Kabel-TV: Goldgrube? Millionengrab?
Kabelnetz-Verkauf und -Aufrüstung erfordern
Milliarden-Summen
Von Dr. Matthias Kurp, 20.11.2000
Die Aufrüstung des
deutschen Kabel-TV-Netzes gerät ins Stocken. Nur für etwa die Hälfte des Netzes
fand die Telekom bislang neue Investoren, und dort, wo bereits neue Partner
aktiv sind, wird die Aufrüstung zum Full Service Network viel teurer als
geplant.
Die
Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers stellte im Oktober eine Studie vor,
die zu dem Ergebnis kam, dass die Umsätze im deutschen Kabel-TV-Markt von
derzeit 5 Milliarden Mark auf 12,4 Mrd. Mark im Jahr 2005 steigen würden.
Voraussetzung dafür aber ist eine flächendeckende Aufrüstung des Kabel-Systems
auf bis zu 862 MHz. Das Breitbandkabel wird dadurch auch für Telefonie und
Fast-Internet-Verbindungen nutzbar. Doch diese Aufrüstung ist teuer. Wurden die
Kosten noch vor etwa einem Jahr auf die Hälfte geschätzt, veranschlagen die Kabelnetzbetreiber
inzwischen zwischen 1000 und 1500 Mark pro Haushalt, um die bislang nahezu
ausschließlich analog genutzten Kabel der Deutschen Telekom AG für digitale Angebote rückkanalfähig
zu machen.
Plötzlich sind also die Erfolgsaussichten für das
deutsche Kabelfernsehen weniger positiv als noch vor wenigen Monaten gedacht.
Prof. Dr. Klaus Schrape von der Baseler Prognos AG schätzt, bundesweit müssten etwa 45 Milliarden
Mark investiert werden, um aus dem Kabel-TV ein Full-Service-Network für
digitales Fernsehen, Internet und Telefonie zu machen. Rechnet man die
Übernahmekosten, die von den neuen Betreibern für ihre Beteiligungen an die
Telekom AG gezahlt werden müssen, hinzu und addiert Ausgaben für Marketing und
Content-Providing, so kalkuliert Schrape, beläuft sich das Investitionsvolumen
bundesweit auf etwa 100 Milliarden Mark.
Ü
Netzverkäufe bislang nur in drei Bundesländern
Verkauft wurden bislang von der
Telekom-Tochtergesellschaft Kabel Deutschland GmbH nur Anteile an den Netzen in
Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg. In Nordrhein-Westfalen (4,2
Mio. Netzanschlüsse) und Baden-Württemberg (2,2 Mio. Netzanschlüsse) gehören
inzwischen 55% der Kabel-Unternehmen der in Denver/Colorado gegründeten Callahan Associates
International LLC, die in Europa bereits mehr als 20 Mio. Kabel-Haushalte
versorgt. Bis Ende 2001 will der hemdsärmelige Amerikaner Richard „Dick“
Callahan 1,6 Mio. Wohneinheiten in Nordrhein-Westfalen umgerüstet haben und
investiert allein an Rhein und Ruhr 9 Mrd. Mark, um die Netze digital und
rückkanalfähig zu machen.
In Hessen beteiligte sich für 2 Mrd. Mark zu 65 % ein
Konsortium der Londoner Klesch & Company Limited am TV-Kabelnetz der
Telekom. Dass die Verhandlungen für Beteiligungen an Kabelnetzen in den anderen
Bundesländern seit Monaten nicht vorankommen, liegt unter anderem an Engpässen
an den vom UMTS-Boom ausgelaugten Anleihemärkten. Klesch möchte am liebsten
auch alle norddeutschen Bundesländer mit Kabeldiensten versorgen. In Bayern
verhandelt ein Konsortium, das vor allem aus Banken und dem englischen
Kabelnetzbetreiber NTL
besteht, mit der Telekom. In Rheinland Pfalz und dem Saarland soll die 1995
gegründete United Pan-Europe
Communications (UPC), die schon in den Niederlanden 40 % Marktanteil hat,
den Zuschlag erhalten. Einzig das Berliner Kabelnetz wird allein in der Hand
der Telekom AG bleiben.
Ü
DSL-Technologie als Konkurrenz für TV-Kabel
Angesichts der Tatsache, dass die Deutsche Telekom
schon Ende 2001 für etwa 90 Prozent aller Haushalte die schnelle
ISDN-Technologie TDSL anbieten will, geraten die neuen Kabel-TV-Investoren
allmählich mächtig unter Druck. TDSL nämlich bietet für Internet-Dienste
ähnlich hohe Geschwindigkeiten wie das Breitbandkabel des TV-Netzes. Als
einziger Mehrwert bliebe für die Kabelnetze das digitale Fernsehen mit
ergänzenden Diensten. Doch auch für das digitale Fernsehen, so schätzt Prognos,
liegt das Marktpotenzial in Deutschland nur noch bei 3,7 Millionen Haushalten.