Neues Jugendschutz-Modell

Seit dem 1. April gilt der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 02.04.2003

 

 

 

 

 

 

 

 


Mehr als zwei Jahre lang haben Politiker, Medienexperten und Fachverbände um einen gemeinsamen Jugendschutz-Rahmen für alle Massenmedien gerungen. Heraus kam das Modell der „regulierten Selbstregulierung“, das am 1. April in Kraft trat. Jetzt muss sich das Kompromisspaket in der Medienwirklichkeit bewähren...

Bereits im Juni 2002 hatten Bundestag und Bundesrat die Weichen für die Neuregelung des Jugendschutzes gestellt: Die künstliche Trennung zwischen Telediensten (Bundeszuständigkeit) und Mediendiensten (Kulturhoheit der Länder) war dabei aufgehoben und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in ihrem Kompetenzbereich aufgewertet worden. Die Bonner Behörde heißt nun Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und kann seit 1. April auch ohne entsprechenden Antrag Print-, Tele- (Internet) oder Trägermedien (CDs, DVDs, Videos) indizieren.

Von der Bundesprüfstelle indizierte Filme dürfen auch von Programmanbietern im Rundfunk nicht ausgestrahlt werden. Für alle anderen Fälle ist im privat-kommerziellen TV-Bereich weiterhin die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) zuständig. Für das Internet wurde 1997 die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) gegründet. Problematisch an der alten Regelung war allerdings, dass für das Fernsehen ganz andere Bedingungen galten als für Online-Medien. Grund dafür waren unterschiedliche Zuständigkeiten. Während Rundfunkprogramme und an die Allgemeinheit gerichtete Internet-Inhalte im Rahmen von Rundfunk- bzw. Mediendienstestaatsvertrag von den Landesmedienanstalten bzw. den Landesjugendbehörden (jugendschutz.net) kontrolliert wurden, zählten zum Beispiel Erotik-Downloads zu den weniger streng regulierten Telediensten, für die der Bund zuständig war.

 

Ü Neue Kommission für Jugendmedienschutz

 

Parallel zum im Juni 2002 verabschiedeten Jugendschutzgesetz sorgt der im August beschlossene Jugendmedienschutz-Staatsvertrag nun für einen einheitlichen Rechtsrahmen. Beide Regelwerke traten am 1. April in Kraft. Das neue Modell setzt vor allem darauf, dass sich die Medienbranchen weiterhin selbst regulieren. Allerdings müssen sich die Selbstkontrolleure durch eine neue Institution zertifizieren und kontrollieren lassen.

 

Textfeld: Ü TV-Markt:
Jugendschutz-Bilanz 2002

Die Gemeinsame Stelle Jugendschutz, Programm, Medienkompetenz und Bürgermedien (GSJP) der Landesmedienanstalten hat im Jahr 2002 insgesamt 133 Fälle geprüft, bei 71 Fällen wurde ein Verstoß gegen die Jugendschutzbestimmungen festgestellt.
Zu diesem Zweck wurde am 2. April in Erfurt die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) gegründet. Das neue Gremium hat zwölf Mitglieder (plus zwei Stellvertreter), von denen die Hälfte aus dem Kreis der Landesmedienanstalten stammen, die mit dem Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), Wolf-Dieter Ring, und dem Direktor der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM), Lothar Jene, auch den Präsidenten und seinen Stellvertreter stellen.

Die Länder sind darüber hinaus durch zwei Experten vertreten, während der Bund nur zwei Mitglieder ernannte, darunter Elke Monssen-Engberding als Chefin der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

 

In den nächsten Monaten soll die KJM Satzungen und Richtlinien erlassen, an denen sich die Selbstkontrolleinrichtungen orientieren müssen. Dabei handelt es sich um Regeln zum Beispiel zur Festlegung der Sendezeit von Filmen, die für Jugendlich ungeeignet sind, oder die Festlegung der Zuständigkeit bei Prüfverfahren. Für den Rundfunksektor sollen die Landesmedienanstalten spezielle Richtlinien und Satzungen zur Verschlüsselung und Vorsperrung digitaler Angebote verabschieden. Pornos sind im deutschen Fernsehen aber auch weiterhin verboten.

 

Ü Verbot einzelner Filme problematisch

 

Immer wieder kritisiert wurde an der „regulierten Selbstregulierung“, dass der Bewertungsspielraum der Selbstkontrolleure nach wie vor sehr groß bleibt, ohne dass die Kommission für Jugendmedienschutz in Einzelfällen effektiv intervenieren kann. Der Staatsvertrag erlaubt der KJM nämlich nur sehr begrenzt, Entscheidungen einer Selbstkontrolleinrichtung inhaltlich zu überprüfen oder gar zu kassieren. Möglich wäre nur der komplette Widerruf der Zertifizierung einer gesamten Selbstkontrollinstanz, der aber nicht wegen einzelner Fälle begründet werden kann.

 

Bereits in der Vergangenheit hat die FSF immer wieder leicht modifizierte Versionen von Filmen zugelassen, die zuvor von der Bundesprüfstelle indiziert worden waren. So wurde die Ausstrahlung von Horror- und Gewaltstreifen wie „Martial Law“ oder „Death Wish“ bei Premiere erst durch ein Veto der Hamburgischen Anstalt für Neue Medien unterbunden. Zukünftig wäre dies wohl nicht mehr möglich. Die im neuen Jugendschutz verankerte Strafe für Ordnungswidrigkeiten wie das Senden indizierter Filme liegt bei bis zu 500.000 Euro. Doch während früher die Landesmedienanstalten trotz einer FSF-Freigabe Bußgeldverfahren einleiten konnten, kann die KJM, solange eine FSF-Entscheidung „vertretbar“ ist, jetzt nicht mehr einschreiten. Die Zukunft wird zeigen, ob dieses Modell zum gesellschaftlich verantwortbaren Erfolg führt. Nach fünf Jahren, so ist zunächst geplant, soll die KJM eine erste Bilanz der regulierten Selbstregulierung ziehen.

 

Ü Hier finden Sie eine Auflistung der KJM-Mitglieder.