EU-Bedenken gegen AOL/Time Warner
Problematische Medienkonzentration
Von Dr. Matthias Kurp, 21.06.2000
Der
geplante Zusammenschluss des Internet-Providers America Online (AOL) mit
Time-Warner stößt bei der EU-Kommission auf Bedenken.
Nach
einer sechswöchigen Standarduntersuchung teilte die Kommission am Montag, 19.
Juni, mit, unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten würden vor allem wegen des
Internetgeschäfts schwere Bedenken bestehen. AOL will Time Warner im Zuge eines Aktientausches für 184 Milliarden
Dollar (384 Mrd. DM) übernehmen. Die neue AOL Time
Warner Inc. will auch den Musikkonzern EMI integrieren, soll etwa 30 Milliarden Dollar im Jahr
umsetzen und würde zum größten Medienkonzern der Welt. Erst in der vergangenen
Woche hatte die EU-Kommission
in Brüssel mitgeteilt, die Fusion des Londoner Musikkonzerns EMI mit Time
Warner ebenfalls streng zu prüfen.
Die Kommission will in ihrer bis zu vier Monate
dauernden weiteren Untersuchung außerdem auch die Beziehungen zwischen AOL und
der deutschen Bertelsmann
AG genauer untersuchen. Die EU-Kommission wies darauf hin, Bertelsmann
hätte sich zwar weitgehend von AOL getrennt, es gäbe aber eine Verteilungs- und
Verkaufsvereinbarung, die beim Inhalte-Angebot zu einer vorherrschenden
Marktmacht führen könnte. Über EMI und die Allianz mit der Bertelsmann AG hätte
AOL Time Warner Zugang zu einem riesigen Repertoire an Musikrechten, das etwa
ein Drittel des Musikmarktes ausmacht. AOL könnte dann nach Ansicht der
Brüsseler Kartellwächter möglicherweise technische Standards für die Musikübertragung
über das Internet diktieren. Außerdem drohe ein Monopol bei der entsprechenden
Software.
Nachdem die Bertelsmann AG im März den Ausstieg aus
AOL Europe bekannt gegeben hatte, sollte der 50%-Anteil zwar an AOL abgegeben
werden, beide Unternehmen vereinbarten aber, dass Bertelsmann „bevorzugter
Anbieter von Medieninhalten und elektronischem Handel“ für die weltweit 23
Millionen Nutzer des weltweit größten Online-Anbieters werden soll.