Die SPD-Medienholding DDVG hat 90 Prozent am Verlag der Frankfurter Rundschau übernommen. Der Erlös aus dem Verkauf soll dazu beitragen, die wirtschaftlich bedrohte Tageszeitung finanziell zu sanieren. Die Schulden waren zuletzt auf mehr als siebzig Millionen Euro geschätzt worden. Bereits im kommenden Jahr soll das Unternehmen wieder schwarze Zahlen schreiben.

Der Kaufpreis, so berichten mehrere Zeitungsquellen unabhängig von einander, soll bei etwa siebzig Millionen Euro liegen. Dreißig Millionen Euro will die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft GmbH (DDVG) angeblich neu investieren. Mit 90 Prozent beteiligte sich Medienholding der SPD am Ende stärker als erwartet. Ursprünglich waren nur 75 Prozent der Anteile im Gespräch gewesen. Allerdings, so ließ die SPD verlauten, habe sie „nicht die Absicht, dauerhaft Mehrheitsgesellschafterin zu bleiben und ist offen für die Beteiligung anderer Verlagshäuser“.

Die Frankfurter Rundschau – 1945 von drei Sozialdemokraten, drei Kommunisten und einem Katholiken gegründet – gehörte seit 1984 vollständig der Karl-Gerold-Stiftung als alleiniger Gesellschafterin der Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH. Die nun am 30. April bzw. 3. Mai unterschriebenen Gesellschafterverträge sollen garantieren, dass die Intention des ehemaligen Verlegers, Herausgebers und Chefredakteurs Karl Gerold, mit der Frankfurter Rundschau eine überregionale, unabhängige, politisch engagierte, links-liberale Zeitung herauszugeben, unangetastet bleibt. Zu diesem Zweck wurden der Stiftung offenbar Rechte eingeräumt, die über den für einen Minderheitsgesellschafter üblichen Rahmen hinausgehen. Im Gegenzug musste die Stiftung hinnehmen, die Zahl der Festangestellten auf 850 zu reduzieren, in einem zweiten Schritt eventuell sogar einen Stellenabbau auf 750 Stellen zuzulassen, wie der Geschäftsführer der Frankfurter Rundschau, Günter Kamissek, einräumte. Mitte 2003 hatte der Zeitungsverlag noch 1250 Mitarbeiter, im Jahr 2000 waren es sogar etwa 1600 gewesen. Allerdings galt die verlagseigene Druckerei, die auch für den konservativen Springer Verlag arbeitet, in der Branche traditionell als überbesetzt.

Ü Auflagen-Entwicklung der Prestige-Zeitungen

 

 

Auflage
I/1997

Auflage
I/2002

Auflage
I/2004

Süddeutsche Zeitung

400.000

435.000

437.000

Frankfurter Allgem. Zeitung

393.000

391.000

386.000

Die Welt

219.000

234.000

203.000

Frankfurter Rundschau

186.000

188.000

181.000

Die Tageszeitung

  60.000

60.000

60.000

Neues Deutschland

 k.A.

56.000

51.000

GESAMT

1.265.000

1.364.000

1.318.000

Handelsblatt

130.000

141.000

144.000

Financial Times

 

80.000

94.000

alle Angaben gerundet, Quelle: IVW

Bereits im Medien-Boomjahr 2000 steckte die Frankfurter Rundschau in finanziellen Schwierigkeiten. Anschließend sank auch noch die Auflage, allein in den vergangenen beiden Jahren um etwa 7.000. Kostenintensiv dürfte es auch gewesen sein, sich bei einer Auflage von weniger als 200.000 Exemplaren eine bundesweite Verbreitung zu leisten. Probleme machten aber vor allem die fehlenden Anzeigen, nachdem insbesondere der Stellenmarkt seit 2001 konjunkturbedingt und durch die Internet-Konkurrenz kontinuierlich an Bedeutung verloren hat. Nur eine hessische Landesbürgschaft in Höhe von mindestens sechs Millionen Euro – einige Zeitungen berichten sogar von mehr als zehn Millionen Euro – konnte die Frankfurter Rundschau im vergangenen Jahr noch vor der Pleite retten. Von den mehr als 70 Millionen Euro Schulden stammten nach Angaben der Financial Times Deutschland resultierten etwa 50 Millionen aus Krediten der Frankfurter Sparkasse, die selbst in Schwierigkeiten steckt. Das Wirtschaftsblatt berichtete darüber hinaus von „Leasingverbindlichkeiten für die Druckerei über etwa 60 Millionen Euro“.

Mit dem Geld der DDVG und dem SPD-Sanierungsplan soll die Frankfurter Rundschau nun aus der Krise geführt werden. Der Verkauf des Redaktionssitzes in der Frankfurter Innenstadt soll zusätzlich etwa vierzig Millionen Euro erbringen. Diese Summe hatte ein Investor aus den Niederlanden bereits vor einigen Monaten geboten, was der Verlagsleitung damals aber nicht ausreichte. Die Frankfurter Sparkasse soll im Zuge der Rettungsverhandlungen auf etwa ein Sechstel ihrer Kreditsumme verzichtet haben, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung. DDVG-Geschäftsführer Jens Berendsen bestätigte, der Vertragsabschluss sei nur durch Zugeständnisse der Kredit- und Leasinggeber erreicht worden. Für die SPD dürfte das Frankfurter Engagement in jedem Fall auch ein wirtschaftliches Risiko bedeuten. Die 1971 gegründete DDVG hatte mit Beteiligungen an zahlreichen Zeitungen und 26 Hörfunk-Stationen (u.a. 9% an RPR) sowie mit Zeitschriften (50% an Öko-Test, 75% an Szene Hamburg), Kinderbüchern und Lernsoftware (Tivola Verlag) im vergangenen Jahr etwa 100 Millionen Euro Umsatz und 9,2 Millionen Euro Jahresüberschuss erwirtschaftet.

Ü Zeitungs-Beteiligungen der SPD

 

Verlagsgesellschaft Madsack (Hannover)

20,4 %

(Hannoversche Allgemeine, Göttinger Tageblatt (99%), Neue Presse, Peiner Allgemeine Zeitung, Aller Zeitung, Schaumburger Nachrichten (80%)

 

Waldeckische Landeszeitung (über Madsack)

20,4 %

Oberhessische Presse (über Madsack)

10,4 %

Leipziger Volkszeitung (über Madsack)

10,2 %

Cellesche Zeitung (über Madsack)

10,2 %

Gandersheimer Kreisblatt (über Madsack)

6,7 %

Täglicher Anzeiger, Holzminden (über Madsack)

6,7 %

Zeitungsverlag Westfalen (Essen)

13,1 %

(Westfälische Rundschau)

 

Zeitungsverlag Neue Westfälische (Bielefeld)

57,5 %

(Neue Westfälische)

 

Verlagsgesellschaft Cuxhaven

50,0 %

(Cuxhavener Nachrichten)

 

Dresdner Druck- und Verlagshaus (Dresden)

40,0 %

(Sächsische Zeitung, Morgenpost Sachsen)

 

Druck- und Verlagsanstalt „Neue Presse“ (Coburg)

30,0 %

(Neue Presse)

 

Frankenpost Verlag (Hof)

100,0%

(Frankenpost, Vogtlandanzeiger)

 

Druckhaus Bayreuth Verlagsgesellschaft

31,5 %

Nordbayerischer Kurier

 

Suhler Verlagsgesellschaft (Suhl)

30,0 %

(Freies Wort, Südthüringer Zeitung)

 

Meininger Tageblatt (über Suhler Verlagsgesellschaft)

15,0 %

Quellen: DDVG, FORMATT

Während die SPD ihre Zeitungsbeteiligungen spätestens seit den 90-er Jahren nur noch als Investment und weniger als öffentliches Sprachrohr betrachtete, wurde die Beteiligung an der Frankfurter Rundschau nun wieder explizit auch mit publizistischen Motiven begründet. Schließlich, so argumentierte SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier, gehe es auch darum, eine linksliberale Tageszeitung zu erhalten. Prompt fordern CSU- und FDP-Politiker, die Frankfurter Rundschau dürfe sich künftig nicht mehr im Titel „unabhängige Tageszeitung“ nennen.