Der
niedersächsische Landtag hat ein neues Landesmediengesetz verabschiedet, gegen das
private Programmanbieter eine Klage erwägen. Auch die SPD-Opposition hat
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der von CDU und FDP beschlossenen neuen
Regelungen für den Rundfunk in Niedersachsen.
Umstritten
an dem am 10. Dezember beschlossenen Landesmediengesetz sind vor allem neue
Regelungen für die Regionalfenster von RTL und
Sat.1 sowie eine Grenze für die Beteiligung
von Parteien an Rundfunkprogrammen. Der bei der ProSiebenSat.1 Media AG für
Medienpolitik zuständige Vorstand Jürgen Doetz prüft zurzeit eine
Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht.
Damit will Sat.1 erreichen, dass Sendeabwicklung und Moderation der
norddeutschen Regionalfenster in Berlin zentralisiert werden dürfen. Das neue
niedersächsische Landesmediengesetz hingegen sieht die komplette Abwicklung der
vom Rundfunkstaatsvertrag
vorgeschriebenen Regionalprogramme im Bundesland selbst vor. Nach Angaben von
Sat.1 ließen sich durch eine organisatorische Zentralisierung der defizitären
Regionalfenster jährlich etwa 1,5 Millionen Euro sparen. Da auch RTL nicht alle
Regionalfenster getrennt abwickelt und das niedersächsische Angebot in Hamburg
produziert, wäre ein gemeinsamer Gang der beiden Programmanbieter nach
Karlsruhe möglich.
Ü
Opposition klagt über „kalte Enteignung“
Für Kritik sorgt auch ein neuer Passus im niedersächsischen
Landesmediengesetz, der die mittelbare Beteiligung der SPD an Programmanbietern für Hörfunk oder
Fernsehen einschränkt. Danach muss die Niedersächsische
Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk (NLM) künftig Sendelizenzen
verweigern, wenn Medienunternehmen, an denen eine Partei zu mehr als zehn
Prozent beteiligt ist, sich mit mehr als zehn Prozent an einen Programmanbieter
beteiligen. Diese Regelung zielt vor allem auf die Madsack-Holding (u.a. Hannoversche
Allgemeine, Göttinger Tageblatt), an der die SPD 20,4 Prozent der
Gesellschafteranteile hält. Noch ist die Hannoveraner Verlagsgesellschaft mit
20 Prozent an Hit-Radio Antenne Niedersachsen
sowie mit 14 Prozent an Radio ffn beteiligt.
Die Lizenz für Radio ffn läuft am 31. Dezember 2006 aus, die für Antenne
Niedersachsen am 31. Mai 2010. Bevor die SPD ihre Madsack-Beteiligungen
reduzieren müsse, kündigt die Partei an, werde sie gegen das Landesmediengesetz
vor dem niedersächsischen Staatsgerichtshof
klagen. Die Sozialdemokraten nahmen an der Abstimmung über das Gesetz im
Landtag nicht teil und kritisierten eine „kalte Einteignung“. Die Grünen
warnten vor einem „Schub nach rechts“.
Ü
SPD-Beteilgungen auch anderswo in Gefahr
Auch in Hessen wurden
kürzlich Regelungen für das Landesmediengesetz beschlossen, von denen
SPD-Beteiligungen an Rundfunkprogrammen eingeschränkt werden sollen. Die
Sozialdemokraten reagierten darauf mit einer Normenkontrollklage vor dem
Bundesverfassungsgericht. Das Verfahren dürfte Signalcharakter haben, weil auch
in Bayern und Baden-Württemberg restriktiv mit den SPD-Beteiligungen an
Rundfunkunternehmen umgegangen werden soll. Die CDU
wirft den Sozialdemokraten vor, mit ihrer Deutschen
Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (DDVG) einen „regelrechten
Medienkonzern“ mit Beteiligungen an etwa siebzig Tageszeitungen, Magazinen und
Anzeigenblättern sowie dreißig Hörfunk-Stationen aufgebaut zu haben. Die DDVG
erzielte im vergangenen Jahr ein Beteiligungsergebnis von 17,9 Millionen Euro
(2001: 33,1 Mio. Euro), von denen an die SPD 7,24 Millionen Euro (2001: 8,3
Mio. Euro) ausgeschüttet wurden.
SPD-Medienbeteiligungen
(DDVG)
Verlagsgesellschaft
Madsack |
20,4 % |
(u.a.
Hannoversche Allgemeine, Göttinger Tageblatt) |
|
Zeitungsverlag Westfalen |
13,1 % |
(Westfälische
Rundschau) |
|
Verlagsgesellschaft Cuxhaven |
49,5 % |
(Cuxhavener
Nachrichten) |
|
Zeitungsverlag Neue Westfälische |
50,3 % |
(Neue
Westfälische, Bielefeld) |
|
Dresdner Druck- und Verlagshaus |
40,0 % |
(Sächsische
Zeitung, Dresden) |
|
Druck- und Verlagsanstalt „Neue Presse“ |
30,0 % |
(Neue
Presse, Coburg) |
|
Frankenpost Verlag |
100,0% |
(Frankenpost,
Hof) |
|
Suhler Verlagsgesellschaft |
30,0 % |
(Freies
Wort, Suhl) |
|
Nordbayerischer Kurier (Bayreuth) |
29,7 % |
Ü
Weniger Geld für Landesmedienanstalt
Die
Novelle des niedersächsischen Landesmediengesetzes sieht außer den kritisierten
Regelungen auch eine Verkleinerung der NLM-Versammlung von derzeit 42 auf
künftig 25 Vertreter vor. Dadurch müssen vor allem Vertreter der
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der Naturschutzverbände und der
Verbraucherzentrale aus dem Gremium ausscheiden. Gleichzeitig wird der Einfluss
der Parteien auf die Versammlung größer, da sie in Zukunft mit fünf von 25 ein
Fünftel der Vertreter stellen, während sie zuvor nur jeden sechsten Delegierten
(sieben von 42) entsandten. Da nach der neuen Regelung 35 statt bislang 25
Prozent des NLM-Etats – er stammt aus zwei Prozent der niedersächsischen
Rundfunkgebühren – für die Filmförderung (nordmedia)
reserviert sind, wird außerdem der finanzielle Spielraum der Niedersächsischen
Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk deutlich geringer.
Ü Die NLM bietet
das Niedersächsische Landesmediengesetz zum Download an.