Kirch in der Klemme
Mindestens 5 Milliarden Euro Schulden gefährden
ein Lebenswerk
Von Dr. Matthias Kurp, 05.02.2002
Das
Medien-Reich des Leo Kirch wankt. Den Münchener Medien-Tycoon belasten mehr als
5 Milliarden Euro Schulden, und auch der als Rettungsanker geplante Börsengang
scheint in Gefahr.
Allmählich
wird es eng für Leo Kirch. Der 75-Jährige stand während seiner 40-jährigen
Unternehmer-Karriere, die einst mit der Vermarktung von Fellinis „La Strada“
begonnen hatte, bereits häufig am Abgrund. Jetzt aber drohen endgültig alle
Sicherungsseile zu reißen. Kirchs Geschäftspartner Rupert Murdoch befürchtet
bereits, Kirch stehe kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, und der Chef der
Deutschen Bank, Rolf-E. Breuer, kann sich nicht vorstellen, dass es noch
Kreditinstitute gibt, die Kirch Darlehen gewähren. Breuer muss es wissen,
schließlich ist sein Institut einer der größten Gläubiger von Kirchs
Medien-Holding Taurus (früher: KirchHolding). Als Sicherheit, so berichtete
der Spiegel mehrmals
undementiert, soll Kirch unter anderem seine 40,33-prozentige Beteiligung am Axel Springer Verlag an die
Deutsche Bank verpfändet haben.
Nach
Angaben des Spiegel betragen Kirchs Schulden zurzeit 5,7 Milliarden Euro. Für
knapp 2,2 Milliarden Mark Kredite und Bürgschaften zeichnet dabei allein die
Bayerische Landesbank verantwortlich, die Kirch ebenfalls keine weiteren Mittel
zur Verfügung stellen will. Sollten die Landesbank-Kredite notleidend werden,
würde das auch die Landesregierung von Edmund Stoiber in Schwierigkeiten
bringen, weil der Freistaat größter Gesellschafter der Landesbank ist. Anfang Dezember
hatte die Dresdner Bank einen Kredit über 460 Millionen Euro zum Jahresende
2001 fällig gestellt, Kirch schließlich aber bis Ende April noch eine
Galgenfrist gesetzt. Im Gegenzug aber musste der Münchener Medienmogul seinen
25-Prozent-Anteil am profitablen spanischen Pay-TV-Programm Tele Cinco
verpfänden.
Die HypoVereinsbank hatte Mitte Dezember ihre
Aktionäre mit der Bemerkung zu beruhigen versucht, ihre Kredite für Kirch
betrügen „weniger als 500 Millionen Euro“. Inzwischen ist bekannt, die Summe
liegt bei 460 Millionen Euro. Außerdem musste Kirch Kredite bei der DG Bank,
der Commerzbank sowie ausländischen Geldinstituten aufnehmen. Jeweils eine
Viertel Milliarde Euro sollen nach Angaben der Süddeutschen Zeitung
auch das US-Investmenthaus Lehmann Brothers und der saudische Prinz Al Walid in
den Kirch-Konzern investiert haben - mit großzügigen Rückzahlungsmodalitäten,
wie es heißt. Die beiden Investoren sind zu je 2,48 Prozent auch an Kirchs Free-TV-Tochtergesellschaft
KirchMedia beteiligt
und hoffen im Falle des versprochenen Börsengangs auf günstige Erlöse.
Als wäre
die Situation nicht schon prekär genug, fordert jetzt ausgerechnet der Axel
Springer Verlag, dessen zweitgrößter Gesellschafter Kirch ist (50 Prozent + 1
Aktie besitzt die Familie Springer), bis April 767 Millionen Euro für seine
Beteiligung in Höhe von 11,5 Prozent an der ProSiebenSat.1Media AG.
Diese so genannte Put-Option war Voraussetzung dafür, dass der Verlag im Jahr
2000 der Fusion von SAT.1 mit
der Pro Sieben Media AG
zustimmte. Im Juni 2000 hatte Springer den Passus ausgehandelt, weil die
Beteiligung von 41 Prozent an SAT.1 gegen den Minderheitsanteil von 11,5
Prozent an der ProSiebenSAT.1 AG getauscht werden musste.
Da der tatsächliche Börsenwert des Aktienpaketes mit
etwa 110 Millionen Euro zurzeit deutlich niedriger als die damals ausgehandelte
Summe liegt und der Axel Springer Verlag im vergangenen Jahr erstmals in seiner
Unternehmensgeschichte Verluste machte, kann der neue Vorstandsvorsitzende
Mathias Döpfner (39) das Geld aus München gut gebrauchen. Nachdem die
Springer-Witwe Friede Springer (Foto) in den 80-er Jahren nur mit knapper Not
hatte verhindern können, dass Kirch über verdeckte Beteiligungen die Mehrheit
an ihrem Unternehmen erlangte, scheint ihr die aktuelle Situation nun eine
Genugtuung zu sein. In der Branche wird geschätzt, dass Kirchs
40,33-Prozent-Beteiligung am Springer Verlag in etwa dem Betrag entspricht, die
der Verlag jetzt für den Verkauf der 11,5 Prozent an der ProSiebenSAT.1 Media
AG verlangt. Dennoch aber ist von einem Tausch bislang scheinbar noch keine
Rede. Kirch hält die Put-Option vielmehr für nicht wirksam und will dagegen
eine Festsstellungsklage bei Gericht einreichen.
Grund für
Kirchs Schuldenberg ist vor allem sein Versuch, sich gegen alle Widerstände als
Monopolist im deutschen Pay-TV zu etablieren. Mitte der 90-er Jahre hatte Kirch
etwa 8,2 Milliarden Mark in Hollywood-Filmpakete investiert, mit denen er
zunächst DF1 und später Premiere
zum Durchbruch verhelfen wollte. Doch Premiere machte wegen der stagnierenden
Abonnentenzahl von 2,4 Millionen in den vergangenen beiden Jahren jeweils etwa
0,8 Milliarde Euro Verlust. Als sich schließlich Murdochs britischer
Pay-TV-Kanal British
Sky Broadcasting plc (BSkyB) im Dezember 1999 mit etwa 22 Prozent an
Premiere beteiligte, musste Kirch eine Kröte schlucken, an der er jetzt zu
ersticken droht. Sollten nämlich die im Businessplan vorgesehenen Erfolge nicht
eintreten, so darf Murdoch (Foto) im kommenden Oktober eine Rückabwicklung samt
Zinsen verlangen. Sollte Kirch nicht bar zahlen können, gäbe sich sein Partner
sicher auch mit einer Aufstockung seiner Anteile (zurzeit 2,5 Prozent) an
Kirchs Free-TV-Geschäft zufrieden – oder würde Premiere kurzerhand komplett
übernehmen.
Aber es
gibt auch andere Medienhäuser, die darauf warten, eventuell einen Teil aus
Kirchs Konkursmasse zu erbeuten. So macht sich zum Beispiel die WAZ-Gruppe
Hoffnungen auf die Beteiligung am Axel Springer Verlag, die von der Deutschen
Bank gegebenenfalls als Unterpfand für notleidende Kirch-Kredite an das Essener
Zeitungshaus weitergereicht werden könnten. Aber auch John Malone (Foto) dürfte
genau beobachten, was aus Kirch wird. Schließlich will auch Liberty Media bald
Pay-TV in Deutschland anbieten und ist außerdem der größte Gesellschafter von
Murdochs News Corporation
(knapp 18 Prozent am Gesamtkapital).
Noch aber werden aus dem
Kirch-Imperium alle Krisen-Anzeichen dementiert und auch der für Juni
angekündigte Börsengang soll in jedem Fall realisiert werden. Das
Free-TV-Unternehmen KirchMedia
GmbH & Co KGaA soll dabei per Aktientausch mit der ProSiebenSat.1Media
AG verschmolzen werden. Die KirchMedia ist bereits jetzt mit 88,52 Prozent der
Stamm- bzw. 52,5 Prozent der Vorzugsaktien wichtigster Aktionär der
ProSiebenSat.1Media AG, in der vor allem die Gesellschafteranteile der
Programme Sat.1, Pro Sieben, Kabel
1 und N 24 gebündelt sind.
Die zusätzlich an der Börse platzierten Aktien könnten frisches Kapital
einbringen. Die Zahl der Aktionäre, die sich für Kirchs Schulden begeistern,
dürfte aber wohl gering bleiben. Allein in der vergangenen Woche fiel der Kurs
der ProSiebenSAT.1Media AG um knapp 7 Prozent.