Ausgerechnet die beiden deutschen TV-Ballungsraumprogramme mit der größten Reichweite haben große Probleme mit ihrer Lizenz. Am 16. Juli hat der Vorstand der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LfK) den Antrag des Programmanbieters BTV 4U auf Lizenzverlängerung über das Jahresende hinaus abgelehnt. Am selben Tag drohte die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) auch dem Regionalprogramm TV NRW mit Lizenzentzug, sollte nicht rasch Klarheit über die Gesellschafterstruktur und die regionalen Inhalte bestehen.

BTV 4U ist das einzige deutsche Ballungsraum-Fernsehprogramm, das über den Satelliten Astra ausgestrahlt wird. TV NRW verdankt seine große Reichweite der Einspeisung ins nordrhein-westfälische Kabelnetz, das etwa 4,2 Millionen Haushalte nutzen. Dennoch aber scheinen die Programme so weit von Profiten entfernt, dass ihre Veranstalter im Wesentlichen auf Billig-Inhalte von teilweise zweifelhaftem Niveau zurückgreifen müssen. Astro-Shows und Glückspiele dominieren die Programme, regionale Inhalte werden zur Mangelware.

Ü Hornauers umstrittene Methoden

Bereits seit Monaten in den Schlagzeilen war die BTV-4U-Betreibergesellschaft Regio Network Communication GmbH & Co. KG (RNC), die im April 2003 die Ballungsraum-Lizenz in Baden-Württemberg übernommen hatte, nachdem das Vorläuferprogramm des geschäftsführenden Gesellschafters und Moderators Bernd Schumacher am 31. Juli 2002 Insolvenz angemeldet hatte. RNC-Eigentümer ist Thomas Hornauer, der mit Telefon-Service-Rufnummern zuvor genügend Geld verdient hatte, um ins TV-Geschäft einzusteigen. Zeitungen hatten über Telefonsex-Nummern und ein Video berichtet, in dem Hornauer bei Aufnahmen für Sex-Werbespots gezeigt wurde, berichtet. Hornauers Lebenswandel und Geschäftsgebaren waren sogar Thema im Stuttgarter Landtag. Im Januar 2004 durchsuchte schließlich die Staatsanwaltschaft  Hornauers Privat- und Geschäftsräume, nachdem Anzeigen wegen Betrugs bei TV-Telefonspielen eingegangen waren. Hornauer selbst bezeichnete entsprechende Berichte als Medienkampagne der großen Branchenunternehmen, die ihn aus dem Markt drängen wollten.

Wegen mangelnder Regionalmagazine und zahlreichen Glückspielen hatte die LfK die BTV-4U-Lizenz im Februar zunächst nur bis zum Jahresende verlängert. In der Folge baute Hornauer sein Programm um und führte verstärkt – bis zu zwölf Stunden täglich – Astro-Shows und Beratungen von Wahrsagern ein, die sich als einträgliche Call-in-Formate herausstellten. Für Unmut bei der Medienaufsicht sorgte auch Hornauers massive Einflussnahme auf Redaktion und Programm. Ehemalige Mitarbeiter klagten über selbstherrliche Führungsmethoden. Wegen der „Dominanz esoterischer Programmteile“ legte schließlich Dan Peter, Medienreferent der evangelischen Landeskirche Württemberg, kurz vor der entscheidenden LfK-Gremiensitzung sein Amt als Vorsitzender des Programmbeirates nieder.

Ü Unklare Eigentümerstruktur bei TV NRW

Die öffentliche Kritik und Peters Rücktritt verfehlten ihre Wirkung nicht. Der LfK-Vorstand lehnte Hornauers Antrag auf Lizenzverlängerung ab und könnte die Lizenz sogar noch vor Jahresende komplett widerrufen. Dann würde BTV 4U nicht nur aus dem baden-württembergischen Kabelnetz verschwinden müssen, sondern dürfte auch nicht mehr via Satellit ausgestrahlt werden.

Während Hornauer in Stuttgart kaum noch Chancen auf den weiteren Betrieb eines Fernsehprogramms eingeräumt werden, ist die Situation für TV NRW noch nicht so weit eskaliert. Zwar wurde auch dem nordrhein-westfälische Fernseh-Regionalprogramm mit Sitz in Dortmund der Lizenzentzug durch die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) angedroht. Noch aber haben beide Seiten Verhandlungsspielraum. In der Sache allerdings bewegt sich das Verfahren seit etwa einem Jahr nicht mehr, so dass die LfM nun den Druck erhöht hat.

In der Sitzung der LfM-Medienkommission vom 16. Juli wurde beschlossen, dem Veranstalter von TV NRW vor einem Widerruf der Lizenz eine letzte Chance zur Stellungnahme zu geben. Die Landesmedienanstalt hatte bereits im vergangenen Jahr auf die Klärung einer Reihe von Fragen zum Inhalt und zur geplanten neuen Gesellschafterstruktur des im Oktober 2001 gestarteten Programms gedrängt. Auslöser dafür war, dass im Sommer 2003 sowohl die WAZ-Gruppe als auch der Düsseldorfer Verlag der Rheinischen Post ihre 30-Prozent-Anteile an die APM Medien Agentur GmbH & Co. KG verkauft hatten, deren Eigentümer Georg von Auersperg ist. Außerdem erwarb APM zehn weitere Prozent der Gesellschafteranteile. Die übrigen 30 Prozent behielt der Kölner Verlag DuMont Schauberg („Express“, „Kölner Stadt-Anzeiger“, „Kölnische Rundschau“), mit dessen Eigentümer-Familie von Auersperg verwandt ist.

Ü Suche nach neuen Partnern

Die Mitglieder der LfM-Medienkommission stört nicht nur, dass TV NRW offenbar von einer Unternehmerfamilie beherrscht wird, die auf dem Kölner Zeitungsmarkt ein Quasi-Monopol besitzt, sondern auch, dass viele Programmelemente kaum regionalen Bezug haben. So werden zum Beispiel nachmittags Reisequiz-Sendungen und Reise-Teleshopping von TV Travel übernommen, und die Call-in-Spielshows am späten Abend stammen von Neun live. Um die Bedenken der LfM zu zerstreuen, hatten die Gesellschafter von TV NRW im vergangenen Juli mit dem kanadischen Medienkonzern ChumCity einen neuen potenziellen Investor ins Spiel gebracht. Das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Toronto hat sich auf Ballungsraumprogramme spezialisiert und betreibt fast dreißig Hörfunkstationen sowie acht lokale TV-Programme. Außer Ankündigungen waren zu diesem Thema von APM aber nie weitere Details zu erfahren. „Zu den aktuellen Gesprächen mit potenziellen Gesellschaftern kann ich öffentlich grundsätzlich nichts sagen“, erklärte Georg von Auersperg am 21. Juli. Dass es sich beim neuen Partner – wie unter anderem von der Stuttgarter Zeitung spekuliert – um den BTV-4U-Betreiber Thomas Hornauer handelt, dementiert APM. Auch seien keine weiteren Kooperationen geplant.

Zur erneuten Kritik der Düsseldorfer Landesmedienanstalt teilte von Auersperg Folgendes mit: „Wir stehen in einem permanenten Dialog mit der LfM und werden gemeinsam mit einem neuen Investor ein überzeugendes Konzept vorlegen.“ Außerdem werde der regionale Programmkern „verstärkt“, versprach der Mehrheitsgesellschafter abermals. Ausdrücklich bestätigte der APM-Geschäftsführer, dass sein Unternehmen weiterhin an TV NRW beteiligt bleibe. In spätestens zwei Jahren werde TV NRW Gewinne erzielen, kündigte von Auersperg an.

4 Zum Thema Ballungsraumfernsehen siehe auch ausführlich 1 Fernsehen im Nahraum.