Fusion Warner Music/EMI gestoppt
Tonträger-Ehe scheitert an EU-Bedenken
Von Dr. Matthias Kurp, 05.10.2000
Die Medienkonzerne
Warner Music und EMI haben am 5. Oktober den Antrag auf Genehmigung ihrer
Fusion bei der Europäischen Kommission überraschend zurückgezogen. Beide
Unternehmen wollten zusammen den weltweit größten Musikkonzern schaffen.
Der im
Januar bekannt gegebene Zusammenschluss hätte ein Volumen von etwa 45 Mrd. Mark
(23 Mrd. Euro) bedeutet. Time
Warner und EMI
gemeinsam hatten im vergangenen Geschäftsjahr auf dem Musikmarkt einen
Marktanteil (nach Verkäufen) von 24,3 Prozent, wobei EMI zwar den größeren
Marktanteil (13,2 %) verbuchen konnte, Warner Music aber mit 452 Mio. Dollar
etwa 60 Mio. Dollar mehr Gewinn erzielte als EMI. Der Zusammenschluss hätte
einen Musik-Multi geschaffen, bei dem etwa 2500 Interpreten – von den Rolling
Stones bis zu Madonna – unter Vertrag stehen.
Hintergrund für den überraschenden Rückzug des
Genehmigungsantrages waren die großen Bedenken von EU-Kommissar Mario Monti.
Gemeinsam mit Vertretern der fünfzehn nationalen Kartellbehörden hatte er
Befürchtungen geäußert, der neue Musik-Gigant erhalte eine marktbeherrschende
Stellung. Branchen-Experten und Brüsseler Beamte hatten in der vergangenen
Woche bereits durchdringen lassen, die Fusionspartner seien, um die Genehmigung
der EU-Kommission zu
erhalten, zu Zugeständnissen bereit. So wollte EMI sein 1992 vom Briten Richard
Branson übernommenes Tochterunternehmen Virgin Records angeblich an den Gründer
zurück geben. Time Warner soll außerdem angeboten haben, den Musikverlag
Warner/Chappell zu verkaufen. Das 1987 durch den Kauf des Chappell-Verlags
gebildete Unternehmen besitzt die Rechte an mehr als einer Million Liedtexten
und Musikwerken. Das Spektrum der Komponisten und Interpreten reicht von George
Gershwin über Eric Clapton bis Michael Jackson.
Ü Fusion AOL/Time Warner hat bessere
Chancen
Warner Music und EMI kündigten an, sie wollten nun
eine für die EU-Kommission annehmbarere Lösung anstreben. EMI-Chef Eric Nicoli
betonte, er glaube immer noch, dass ein Zusammenschluss einen „wesentlichen
Wert für unsere Aktionäre und einen Gewinn für unsere Künstler, Kunden und
Beschäftigten schaffen würde“. Time-Warner-Chef Richard Parsons bestätigte
weitere Verhandlungsbemühungen, denn die Fusion würde die „kreativsten und
komplementärsten Organisationen der weltweiten Musikindustrie zusammenbringen“.
Auf weniger Bedenken als im Fall Time Warner/EMI
stößt bei der EU-Kommission offensichtlich schon jetzt die ebenfalls im Januar
vereinbarte Fusion von AOL
und Time Warner. Mit
einer Entscheidung der EU-Kommission wird jetzt in Brüssel bereits für den 11.
Oktober gerechnet. Vielleicht wollte Time Warner mit dem vorläufigen Einlenken
auf dem Musikmarkt Kommissar Monti möglichst gnädig stimmen.
Ist die Fusion von AOL und Time Warner erst einmal
genehmigt, werden EMI und Warner Music einen neuen Anlauf zur musikalischen Ehe
nehmen. Sollte die Verlobung am Ende aber doch noch gelöst werden, könnte als
EMI-Brautwerber vielleicht die BMG Entertainment zum Zuge kommen. Das
Tochterunternehmen der Bertelsmann
AG hatte auch Interesse an EMI gezeigt, scheute aber den hohen Kaufpreis.
Ein Zusammenschluss von BMG Entertainment (12,5 % Marktanteil) und EMI hätte
deshalb größere Chancen bei der EU-Kommission, so vermuten Experten, weil die
Unternehmen in unterschiedlichen Musiksparten CDs vertreiben und auch keine so
dominierende Position im Musik-Verlagsgeschäft aufweisen.