchem Programmbedarf sie ihren Grundversorgungsauftrag erfüllen. Deshalb wollen sie die Gebühr ab 2005 um 1 bis 2 Euro erhöhen. Gegner dieser Rundfunkgebühren-Erhöhung fordern von ARD und ZDF allerdings bis 2007 Verzicht.

 

Immer wenn beim medienforum.nrw (22. bis 25. Juni) im Kongresszentrum der Kölner Messe vom dualen Rundfunksystem die Rede war, schieden sich vier Tage lang an Steinbrücks Thesen die Geister. Der Ministerpräsident hatte am 4. Juni in Berlin ein Positionspapier vorgelegt, in dem für die Erhöhung der Rundfunkgebühr unter anderem ein zweijähriges Moratorium bis 2007 vorgeschlagen wird. Zwei Tage nachdem Steinbrücks Thesen in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht worden waren, reagierte der ARD-Chef Jobst Plog im selben Blatt mit sechs Antithesen. Darin kritisierte er vor allem zweierlei: Erstens argumentiere Steinbrück mit einer „Gleichheit im Unglück“, wenn er das Moratorium mit der Krise privatwirtwirtschaftlicher Anbieter begründe. Zweitens habe ein Ministerpräsident nicht das Recht, in die Gebührenfestsetzung einzugreifen, bevor die zuständige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) zur Finanzplanung von ARD und ZDF Stellung genommen habe.

 

In seiner Medienforum-Eröffnungsrede betonte Steinbrück am 22. Juni, er wolle nicht das unabhängige Gebührenfestsetzungsverfahren der KEF beeinflussen. Es dürfe aber auch nicht sein, dass die betroffenen Anstalten die Gebühren mit der KEF nach dem Prinzip von Tarifverhand-lungen bestimmen. Die Mitte der 70-er Jahre überprüft den Finanzbedarf und mahnt dann gegebenenfalls Korrekturen an. Anschließend bereiten die Ministerpräsidenten der Bundesländer einen entsprechenden Staatsvertrag vor, dem letztlich alle Landesparlamente

zustimmen müssen. Eine Ablehnung des Gebührenvorschlags der KEF darf die Politik wegen des für den Rundfunk geltenden Gebotes der Staatsferne nur aus Gründen mangelnder Sozialverträglichkeit vornehmen. Genau so versuchte Steinbrück bei seiner Rede in Köln unter Hinweis auf generell steigende Sozialabgaben auch zu argumentieren.

 

Ü Hitzige Debatten beim medienforum.nrw

 

Einen Tag später sparte SWR-Intendant Peter Voß beim medienforum.nrw nicht mit Kritik an Steinbrücks „Versuch, auf eine unabgängige Kommission Druck auszuüben, ohne die Stellungnahme der KEF erst abzuwarten“. Nachdrücklich wies Voß darauf hin, die von der ARD bei der KEF angemeldete Gebührenerhöhung liege mit 2,4 Prozent nur etwa halb so hoch wie die medienspezifische Teuerungsrate. Weil dies seit Jahren so sei, habe die ARD in den vergangenen sechseinhalb Jahre einen Kaufkraftverlust von jeweils 2,5 bis 2,6 Prozent hinnehmen müssen. Eine „Gleichheit im Unglück“, die aus Werbeproblemen der privatwirtschaftlichen Anbieter eine Beschneidung von Gebühreneinnahmen herleite, werde weder dem Grundgesetz noch den Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichtes gerecht, reklamierte Voß.

 

Norbert Schneider, Direktor der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien (LfM) kommentierte Steinbrücks Motiv, eine Gebührenerhöhung sei den Privathaushalten angesichts steigender Sozialbelastungen nicht zuzumuten, wie folgt: „Auffällig ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk offenbar nicht mehr ein Stück fraglos praktiziertes Grundgesetz ist, das seinen Preis hat. Auch er ist endgültig zu einem banalen Objekt der Begierde nach Sparsamkeit geworden. Ist in die peinliche Nähe der Tabaksteuer geraten, von der Art. 5 nichts weiter sagt.“

Urs Rohner, Chef der ProSiebenSat.1 Media AG, begrüßte Steinbrücks Vorschlag, die Rundfunkgebührenerhöhung zu verschieben, ausdrücklich. Der Vorstandsvorsitzender sprach von einem „Geburtsfehler“ des Dualen Systems, der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk automatisch immer höhere Gebühreneinnahmen beschere, während die privatwirtschaftliche Konkurrenz auf den TV-Werbemärkten seit 2000 etwa ein Viertel der Einnahmen verloren habe. Georg Kofler; Vorsitzender der Geschäftsführung von Premiere, forderte gar eine Abschaffung der Gebühren, die er als „Zwangsabgaben“ bezeichnete.

 

Ü Transparentere Kostenstrukturen gefordert

 

Rohner berichtete, sein Unternehmen habe binnen drei Jahren die Kosten um 370 Millionen Euro zurückfahren müssen, während ARD und ZDF im selben Zeitraum 500 Millionen Euro mehr als zuvor zur Verfügung gestanden hätten. Die Einnahmen-Schere beim Vergleich von privatwirtschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Anbietern, rechnete Rohner vor, liege inzwischen bei 2,7 Milliarden Euro pro Jahr. Angesichts solcher Zahlen mahnte Nordrhein-Westfalens Medien-Staatssekretärin Miriam Meckel am 24. Juni bei ARD und ZDF eine „Rücksichtnahme in einem fairen Wettbewerb“ an.

 

Textfeld: Aktuelle Rundfunkgebühr:             16,15 €
- davon Hörfunk:                                      5,32 €

Verwendung:
ARD:                                                      11,41 €
(inkl. ARTE, PHOENIX, Kinderkanal, 3sat) 
ZDF:	4,01 € 
(inkl. ARTE, PHOENIX, Kinderkanal, 3sat) 
DeutschlandRadio:	0,40 € 
Landesmedienanstalten:	0,32 €
Miriam Meckel forderte noch mehr: Funktion und Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssten neu definiert werden. In diesem Rahmen sei es geboten, dass ARD und ZDF in Selbstverpflichtungen ihren Programmauftrag jeweils konkret formulierten und über seine Einhaltung regelmäßig öffentlich Rechenschaft ablegen müssten. Nach dem Vorbild der BBC Charter müsse zu dem neuen Verfahren auch gehören, dass Rechte- und Produktionskosten nachvollziehbar

 und transparent gemacht werden müssten.

 

„Viel wäre gewonnen, wenn die Anstalten Berichte über ihre programmlichen Tätigkeiten für einen vorher vereinbarten Zeitraum abgeben“, argumentierte Meckel. So werde für den 7. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zum Beispiel diskutiert, ob solche Erklärungen nicht künftig in den Verkündigungsblättern der Länder veröffentlicht werden müssten. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hingegen hielt wenig von solchen Vorschlägen. Schließlich gebe es mit Rundfunk- und Verwaltungsräten sowie Rechnungshöfen und Länder-Parlamenten bereits genügend Kontrollinstanzen, die Transparenz garantierten.