Silvio Berlusconis Plan, das italienische Medienrecht zum eigenen Vorteil zu verändern, ist am Veto des italienischen Staatspräsidenten Ciampi gescheitert. Italiens Ministerpräsident und größter Medienunternehmer hatte unter anderem versucht, den Bestand des eigenen Programms Rete 4 durch ein Mediengesetz zu sichern, das Anfang Dezember vom Senat im Rom beschlossen worden war. Eine Woche vor Weihnachten aber blockierte Ciampi Berlusconis Vorhaben, indem er dem Gesetz seine Unterschrift verweigerte.

 

Das seit 1997 geltende italienische Medienrecht schreibt vor, dass kein Unternehmer mehr als zwei von elf nationalen terrestrischen TV-Programmen kontrollieren und mehr als 30 Prozent der gesamten TV-Werbeeinnahmen erzielen darf. Berlusconi aber besitzt mit Canale 5, Italia Uno und Rete 4 gleich drei terrestrische Programme und dominiert mit einem Anteil von etwa 60 Prozent klar den italienischen Fernsehwerbemarkt. Bei den Zuschauermarktanteilen haben die Mediaset-Programme inzwischen ebenfalls die drei RAI-Kanäle abgehängt. Allen Mahnungen der Medienaufsicht zum Trotz schaffte es Berlusconi mit zahlreichen Ausnahmegenehmigungen immer wieder die geltende Gesetzeslage zu umgehen. Im November 2002 aber verfügte das italienische Verfassungsgericht schließlich, dass Rete 4 spätestens am 31. Dezember 2003 die terrestrische Ausstrahlung einstellen müsse. Ein entsprechendes Votum fasste im April 2003 auch die italienische Abgeordnetenkammer (mit 230 zu 222 Stimmen). Da Satellitenempfang oder Kabelfernsehen in Italien kaum eine Rolle spielen – etwa 98 Prozent aller Haushalte empfangen TV-Programme via Antenne, nur etwa 15 Prozent verfügen über eine Satellitenschüssel –, könnte Rete 4 ohne terrestrische Frequenzen kaum überleben. Die Medien-Holding Mediaset, die von Berlusconi mit 48 Prozent der Gesellschafteranteile kontrolliert wird, rechnete Einnahmeausfälle zwischen 300 und 350 Millionen Euro vor. Als Geschäftsführer von Mediaset fungiert Berlusconis Sohn Piersilvio.

Ü Umstrittenes „Legge Gasparri“

In einem 15-monatigen Verfahren bereitete Berlusconi schließlich den Vorstoß für ein neues Mediengesetz vor. Der Gesetzentwurf trug den Namen Legge Gasparri, weil er vom Kommunikationsminister Maurizio Gasparri (Alleanza Nazionale) eingebracht worden war. Italienische Journalisten wollen herausgefunden haben, dass der Entwurf direkt von den Anwälten aus Berlusconis Mediaset-Konzern stammte. Dass Ciampi dem Gesetzesvorhaben von Berlusconis Mitte-Rechts-Koalition am 15. Dezember nicht zustimmte, war insofern eine Überraschung, als es das erste Veto dieser Art in der laufenden Amtszeit war.

 

Das Anfang Dezember vom Senat in vierter Lesung beschlossene neue Medien-Regelwerk sah vor, dass künftig Medienkonzentrationsgrenzen nicht mehr für einzelne Medienarten ausschlaggebend seien, sondern der Medienmarkt insgesamt betrachtet werden müsse. Dabei sollte kein Unternehmen mehr als 20 Prozent des gesamten Medienmarktes kontrollieren dürfen. Zuvor hatte das Aufgreifkriterium zwar bei 30 Prozent gelegen, war aber nur für die Medien im engeren Sinne angewendet worden. Nun, so wollte es Berlusconi, sollten außer Werbeeinnahmen – zurzeit beherrschen Berlusconis Medienunternehmen etwa ein Drittel des italienischen Werbemarktes – auch alle anderen Medienumsätze berücksichtigt werden. Sogar Direct Mailing, Kino-Einnahmen, Online-Umsätze und zahlreiche Bereiche, die mit der Meinungsbildung nichts zu tun haben (u.a. Postwurfsendungen), sollten einbezogen werden.

Ü Mediaset-Expansion um 50 Prozent?

Mit Berlusconis 28 neuen Medienparagrafen sollte der Medien- und Werbemarkt kurzerhand zu einem integrierten Kommunikationssystem („Sistema integrato delle communicazione“) erklärt werden, das Rundfunk und Kino, Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk sowie sämtliche Verlagserzeugnisse, ja sogar die Gelben Seiten umfassen sollte. Diese Liberalisierung hätte für Mediaset eine Expansion um bis zu fünfzig Prozent ermöglicht. Die alte Regelung, dass ein TV-Programmanbieter maximal zwanzig Prozent aller terrestrischen Angebote veranstalten darf, sollte zwar erhalten bleiben, doch wäre zugleich die Summe aller erlaubten Antennen-Kanäle von zwölf – es existieren allerdings zurzeit nur elf – auf 15 erhöht worden, so dass Berlusconis drei TV-Stationen das neue Limit nicht überstiegen hätten. Von 2009 an sollten Fernsehunternehmen im Italien außerdem auch Zeitungen erwerben können.

Noch ist dies untersagt, allerdings fungieren Berlusconis Bruder Paolo und dessen Ehefrau bereits als Herausgeber von zwei Zeitungstiteln.

Ü Ciampi sah Pluralismus gefährdet

Nicht nur italienische Mitte-Links-Oppositionsparteien sahen in dem neuen Regelwerk einen Angriff auf die Meinungsvielfalt. Auch Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi machte bei seiner Unterschriftverweigerung klar, dass durch das Gesetz der Pluralismus in Italien gefährdet würde und eine dominierende Stellung von Mediaset drohe. Schließlich hat Berlusconi als Ministerpräsident auch entscheidenden Einfluss auf die drei staatlichen RAI-Programme und diesen in den vergangenen Monaten auch zugunsten eigener politischer Interessen massiv genutzt. RAI-Präsidentin Lucia Annunciata empörte sich bereits, Berlusconi über ständig Druck auf die RAI-Redaktionen aus und habe sogar selbst zum Telefonhörer gegriffen, um Programme und Inhalte zu beeinflussen. Zwar wird die RAI mit Wirkung von 1. Januar 2004 privatisiert, doch bleibt die Mehrheit unter der Kontrolle des Staates, was sich nicht zuletzt durch zwei Regierungsbeauftragte im Verwaltungsrat manifestiert. RAI-Präsidentin Lucia Annunziata hatte bereits ihren Rücktritt für den Fall angekündigt, dass Ciampi das Legge Gasparri unterschrieben hätte. Italiens ehemaliger Staatspräsident Francesco Cossiga nannte das Gesetz schlicht „unliberal, monopolistisch und verfassungswidrig“.

 

Der amtierende Staatspräsident Ciampi verwies das Gesetzesvorhaben am 15. Dezember zur erneuten Beratung an das Parlament. Berlusconi will nun Rete 4 mit Hilfe eines Dekretes die weitere terrestrische Ausstrahlung sichern und das Gesetzesvorhaben bis Februar modifizieren. Er könnte das Paragrafenwerk aber auch unverändert erneut vom Parlament beschließen lassen, was Ciampi zur Unterschrift zwingen, zugleich aber auch das politische Klima belasten würde. Sicherheitshalber hat der italienische Oppositionsabgeordnete Filippo Gentiloni von der Partei La Margherita schon mal bei der EU-Kommission eine Klage eingereicht. Schließlich, so argumentiert er, hätten RAI und Mediaset zusammen einen Zuschauermarktanteil von 90 Prozent und teilen sich bei den TV-Werbeeinnahmen sogar 96 Prozent aller Einnahmen. Hinzu kommt, dass Berlusconi sowohl Italiens größte Filmverleihfirma Medusa Film als auch der Buchverlag Mondadori gehört.