EU stimmt Fusion AOL/Time Warner zu
Noch aber fehlt grünes Licht der US-Kartellbehörden
Von Dr. Matthias Kurp, 11.10.2000
Die EU-Kommission
hat die Fusion von AOL und Time Warner zum weltgrößten Medienkonzern genehmigt.
Allerdings ist die Zustimmung mit Auflagen verbunden. Geben auch die
US-Kartellbehörden grünes Licht, soll die Fusion noch in diesem Herbst
realisiert werden.
Die EU-Kommission hatte im
Juni ein vertieftes Prüfverfahren eingeleitet. Ein Sprecher der EU-Kommission
in Brüssel teilte nach Abschluss der Prüfung am 11. Oktober mit, Voraussetzung
für die Genehmigung sei, dass America
Online (AOL) „sämtliche bestehenden strukturellen Verbindungen“ zum
deutschen Medienkonzern Bertelsmann
AG löse. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass AOL/Time Warner „zu
Europas bedeutendster Quelle von Musikverwertungsrechten“ werde. Betroffen sind
davon vor allem die Bertelsmann-Beteiligungen in Höhe von 50 Prozent an AOL
Europe und dem französischen Gemeinschaftsunternehmen AOL Compuserve.
Die deutsche Bertelsmann AG hatte zwar bereits am 17.
März angekündigt, für etwa 10 Milliarden Mark den 50-Prozent-Anteil an AOL
Europe und AOL Australia bis 2003 schrittweise an AOL Inc. zu verkaufen. Im
Gegenzug aber wurde mit AOL eine weltweite strategische Partnerschaft
geschlossen. Als „preferred partner“ sollte Bertelsmann für vier Jahre
sämtliche Medieninhalte und E-Commerce-Angebote bevorzugt über AOL-Dienste und
-Services verbreiten.
Ü
Time Warner in Europa kein Marktführer
Weil Time Warner in Europa nur 8 Prozent seines Gesamtumsatzes
erzielt, hielten die EU-Wettbewerbshüter die Fusion aus europäischer Sicht nur
im Bereich der Musikmarktes für problematisch. Nach einer Fusion mit EMI und
ohne eine Auflösung der Verträge mit Bertelsmann hätte AOL/Time Warner fast die
Hälfte des europäischen Marktes für Musikverwertungsrechte beherrscht. Warner
Music und EMI hatten deshalb bereits in der vergangenen Woche ihren
Fusionsantrag zurückgezogen. Aber auch ohne die Fusion mit EMI befürchtet die
EU-Kommission immer noch, dass AOL eine mächtige „Gatekeeper-Position“ im
Internet für den Musikvertrieb einnehmen könne, solange AOL und Bertelsmann
kooperieren. Unter anderem hätte sich AOL/Time Warner versucht sehen können, „die
Musikdateien von Time Warner und Bertelsmann so zu formatieren, dass sie nur
noch mit der AOL-Player-Software Winamp abspielbar wären“.
Der im Januar angekündigte und per Aktientausch im
Wert von 127 Mrd. US-Dollar (317,5 Mrd. DM) angestrebte
Zusammenschluss muss nun noch von den US-Behörden genehmigt werden. Da Time
Warner mit etwa 19 Mrd. US-Dollar ungefähr 70 Prozent seines Umsatzes mit
Filmen und Kabelnetzwerken oder Kabelfernsehen in den USA generiert, dürften
die amerikanischen Kartellbehörden der Fusion mit AOL nur zustimmen, wenn das
neue Unternehmen seine Kabelnetze auch für andere Anbieter öffnet. Darauf
weisen erste Ergebnisse der Beratungen der zuständigen Federal Trade Commission (FTC)
in Washington hin.
Ü
Starke Position im Kabel- und Online-Markt
AOL und Time Warner kontrollieren in den USA schon
heute etwa 40 Prozent aller Internet-Zugänge. Time Warner unterhält darüber
hinaus das nach AT&T zweitgrößte TV-Kabelnetz und erreicht damit etwa ein
Fünftel aller Haushalte, in New York und Los Angeles sogar etwa die Hälfte.
AOL/Time Warner verspricht nun, das Kabelfernsehsystem auch für andere Anbieter
offen zu halten. Doch bei Verhandlungen mit der für die ordnungs- und
kommunikationspolitische Kontrolle zuständigen Federal Communications Commission (FCC) drängen
Wettbewerber wie Walt Disney und Internet-Provider darauf, diese Zusage
bindend zu machen. AOL/Time Warner aber wehrt sich gegen eine solch bindende
Auflage, da sie anderen Konzernen auch nicht auferlegt werde.