Bertelsmann erhöht Anteil an RTL Group

Anteil an Europas größtem Broadcasting-Unternehmen auf fast 90 Prozent aufgestockt

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 04.01.2002

 
 

 

 

 

 

 

 


Bertelsmann hat seine Beteiligung an der RTL Group auf 89 Prozent aufgestockt. Damit gibt der Medien-Riese nun allein den Ton bei Europas größten Rundfunk-Unternehmen an.

 

Einen Tag vor Weihnachten bescherte sich Thomas Middelhoff, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, selbst. Für 1,5 Milliarde Euro (2,93 Milliarden Mark) sicherte er seinem Unternehmen die Mehrheit an der RTL Group, indem er 22 Prozent der RTL-Gesellschafteranteile aufkaufen ließ, die zuvor im Besitz der britischen Pearson-Gruppe gewesen waren. Nachdem Bertelsmann Anfang 2001 seinen 37-Prozent-Anteil auf 67 Prozent aufgestockt hatte, gelang nun quasi die komplette Übernahme. Im vergangenen Februar hatte Bertelsmann mit der Groupe Bruxelles Lambert S.A. (GBL) 25 Prozent am eigenen Unternehmen gegen weitere 30 Prozent an der RTL Group getauscht. Entstanden war die RTL Group, nachdem im April 2000 die CLT Ufa (als gemeinsamer Konzern von Bertelsmann und GBL) mit Pearson TV fusionierte.

Mit Ausnahme von 11 Prozent Streuaktien kann Middelhoff nun über alle Stimmrechte der RTL Group disponieren, 37 Prozent werden allerdings von der BW-TV gehalten, einem gemeinsamen Tochterunternehmen mit der WAZ-Gruppe, an dem der Essener Zeitungskonzern mit 20 Prozent beteiligt ist. Beim Kauf des Pearson-Anteils vereinbarten die Bertelsmann-Manager einen Preis von 44 Euro pro Aktie und damit einen 8 prozentigen Aufschlag zum aktuellen Kurs. Zu ähnlichen Konditionen will Middelhoff bald auch die Wertpapiere der freien Aktionäre aufkaufen lassen. Damit könnte die RTL Group dann komplett in die Bertelsmann AG integriert werden. Sollte der Gütersloher Medienmulti den Streubesitz nur gegen einen höheren Kurs als 44 Euro aufkaufen können, müsste auch der Pearson-Preis nachgebessert werden.

Ü Rundfunk-Beteiligungen in elf Ländern Europas

Die erst seit Juli 2000 an der Börse gelistete RTL Group ist in elf Ländern Europas an 23 TV- und 17 Hörfunkprogrammanbietern beteiligt. Allein die Fernsehprogramme erreichen etwa 120 Millionen Zuschauer. Der Umsatz betrug zuletzt mehr als 4 Milliarden Euro, der Gewinn lag im Jahr 2000 bei 555 Millionen Euro. Zwei Drittel des Umsatzes stammen aus dem TV-Geschäft und etwa ein Viertel aus der Vermarktung von Rundfunk-Inhalten („Content“). Doch im aktuellen Geschäftsjahr deuteten die Prognosen nach vier Gewinnwarnungen Ende 2001 schließlich auf eine Schmälerung des Vorjahresergebnisses um 40 Prozent hin. Der gesunkene Aktienkurs – der Höchstwert lag 2001 bei 100 Euro – machte die Übernahme der Pearson-Anteile für Bertelsmann jetzt günstig.

Innerhalb von 16 Jahren mauserte sich Bertelsmann vom TV-Juniorpartner nun zum größten Hersteller audiovisueller Inhalte außerhalb von Hollywood. Angefangen hatte alles mit einer Beteiligung von 40 Prozent am TV-Programm von RTL, inzwischen Europas erfolgreichster Vermarkter von Werbezeiten. Heute gehören Bertelsmann und der RTL Group in Deutschland 100 Prozent der Anteile von RTL (davon 11 Prozent über die BW-TV), 99,7 Prozent an VOX, 34,8 Prozent an RTL 2 und 50 Prozent an Super RTL. Hinzu kommen TV-Angebote in Frankreich, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, Spanien, Polen, Ungarn und Australien. Die prominentesten Auslandsbeteiligungen liegen vor bei M6 (Paris, 42,3 Prozent), Veronica (Hilversum, 100 Prozent) und Channel 5 (London, 64,7 Prozent).

Ü Bertelsmann-Aufwertung auf dem Weg zur Börse

Pearson macht etwa 60 Prozent des Umsatzes mit Schul-, Lehr- sowie Managementbüchern und gibt die Financial Times heraus, deren deutsche Ausgabe zu 50 Prozent im Besitz von Bertelsmann ist. Pearson leidet zurzeit unter Umsatzeinbrüchen und will den von Bertelsmann gezahlten Preis zum Abbau von Verbindlichkeiten einsetzen. Als Minderheitsaktionär hatte Pearson zuletzt immer weniger Einfluss auf die RTL Group, so dass mit dem Verkauf bereits vor Monaten gerechnet worden war. Bertelsmann wird nun versuchen, die Börsennotierung der RTL Group zurückzunehmen und das profitable Rundfunkgeschäft möglichst rasch komplett in den eigenen Geschäftskreis zu überführen. Mit der Konsolidierung aller RTL-Aktivitäten in der eigenen Bilanz ließe sich dann die Braut Bertelsmann für einen möglichen Börsengang in drei oder vier Jahren trefflich schmücken. Konsequent bezeichnete Middelhoff seine jüngste Akquisition deshalb auch als „weiteren strategischen Schritt zu einem maßgeblich von TV und Internet getriebenen, integrierten Medien- und Entertainment-Konzern der Zukunft“.