Gratisblätter starben im Kölner Zeitungskrieg

„20 Minuten Köln“ überraschend eingestellt

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 12.07.2001

 
 

 

 

 

 

 

 


Der Kölner Zeitungskrieg ist beendet. Überraschend wurde das Gratisblatt 20 Minuten Köln eingestellt. Die letzte Ausgabe erschien am 11. Juli.

 

Erst vor zwei Monaten hatte der norwegischen Schibsted-Verlag vor dem 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln einen spektakulären Sieg errungen. Das Gericht urteilte nämlich zugunsten der Rechtmäßigkeit von kostenlosen Tageszeitungen. Damit scheiterte der Kölner Verlag M. DuMont Schauberg (Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau, Express) mit dem Versuch, Schibsteds Gratisblatt 20 Minuten Köln als wettbewerbswidrig verbieten zu lassen. Damals noch kündigte die 20 Min Köln Verlagsgesellschaft mbH an, nun wolle man auch in andere deutsche Städte expandieren. Doch das Kölner Abenteuer war offenbar teurer als gedacht, die Verluste zu groß.

Ü Sieg für die Platzhirsche im Kölner Blätterwald

„Die jetzige Betriebseinstellung hat wettbewerbspolitische Gründe. Nach Einschätzung der Schweizer 20 Min Holding AG kann ein Marktauftritt in Deutschland nur auf nationaler Ebene erfolgreich sein. Eine Insellösung Köln kann mittel- und langfristig wirtschaftlich nicht erfolgreich sein.“ Mit dieser umständlichen Begründung erklärt der Verlag auf seiner Homepage, warum das Kölner Experiment eingestellt wurde. Statt weiterer Inhalte findet man dort sonst nur noch ein Gästebuch, in dem binnen weniger Stunden Hunderte ihren Frust darüber geäußert haben, dass auf dem Kölner Zeitungsmarkt David gegen Goliath keine Chance hatte. Nun herrschen wieder die Platzhirsche im Blätterwald. Dass der Kölner Fast-Monopolist DuMont Schauberg und der Axel Springer Verlag („Bild“) dem Newcomer mit günstigen Anzeigenpreisen das Wasser abgegraben haben, ist in der Branche kein Geheimnis. Mit ihren „Abwehrblättern“ Kölner Morgen (DuMont Schauberg) und „Köln extra„ (Axel Springer Verlag) lieferten sie Schibsted auf Kölns Straßen mit Verteilboxen und Zeitungsboten einen harten Wettbewerb.

Zuletzt wurden auf Kölns Boulevards und Plätzen, an Straßenbahn-Haltestellen und vor U-Bahn-Schächten täglich 300.000 Exemplare der drei Gratisblätter unters Volk gebracht. Einen Tag nachdem Schibsted in Köln die Segel gestrichen hatte, erklärten prompt auch Springer und DuMont, sie würden das Erscheinen ihrer Gratisblätter einstellen. Der Springer Verlag will aus der Redaktion allerdings eine Urzelle für ein neues Projekt machen. „Nach den Sommerferien soll voraussichtlich in Hamburg das auf eine junge Zielgruppe zugeschnittene Konzept von EXTRA auf seine Akzeptanz als Kaufzeitung in einem Regionalmarkt getestet werden“, hieß es in einer Pressemitteilung des Axel Springer Verlags.

Ü „20 Minuten Köln“ fehlte Substanz für „20 Monate in Köln“

Knapp eineinhalb Jahre nach dem Start bleibt die nüchterne Bilanz, dass „20 Minuten Köln“ noch nicht einmal genügend Substanz für „20 Monate in Köln“ hatte. Allein im vergangenen Jahr dürfte der Verlust mehr als 10 Millionen Mark betragen haben. Die 20 Min Holding AG, in der sich mit 77 Mio. Mark außer dem norwegischen Schibsted-Verlag auch die Investment-Gesellschaft Apax und die Actienbank Group engagierten, muss nun für 55 Kölner Mitarbeiter einen Sozialplan aushandeln. In Basel, Zürich und Bern verbucht die schweizer Muttergesellschaft hingegen nach eigenen Angaben Erfolge und will nun nach Aussagen ihres Geschäftsführers Ekkehard Kuppel zunächst außerhalb Deutschlands expandieren. In der Bundesrepublik ist die Marktposition der etablierten Anbieter augenscheinlich zu stark. Um bundesweit – wie ursprünglich geplant – mit Gratiszeitungen an den Start zu gehen, so rechnete das 20-Minuten-Management inzwischen vor, sei ein „dreistelliger Millionenbetrag in Euro nötig gewesen“. Dies wäre aber vom Schibsted Verlag und seinen Partnern „kurzfristig nicht zu stemmen gewesen“, hieß es.

Edda Fels, Pressesprecherin des Axel Springer Verlags, sieht ihr Unternehmen im Zeitungskrieg nun als klaren Sieger: „Wir waren darauf eingestellt in jeder Stadt zu erscheinen, in der Schibsted eine Zeitung auf den Markt gebracht hätte. Das hat gewirkt.“ Erleichterung auch bei DuMont Schauberg. Schließlich hatte der Verlag noch im Juni eine Klage beim Bundesgerichtshof eingereicht, um den Kölner Anzeigenmarkt wieder für sich allein zu haben. Dabei war gleich ein bundesweites Verbot von kostenlos abgegebenen Tageszeitungen eingefordert worden. Das Urteil scheint vorerst überflüssig.