Kartellamt zeigt Liberty gelbe Karte
Wettbewerbshüter kritisieren dominierende
Stellung
Von Dr. Matthias Kurp, 31.01.2002
Das
Bundeskartellamt hat Vorbehalte gegen die Übernahme der Mehrheit des deutschen
TV-Kabelnetzes durch Liberty Media. Ihre Bedenken formulierten die
Wettbewerbshüter in einer Abmahnung.
Auch wenn
mit einer endgültigen Entscheidung erst für den 28. Februar gerechnet werden
darf, machte das Bundeskartellamt
in einem etwa siebzigseitigen Schreiben klar, dass die Übernahme des
Telekom-Kabelnetzes durch Liberty
Media platzen könnte, wenn der amerikanische Konzern nicht zu
Zugeständnissen bereit sei. Bis zum 15. Februar haben die amerikanischen
Investoren um Firmengründer John Malone nach der Abmahnung jetzt Zeit für eine
Stellungnahme. Liberty Media hatte im September von der Telekom AG die TV-Kabel aller
Bundesländer mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen
für 5,5 Milliarden Euro übernommen. Voraussetzung dafür aber ist die Zustimmung
des Kartellamtes.
Wird das alte Kabel-Monopol der Telekom nun durch
einen neuen Alleinanbieter ersetzt, so argumentieren die Wettbewerbshüter,
müsse Malone zumindest bereit sein, das TV-Kabelnetz zugunsten von Telefonie
und Internet aufzurüsten. Das aber scheint Malone zu teuer. Die Bandbreite soll
lediglich auf 510 statt auf 862 MHz ausgebaut werden. Außerdem ist fraglich ob
die Liberty-Decoder für das digitale Fernsehen dem neuen Standard der Multimedia Home Platform (MHP)
gerecht werden. Dieser Standard scheint Malone, der den Decoder gratis an alle
Haushalte abgeben will, zurzeit zu kostspielig. Bundeskartellamtspräsident Ulf
Böge kritisierte am 31. Januar, das Unternehmen habe bislang nicht nachweisen
können, dass Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen in anderen Bereichen
(zum Beispiel Internet und Telefon) die negativen Auswirkungen auf den
Kabelmärkten mehr als wett machen könnten.
Liberty
Media würde mit Ausnahme der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Hessen und
Baden-Württemberg im ganzen Bundesgebiet 10,1 Millionen Kabelhaushalte
versorgen. Zum Einflussbereich der Amerikaner gehören über Beteiligungen
außerdem bereits der drittgrößte deutsche Netzbetreiber Primacom AG und das
fünftgrößte Kabelnetz EWT/TSS.
Aus Sicht des Kartellamtes müsste Liberty Media diese Beteiligungen wieder
abstoßen und auch die beabsichtigte Übernahme von Telecolumbus (2,2
Millionen Kunden) aufgeben, um eine marktbeherrschende Stellung zu vermeiden.
Zugeständnisse hat Malone bislang nur hinsichtlich seiner Decoder-Technik und
der zusätzlich geplanten Beteiligung an Deutschlands einzigem Pay-TV-Anbieter Premiere gemacht. Erstens
sollen die Liberty-Decoder eventuell doch noch MHP-kompatibel gemacht werden.
Zweitens hat Malone inzwischen beim Bundeskartellamt seinen Antrag auf
Übernahme von Premiere-Anteilen wieder zurückgezogen.
RTL
Group, Kirch-Gruppe
und ARD sehen sich in ihren
Protesten gegen Malones Pläne durch das Vorgehen des Bundeskartellamtes vorerst
bestätigt. ARD-Chef Fritz Pleitgen erklärte, bei der Übernahme der Kabelnetze
stünden der freie Wettbewerb und die Meinungsvielfalt auf dem Spiel. Es sei zu
hoffen, dass Liberty Media dem Bundeskartellamt nun ein neues akzeptables
Angebot zur Übernahme der Kabelnetze mache. „Wir überprüfen die Erklärung der
Kartellbehörde, um festzustellen ob wir die vorgelegten Vorbehalte im Einklang
mit einem durchführbaren Geschäftsplan und einer Kapitalstruktur befriedigen
können, die unseren Aktionären angemessene Erträge bringt“, mochte
Liberty-Media-Präsident Robert Bennet nach Bekanntgabe der Kartellamtsbedenken
vorerst keine klaren Aussagen machen.
Malone ist als hartnäckiger Verhandler bekannt, der knapp kalkuliert. Sollte er am Ende aus dem Telekom-Vertrag aussteigen, kämen wieder neue Investoren ins Spiel. Lange Verhandlungen könnten den Ausbau der deutschen Kabelnetze weiter verzögern. Immerhin hat inzwischen auch die britische Investmentgruppe Compere Associates Interesse am Kabelnetz . „Wir stehen für Verhandlungen mit der Deutschen Telekom jederzeit zur Verfügung“, sagte der geschäftsführende Partner Tom Crema gegenüber der Financial Times Deutschland.