UMTS droht der Fehlstart

„Hot Spots“ bedrängen neue Mobilfunk-Generation

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 01.07.2003

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 


Der neue Mobilfunkstandard UMTS lässt weiter auf sich warten. Erst sollte die neue Mobilfunk-Ära Ende 2002 beginnen, dann Mitte 2003. Inzwischen ist sogar der ursprünglich als letzter Termin genannte Start Ende des Jahres in Gefahr. Vodafone jedenfalls hat angekündigt, eine Verschiebung bis 2004 sei nicht ausgeschlossen. Was einst als „Killer-Applikation“ gefeiert wurde, gilt längst als Sorgenkind der Branche.

 

Rückblende: Als die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation im Sommer 2000 für die Dauer von zwanzig Jahren Frequenzblöcke für UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) an insgesamt sechs Bieter versteigerte (Þ siehe Tabelle), war die Euphorie noch groß. Bereits 2006, so lauteten damals die Prognosen, würde etwa ein Drittel des internationalen Branchenumsatzes auf UMTS entfallen, und Datenübertragungen würden etwa die Hälfte des Mobilfunkgeschäftes ausmachen (zurzeit etwa zehn Prozent). Die Begeisterung der Branche für die neue Technologie war so groß, dass die sechs neuen UMTS-Netzbetreiber am Ende 99,3682 Mrd. DM zahlten, um sich insgesamt 17 Frequenzblöcke (je 5 MHz) zu sichern.

 

Ü 2-Mbit/s-Bandbreite nur im Modell

Textfeld: MOBILFUNK-STANDARDS
GSM (Global system for Mobile communications) ist der weltweit zurzeit gebräuchlichste Standard und eine europäische Entwicklung. Mit GSM sind derzeit Übertragungsraten von 9,6 kbit/s möglich.
GPRS (General Packet Radio Service) ist eine seit 2001 angebotene Erweiterung von GSM. GPRS erlaubt es, Übertragungskanäle effizienter zu nutzen, da pro Übertragungskanal mehrere Nutzer ihre Daten als Pakete über die Luftschnittstelle übertragen können, so dass Datenraten von bis zu 53,6kbit/s erreicht werden können. In Zukunft sollen GPRS-Handys noch mehr Kanäle bündeln.
UMTS (Universal Mobile Telecommunications Sytem) gilt als Mobilfunkstandard der dritten Generation (3G). In der Regel werden Datenraten von bis zu 144kbit/s geboten. Exklusive Kunden sollen maximal 384kbit/s nutzen können.
In Japan startete UMTS bereits im Oktober 2001 (Großraum Tokio). Zu den Vorreitern in Europa zählen Großbritannien, Österreich und Italien. Bei vielen potenziellen Kunden herrscht allerdings inzwischen Zurückhaltung. Die Vorteile der neuen Technologie schienen bestechend. Mit Übertragungsraten von bis zu 2 Megabit/s werden künftig drahtlos Multimedia-Anwendungen möglich sein, die sogar denen im ISDN-Festnetz (64 Kilobit/s) bei Weitem überlegen sein sollten. Inzwischen aber ist die Begeisterung der Ernüchterung gewichen. Befinden sich mehr als ein halbes Dutzend UMTS-Nutzer in unmittelbarer Nähe,

sinkt die ohnehin im Normalfall nur angebotene Übertragungsrate von 144 Kilobit/s rapide.

Downloads und Streaming-Videos, Videokonferenzen und andere Multimedia-Anwendungen können dann schnell an Faszination verlieren. Mit Quam und Mobilcom (Netz an E-Plus verkauft) haben zwei der sechs UMTS-Betreiber bereits aufgegeben. Alle anderen mussten ihre Businesspläne nach unten korrigieren.

 

Ü Jede zehnte UMTS-Verbindung scheitert

 

Der Übergang zur teuren UMTS-Technologie – Frequenzen und Netzaufbau kosten mehr als 80 Milliarden Euro – wird in Deutschland weniger spektakulär erfolgen als noch vor einem Jahr geplant. So hat zum Beispiel die Telekom ihre Pläne aufgegeben, eigene Inhalte für das neue Angebot zu erstellen. Auch Vodafone hat sich inzwischen vom visionären Vizzavi-Portal, das Kunden ein portables Multimedia-Terminal fürs Handy-Display bieten sollte, weitgehend verabschiedet und die Kooperation mit dem angeschlagenen Vivendi-Konzern beendet.

 

Große Probleme haben die UMTS-Netzanbieter zurzeit insbesondere mit dem Übergang zwischen den einzelnen Funkzellen, vor allem dann, wenn im benachbarten Gebiet nur eine GSM-Zelle zur Verfügung steht. Weil UMTS zunächst nicht flächendeckend angeboten wird, müssen die Geräte ständig zwischen dem alten und neuen Standard wechseln können. Bewegt sich ein Kunde von einer GSM-Zelle in eine, in der auch UMTS vorhanden ist, brechen die Gespräche regelmäßig zusammen. Das sind Erfahrungen, die T-Mobile gerade mit etwa tausend Testkunden in 23 ausgewählten Städten macht. Solange noch etwa jeder zehnte UMTS-Anwendungsversuch scheitert, lässt in Deutschland die Markteinführung noch auf sich warten. Probleme bereitet auch noch die Kommunikation unterschiedlicher Netze und Endgeräte der verschiedenen Hersteller. Für eine erfolgreiche Markteinführung fehlt es au0ßerdem an Endgeräten, die in Europa bislang nur von Motorola, NEC und Nokia angeboten werden.

 

Ü W-LAN könnte UMTS Rang ablaufen

 

Während UMTS einen klassischen Fehlstart hinlegte, hat sich ein anderes Telekommunikationsangebot immer mehr zu einem ernst zu nehmenden Rivalen entwickelt. Längst bietet nämlich die so genannte W-LAN-Technologie (Wireless Local Area Network) für die meisten Anbieter und Nutzer eine günstigere Alternative, die bereits verfügbar ist. Während UMTS in Deutschland noch auf einen Start wartet, existieren bundesweit bereits Hunderte kommerzielle W-LAN-Zonen („Hot Spots“). Ihre Anzahl kann nur geschätzt werden und liegt zwischen 500 und 1000. Allein T-Mobile will bis zum Jahresende etwa 250 Funknetze zur Verfügung stellen. Weltweit gibt es bereits mehr als 10.000 Hot Spots, in drei Jahren sollen es nach Schätzungen des Marktforschungsinstitutes Gartner Dataquest bereits 300.000 WLAN-Angebote für mehr als 50 Millionen Nutzer sein.

 

W-LAN wird von der Industrie inzwischen unter dem Namen „Wireless Fidelity“ (Wi-Fi) vermarktet und bietet lokale Funknetze, die eine schnelle Datenübertragung von bis zu elf Megabit pro Sekunde in einem Umkreis von 50 bis 300 Metern erlauben. Voraussetzung für einen W-LAN-Kontakt ist eine Laptop-Steckkarte (ab ca. 50 €) sowie ein „Access-Point", der mit einem DSL- oder ISDN-Anschluss verbunden ist. Dann kann sich jeder Wireless-Rechner ins Internet einwählen. Als einziger Nachteil der neuen Technologie gilt, dass sie jeweils nur lokal innerhalb der Hot-Spot-Zonen und nicht etwa mobil anwendbar ist.

 

Ü Branche hat Revolution schon abgesagt

 

Professor Thomas Kollmann vom Lehrstuhl für Electronic Business der Universität Kiel verweist auf eine Telekom-Studie, nach der 90 Prozent aller Anwendungen von UMTS und W-LAN in Zukunft identisch seien. Breitbandige Datendienste funktionieren auf Flughäfen und vielen öffentlichen Plätzen, in Universitäten, Hotels und anderen Hot Spots schon heute reibungslos mit Hilfe von WiFi-Laptops. Lässt UMTS weiter auf sich warten, könnte es schließlich nur noch für Telefonie und/oder Datendienste in Frage kommen, bei denen die Mobilität (Autofahrt etc.) im Vordergrund steht. Während W-LAN nur portabel funktioniert, bietet UMTS wirkliche Mobilität. Ob das allerdings reicht, um eine Revolution auszulösen, ist mehr als fraglich.

 

Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke spricht inzwischen nur noch von einer Evolution. Jenseits des SMS-Booms (2002: 27 Mrd. SMS-Botschaften und 2,4 Mrd. € Umsatz) warten die großen Mobilfunk-Konzerne bereits seit Monaten auf eine neue Welle von Datendiensten, zum Beispiel über den Standard des Multimedia Messaging Systems (MMS). Noch aber macht der MMS-Traffic nur etwa zehn Prozent des Mobilfunk-Datenvolumens aus. Insgesamt hatte das Datengeschäft jeweils nach Unternehmensangaben im März 17,3 Prozent der Umsätze bei O2, 16 Prozent bei T-Mobile und 14,6 Prozent bei Vodafone ausgemacht und soll weiter ausgedehnt werden. Die britische O2-Muttergesellschaft MMO2 plant für die Zukunft zweigelisig und will den Kunden in Europa etwa tausend Hotspots anbieten. Um nicht in allen Hotels oder Flughäfen eigene Funknetze aufbauen zu müssen, werden in der Branche inzwischen auch für W-LAN Roaming-Abkommen vorbereitet.

 

Vodafone und Telekom haben 2000 allein für die UMTS-Lizenzen etwa 800 Euro pro Kunde investiert. Bis diese Summe wieder eingespielt ist, dürfte es noch Jahre dauern. Prognosen, dass Handy-Nutzer künftig pro Monat bis zu 100 Euro für die schicken Handy-Applikationen ausgeben, scheinen zu optimistisch. Bei T-Mobile liegt die durchschnittliche Monatsrechnung pro Kunde nur bei 23 Euro. Noch sind nach Angaben der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Deutschland nur 2,2 Millionen aller Mobilfunkgeräte MMS-Handys. Bis sich UMTS-Umsätze in den Mobilfunk-Bilanzen bemerkbar machen, wird es nach Schätzungen von E Plus noch zwei bis Jahre dauern.

 

Ü Kosten der UMTS-Lizenzen

 

Bieter

Gesellschafter

Frequenzblöcke

(je 5MHz)

Preis (DM)

Zusatz-Block (DM)

T-Mobile

Deutsche Telekom

Nr. 7 + 9 + 15

16,5822 Mrd.

122,7 Mio.

Viag Interkom

Eon, Brit. Telecom, Telenor

Nr. 1 + 6

16,5170 Mrd.

 

Mannesmann Mobilfunk

Vodafone-Airtouch

Nr. 3 + 11 + 16

16,4738 Mrd.

121,0 Mio.

Group 3 G

Telefónica, Sonera

Nr. 4 + 12 + 17

16,4460 Mrd.

122,7 Mio.

E-Plus

KPN, Bell South

Nr. 8 + 10 + 13

16,4182 Mrd.

  73,6 Mio.

MobilCom Multimedia

MobilCom, France Télécom

Nr. 2 + 5 + 14

16,3700 Mrd.

121,0 Mio.

Summe:

12+5 = 17 Blöcke

98,8072 Mrd.

561,0 Mio.

 

Gesamtsumme: 99,3682 Mrd. DM

 

 

Ü Eine Übersicht weltweit angebotener Hot-Spots bietet www.hotspot-locations.com.