Dotcom-Entlassungswelle in den USA
Erst traf Krise die Start-ups, jetzt auch die
Global Player
Von Dr. Matthias Kurp, 31.01.2001
Der Boom mit den
Dotcoms scheint vorerst vorbei: In den USA haben Internet-Firmen allein im
Januar 13.000 Stellen gestrichen. Immer mehr Start-ups geht das Geld aus. Aber
auch Branchenriesen wie AOL, Murdoch oder Disney entlassen
Internet-Spezialisten.
Bereits
im vergangenen Jahr haben mehr als 200 amerikanische Internet-Unternehmen
Konkurs angemeldet. Das geht aus einer aktuellen Studie der kalifornischen
Gesellschaft Webmergers.com hervor. Dabei sollen mehr als 3 Milliarden Mark
Börsenkapital und 15.000 Arbeitsplätze vernichtet worden sein. Seit Dezember
haben in den USA etwa 54.000 Computer-Experten ihren Job verloren. Zwei Drittel
der amerikanischen Internet-Firmen, die 2000 Konkurs anmelden mussten, stammten
aus dem Bereich E-Commerce. Der Rest versuchte sich vor allem als
Content-Anbieter im World Wide Web.
Wegen der Börsen-Talfahrt der New Economy fehlt es
immer mehr Ideen-Schmieden am nötigen Geld. Die Anleihen- und Kapitalmärkte
sind alles andere als spendabel, der Börsenwert vieler Unternehmen droht weiter
zu sinken. WWW wird immer häufiger als Kürzel für „WeltWeiten Werteverfall“
gehandelt. Wer im Internet-Geschäft keine Pleite erleben will, muss entweder
aus eigener Stärke wachsen oder aber seine Strukturen verschlanken. Inzwischen
hat die Entlassungswelle auch zahlreiche Branchenriesen erreicht. Kaum war zum
Beispiel die Fusion von AOL
Time Warner genehmigt, wurde auch schon die Entlassung von 2025
Mitarbeitern angekündigt. Betroffen davon ist vor allem der Internet-Bereich,
in dem 725 Stellen abgebaut werden sollen, was 5 Prozent der AOL-Belegschaft entspricht.
Ü
Auch Murdoch, Disney und Viacom betroffen
Nachdem vor kurzem Murdochs News Corporation
angekündigt hatte, sie wolle ihre Online-Sparte einstellen und 200 Online-Jobs
streichen, zog jetzt Disney
nach. Die Walt Disney Internet Group (DIG) wird ebenfalls aufgelöst und das
börsennotierte Portal Go.com
wieder geschlossen. Zwar sollen Teile der Internet-Sparte in den Konzern
integriert werden, aber dennoch müssen 400 Mitarbeiter mit einer Entlassung
rechnen. DIT hatte im Oktober zum Ende seines vergangenen Haushaltsjahres 217
Millionen Dollar Verlust ausweisen müssen. Disneys Konkurrent Viacom hatte bereits vorher
die Notbremse gezogen und im September etwa hundert Netzspezialisten die
Kündigung geschickt.
Bisher schreiben in den USA fast alle Online-Ableger
amerikanischer Medienbetriebe rote Zahlen. Offenbar wurden die Werbeeinnahmen
deutlich überschätzt. Das musste auch die New York Times Company eingestehen,
die bereits in der ersten Januar-Woche ankündigte, 69 Mitarbeiter von New York Times Digital (NYTD)
zu entlassen. Nahezu zeitgleich meldete auch NBC, bis Ende März müssten fünf bis zehn Prozent der
Online-Stellen abgebaut werden. NBC hatte bereits im August 2000 etwa 170
Mitarbeitern gekündigt, nun werden 300 bis 600 weitere hinzukommen.
Angesichts der beginnenden Konjunkturschwäche ist
kaum damit zu rechnen, dass sich in den USA Internet-Portale zu
werbefinanzierten Cash-Cows entwickeln werden. Viele Dotcoms, so wird in der
Branche gemunkelt, seien potenzielle Dot-Bombs. Der Werteverfall in der New
Economy scheint vorerst nicht gebremst. Entlassene Online-Experten aber müssen
sich wenigstens kaum Sorgen machen. Im amerikanischen Silicon Valley buhlen
noch immer bis zu zwanzig Internet-Firmen um jeden Web-Programmierer.