Die Entwicklung zu mehr Unterhaltung und weniger Information im deutschen Fernsehen hält an. Zu diesem Ergebnis kommt die im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) erstellte Fortschreibung der Studie „Fernsehen in Deutschland“. Seit 1998 untersucht das Potsdamer Institut Göfak Medienforschung zweimal jährlich die acht großen deutschen Fernsehvollprogramme. Aktuelle Ergebnisse der quantitativen Inhaltsanalyse wurden am 1. Februar in Düsseldorf vorgestellt.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Weiß, der die Langzeitstudie der ALM seit Jahren betreut, attestierte öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Programmen eine anhaltende Konvergenz im Bereich der fiktionalen Unterhaltung. Bei den zuletzt ausgewerteten Göfak-Stichproben (20.-26.10.2003 und 15.-21.03.2004) machte der Entertainment-Bereich bei ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und Pro Sieben jeweils etwa ein Drittel des Programms aus. Das Angebot von Kabel 1 besteht zu mehr als sechzig Prozent aus fiktiven Inhalten. Während die öffentlich-rechtlichen Anbieter fernsehpublizistischen Programmsparten (Informations- und/oder Unterhaltungsangebote mit journalistischem Anspruch) etwa die Hälfte der täglichen Sendezeit einräumen, liegt dieser Anteil bei der kommerziellen Konkurrenz deutlich niedriger: RTL, Sat.1 und Pro Sieben füllen etwa ein Drittel der täglichen Sendezeit mit fernsehpublizistischen Inhalten, Vox und RTL 2 nur ein Fünftel, Kabel 1 sogar nur ein Zehntel.

Ü Mehr Sach- und Lebensweltthemen

Im Bereich der Fernsehpublizistik haben in den vergangenen beiden Jahren so genannte Sach- und Lebensweltthemen an Bedeutung gewonnen. Vor allem bei Reportagen mit quasi-dokumentarischem Charakter (Polizei-, Sozialamts-, Hausfrauenreportagen) stellten die Medienforscher einen Boom fest. Prof. Dr. Joachim Trebbe, der die Ergebnisse der Inhaltsanalyse in Düsseldorf präsentierte, betonte, das Sujet Unterhaltung würde immer stärker ausdifferenziert und verteile sich auf alle Formate bis hinein in Informationsmagazine.

4Programmanteile Frühjahr 2004 (%)

Programminhalte

RTL

Sat.1

ARD

ZDF

Pro7

Vox

RTL2

K. 1

Fiktionale Unterhaltung

29

34

36

30

36

45

48

63

Non-fiktionale Unterhaltung

  9

  6

  6

  4

11

  1

12

  1

Unterhaltungspublizistik*

23

20

10

10

10

  8

  9

  1

Sach- & Lebensweltthemen

  6

  6

14

20

19

13

10

  8

Kontroverse Themen

  5

  3

17

20

  1

  2

  1

  1

Restliche Programme

28

31

17

16

23

32

20

26

* Berichterstattung zu Human-Touch-Themen (Prominente, Stars, Sex and Crime)                        Quelle: Göfak Institut

 

Nach wie vor reservieren RTL und Sat.1 den größten Teil der berichterstattungsorientierten Sendungen für Themen aus den Bereichen Human-Touch, Boulevard, Unfälle und Kriminalität (23 bzw. 20 Prozent der täglichen Sendezeit). Diese Angebote der Unterhaltungspublizistik machen etwa fünf Stunden täglich aus. Bei ARD und ZDF sind die Werte für diese Themen mit jeweils zehn Prozent der Gesamtsendezeit etwa halb so hoch. Pro Sieben setzte zuletzt wieder mehr auf Spielfilme und kommt im Bereich Unterhaltungspublizistik nur noch auf zehn Prozent, gefolgt von RTL 2 (neun Prozent) und VOX (acht Prozent).

Ü Weniger kontroverse Themen

Keinen Trend zur Konvergenz stellten die Göfak-Wissenschaftler im Bereich der an Informationen orientierten klassischen Fernsehpublizistik fest. Kontroverse Themen in Nachrichten und Magazinen oder Talk-Formaten machen bei Kabel 1 inzwischen weniger als ein Prozent aus. Auch bei RTL 2 und Pro Sieben (jeweils ein Prozent), Vox (zwei Prozent), Sat.1 (drei Prozent) und RTL (fünf Prozent) werden kontroverse Themen zur Randgröße. Prof. Dr. Hans-Jürgen Weiß kritisierte, innerhalb der Senderfamilien werde die Vielfalt zusätzlich dadurch eingeschränkt, dass in unterschiedlichen Nachrichtensendungen der verschiedenen Anbieter häufig identische Beiträge zu sehen seien. „Bei der ProSiebenSat.1 Media AG herrscht eine dramatische Gefährdung der Vielfalt“, kritisierte Weiß. So hätten beispielsweise während des Irak-Krieges die eigenen Berichte von Pro Sieben und Kabel 1 nur etwa ein Drittel der Nachrichten ausgemacht, bei Sat.1 sei etwa jeder zweite News-Beitrag von N24 übernommen worden.

Ein deutlicher Unterschied zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Programmen ergibt sich auch bei der Untersuchung der Programmstruktur. Abzüglich der Wiederholungen (binnen 24 Stunden nach Erstausstrahlung) und Werbung sowie Sponsorenhinweise bieten ARD und ZDF mit zuletzt etwa 83 Prozent deutlich mehr Erstsendungen als RTL (55,2 Prozent), Sat.1 (59,4 Prozent), Pro Sieben (52,0 Prozent), RTL 2 (58,5 Prozent), Kabel 1 (59,1 Prozent) und vor allem Vox (45,7 Prozent). Deutlich zugenommen hat bei den privatwirtschaftlichen Anbietern der Trend zur Formatierung. Bei der RTL-Stichprobe fanden die Medienforscher nur noch drei Prozent aller Erstsendungen, die nicht im Tages- oder Wochenformat wiederkehrten, bei Sat.1 lag dieser Anteil bei fünf Prozent.