»Mitunter habe ich nicht einmal gewusst, wie ich
mein Autotelefon bezahlen soll.«
(Haffa über seine Anfänge als
Selbständiger)
»Die „Durststrecke“ dauerte ganze acht Tage.« (Süddeutsche Zeitung, 10.05.1999)
1989: Der
Manager Thomas Haffa (47) macht sich selbständig und gründet die EM GmbH in
München. Das Unternehmen handelt mit Kinderfilmrechten (u.a. „Biene Maja“,
„Pippi Langstrumpf“, „Simpsons“). Größter Hit ist die Vermarktung des singenden
Drachen „Tabaluga“, Peter Maffay suchte ebenfalls eine Kirch-Alternative wie
auch Herman van Veen für „Alfred J. Qwak“.
»Die ´Biene Maja´ hat immerhin
den Vorteil, dass die Analysten die Serie aus ihrer Kindheit kennen, für die
jüngeren Zuschauer wirkt sie im Vergleich altbacken.«
(Ex-RTL-Chef
Helmut Thoma)
1996: EM.TV macht bei einem Umsatz von 16,7 Millionen Mark immerhin 1,4 Millionen Verlust. Haffa bietet Interessenten wie Bertelsmann 50 Prozent der Anteile an der Firma für 20 Millionen Mark an – ein Verkauf kommt jedoch nicht zustande.
1997: Der
neue Markt startet. Mit einem Kredit der Sparkasse in Pfaffenhofen geht EM.TV
unter Führung der WestLB im Oktober 1997 an die Börse – etwa 20 Millionen Mark
gelangen in die Kasse. Eine Aktie ist für 35,50 Mark zu haben und 30-fach
überzeichnet. 59% der Aktien bleiben im Besitz der Familie Haffa.
»Ich habe mich in meinen Zielen
noch nie nach oben eingeschränkt. Ich organisierte die beste Schülerzeitung,
die besten Partys und die besten Schulreisen. Ich war der Superstar.«
(Schulabbrecher
Haffa über sich selbst)
Oktober 1998: EM.TV
erhält über Verbindungen zu Kirch die TV-Rechte für Boxkämpfe von Mike Tyson.
Später verkauft Haffa sie gewinnbringend an Kirchs Pay-TV.
Dezember 1998: Für 500
Millionen Mark erwirbt der Haffa-Konzern 50% der Anteile an Kirchs „Junior.tv“
– den Einkauf von Filmrechten an 20.000 halben Programmstunden an Kinder- und
Familienunterhaltung bezeichnet Haffa als „once in a life opportunity“, eine
einmalige Gelegenheit. Kirch werden Finanznöte nachgesagt. Finanziert wird das
Geschäft unter anderem durch eine Kapitalerhöhung mit neuen Aktien. Sechs
Monate später erweist sich Kirchs Sender Sat.1 als bester Kunde und erwirbt für
200 Millionen Mark einen Vertrag über fünf Jahre Laufzeit. Haffa verrechnet
diesen Deal zum Großteil in seiner aktuellen Bilanz.
»Man kann sich vorstellen,
dass Leo Kirch so ein Geschäft nicht ohne finanzielle Not machen würde. Wir
kommen auf einen Umsatz von 1,7 Milliarden Mark in zehn Jahren.«
(Haffa zum Kauf der
Junior-Rechte für 500 Millionen Mark)
Juli 1999: Kursplus
von weit über 20.000 Prozent: Wer beim Börsenstart 10.000 DM in EM-TV-Aktien
anlegte, besitzt Mitte 1999 bereits ein Aktienpaket im Wert von 1,7 Millionen
DM.
»Thomas Haffa umweht das
Parfum „Eau de Erfolg“.« (Bunte)
August 1999: Wenige
Wochen vor dem Börsenstart beteiligt sich EM.TV für 125 Millionen Mark zu 25%
an der Filmfirma „Constantin Film“ – ursprüngliche Besitzer waren Kirch und
Film-Produzent Bernd Eichinger.
September 1999: EM.TV
erwirbt für 800 Millionen Mark 45% der Tele München-Gruppe von Herbert Kloiber,
der hinter Kirch als zweitgrößter deutscher Filmhändler gilt. Experten halten
diesen Preis für zu teuer, sprechen von einem „absurd hohem Betrag“, Haffa von
einer „einmaligen Gelegenheit“.
Oktober 1999: Anleger
können in einer „zweiten Chance“ die neuen EM.TV-Aktien zeichnen. Die
Kapitalerhöhung bringt 955 Millionen Mark ein – wegen einer geplatzten
Wandelanleihe entsteht plötzlich ein Finanzierungsloch von 1 Milliarde Mark.
Dezember 1999: Mit 220
Mitarbeitern erzielt EM.TV einen Umsatz von 325 Millionen Mark – an der Börse
ist die Firma mittlerweile 15 Milliarden Mark wert.
Januar 2000: Haffa
wird auf der Jahreshauptversammlung verehrt wie ein Popstar. Er muss Autogramme
schreiben, Eltern setzen ihm Kinder auf den Arm und lassen sich mit ihm
fotografieren: Haffa-Hype total.
»2004 sind wir ein globales
Medien- und Entertainmenthaus.« (Haffa)
Februar 2000: EM.TV
kauft weiter ein: Die „Jim Henson Company“ mit den Rechten an den Muppets, der
Sesamstraße und den Fraggles wird für 1,34 Milliarden Mark Eigentum der Firma –
finanziert durch eine Wandelanleihe über 800 Millionen Mark und eine
Kapitalerhöhung: Henson erhält 5% an EM.TV. Disney war zuvor interessiert,
wollte aber weniger als 300 Millionen Dollar zahlen. Haffa spricht von einer
Gelegenheit, die sich nur einmal im Leben bietet.
»Wir sind mit einem Schlag Major-Player auf dem
größten und wichtigsten Medienmarkt der Welt.«
(Haffa nach dem Kauf der Jim
Henson Company)
14. Februar 2000: Der Kurshöchststand
wird erreicht: Er liegt bei 120 Euro und damit etwa 33.000 Prozent über dem
Ausgangskurs von 1997. Wer damals 5000 Mark in EM.TV-Aktien anlegte, besitzt
nun EM.TV-Aktien im Wert von mehr als eine Million Mark.
»Wir spielen in der Weltliga.« (Haffa)
März 2000: EM.TV
übernimmt für 3,6 Milliarden Mark 50% von Ecclestones Formel-1-Holding SLEC
(benannt nach seiner Gattin Slavia). Die Verkäufer, eine Deutsche-Bank-Tochter
und die Finanzfirma Hellman & Friedman, hatten die Anteile kurz zuvor für
1,5 Milliarden Mark weniger gekauft. Für die Finanzierung wird auch ein teurer
kurzfristiger Kredit aufgenommen: 712 Millionen Dollar sollen in bar bezahlt
werden, der Rest in EM.TV-Aktien. Eine Option besagt, dass Haffa bis zum
Jahresende für weitere 1,8 Milliarden Mark den EM.TV-Anteil an der SLEC auf 75%
erhöhen kann.
»Tut mir saumäßig leid, wenn
das arrogant klingt, aber für mich gibt’s kein Limit.«
(Haffas kategorischer
Imperativ)
8. Mai 2000: EM.TV
prognostiziert für das laufende Geschäftsjahr etwa 590 Millionen Mark Gewinn
vor Steuern bei einem Umsatz von etwa 1600 Millionen Mark.
»Ich bitte um Verzeihung, wenn
das verrückt klingt, aber könnten wir nicht noch schneller wachsen?«
(Frage eines Kleinaktionärs
auf der Jahreshauptversammlung 2000. Ergebnis: höhnisches Lachen des Plenums
und die Antwort, dass höhere Zuwächse leider nicht möglich wären, weil der Tag
nur 24 Stunden habe. Man wolle die Steigerungsraten aber halten).
Sommer 2000: Die
Vermarktung des Expo-Maskottchens „Twipsy“ gerät zum Flop – das Merchandising
auf der Weltausstellung stößt auf geringes Interesse.
Oktober 2000: Der
Halbjahresbericht muss nachträglich korrigiert werden, es hatte mehrere
Bilanzfehler gegeben. Die Umsätze der Neuzugänge Henson und Formel 1 wurden
falsch angerechnet, einige Kosten nicht erwähnt. Der Kurs der Aktie fällt um
etwa 30%.
Dezember 2000:
Gerüchte über Zahlungsschwierigkeiten treten auf. EM.TV gibt eine deutliche
Gewinnwarnung aus: Statt ein Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) in Höhe der
geplanten 525 Millionen zu erzielen, werden nun nur noch 50 Millionen erwartet.
Die Folge: Ein zu erwartender Verlust im operativen Geschäft von 135,3
Millionen Mark! Der Aktienkurs fällt auf 16 Euro, der Börsenwert von EM.TV
sinkt auf ca. 2,5 Mrd. Mark. Finanzvorstand Florian Haffa tritt zurück,
Nachfolger wird der ehemalige RWE-Manager Rolf Rickmeyer.
»Ja, wir haben Fehler gemacht.
Dazu stehe ich. Ich will nicht ausschließen, dass wir in der Euphorie
vielleicht auch ein bisschen zu viel bezahlt haben.«
(Haffa im Dezember über
Henson und die Formel 1)
4. Dezember 2000: Kirch
verkündet Interesse an einem Einstieg an EM.TV. Ihm geht es vor allen Dingen um
die Formel-1-Rechte: Er möchte für 1,2 Milliarden Mark 49% der Anteile an der
Formel 1 erwerben. Der Anteil von Kirch an EM.TV wird mit 16,74% beziffert.
Zusammen mit acht Prozent der Stimmrechte von Haffa käme Kirch auf eine
Sperrminorität von 25%. Im Gegenzug soll EM.TV 100% der Rechte am bisherigen
Gemeinschaftsunternehmen Junior.tv erhalten. Im Zuge dieses Angebots will EM.TV
die Tele-München-Beteiligung an Kloiber zurückgeben – bei einem Einstieg von
Kirch würden sonst kartellrechtliche Probleme auftreten. Bernie Ecclestone
wehrt sich gegen einen Kirch-Einstieg, da festgelegt ist, dass kein TV-Sender als
Miteigentümer in das Formel-1-Geschäft einsteigen darf.
13. Dezember 2000:
Rechtliche Schritte gegen EM.TV werden eingeleitet: Der Vorstand habe noch im
Oktober wider besseren Wissens zu positive Zahlen präsentiert.
»Ich bin hier als Unternehmer
angetreten, da kann man doch nicht das Handtuch werfen, wenn der erste Sturm
kommt. Die Aktionäre hätten sonst das Gefühl bekommen, ich würde viele
Millionen abkassieren und sie alleine stehen lassen.«
(Haffa im Dezember 2000)
Januar 2001: Es
kommt ans Tageslicht, dass Haffa einen ungenehmigten Handel über 200.000 Aktien
während der sechsmonatigen Sperrfrist nach der Kapitalerhöhung getätigt hat,
der Erlös beträgt 40 Millionen Mark. Weitere Klagen werden auf den Weg
gebracht, das Börsenrecht wird ab 1. März überarbeitet.
Februar 2001: Zwischen
Vorstandschef Thomas Haffa und Aufsichtsratsvorsitzendem Nickolaus Becker kommt
es zum Bruch: Der Grund liegt darin, dass Becker hinter dem Rücken Haffas ein
Alternativangebot zu Kirch eingeholt hat. Nach Besiegelung des Geschäfts mit
Kirch verlässt Becker das Unternehmen.
6. März 2001: Mit
Rainer Hüther wechselt ein enger Kirch-Vertrauter in den EM.TV-Vorstand.
Weitere 25% an der SLEC werden mit Hilfe von Kirch für 1 Mrd. $ gekauft.
März 2001: Mehr
als 400 EM.TV-Aktionäre fordern Schadensersatz in Höhe von 20 Millionen Mark
von EM.TV, weil die Informationspolitik von EM.TV "gegen zahlreiche
anlegerschützende Vorschriften" verstoßen haben soll.
April 2001: Haffa
räumt bei seinem ersten Auftritt seit dem Dezember Verluste von 2,825
Milliarden Mark für das Jahr 2000 ein, bei einem Umsatz von 1,3 Milliarden. Er
kündigt an, dass die Kirch-Gruppe bis September 2001 die Mehrheit an der Formel
1 übernehmen werde, da die EM.TV-Tochterfirma Speed ein Kirch-Darlehen von
einer Milliarde Mark nicht zurückzahlen könne.
»Ich
habe in den letzten Monaten vieles gelernt, vieles davon hätte ich Ihnen und
mir gerne erspart.«
(Haffa bei seinem Auftritt im
April 2001)
25. Juli 2001: Thomas
Haffa tritt eine Woche vor der Jahreshauptversammlung zurück. Nachfolger wird
Werner E. Klatten. Klatten will etwa 25% des Unternehmens übernehmen, Haffa
will Anteile abgeben. Die Börse reagiert mit einem Kurssprung um etwa 70%.
1. August 2001: Die Aktionäre
stimmen auf der Hauptversammlung in Abwesenheit von Thomas Haffa zu, weitere
20% der Speed an die Kirch-Gruppe zu verkaufen, Branchenkreise nennen etwa 800
Mio. Mark als Preis. Für das erste Quartal 2001 wird ein Fehlbetrag von 56 Mio.
Mark im Kerngeschäft ausgewiesen.
24. August 2001: Eine
erste Klage gegen EM.TV wird abgewiesen: Dem Aktionär müsse klar sein, dass
eine Geldanlage am Neuen Markt risikobehaftet sei, so die Begründung.
31. August 2001: Finanzchef
Rickmeyer scheidet aus, für ihn kommt CineMaxX-Sanierer Markus Schwarz, der
zuvor auch schon in der KirchGruppe tätig war.
16. Oktober 2001:
Gerüchte kommen auf, dass Kirch auch die restlichen Anteile an der SLEC
aufkaufen wolle. Der Kurs verdoppelt sich auf 2,75 Euro.
»Wir haben die Verantwortung
gegenüber den Aktionären, uns selbst und unserem Unternehmen, das Geschäft so
gut wie möglich zu entwickeln.«
(Haffas Versprechen aus dem
Jahr 2000)
6. November 2001: Die
Staatsanwaltschaft München erhebt Klage gegen Thomas und Florian Haffa wegen
des Verdachts unrichtiger Bilanzdarstellungen und Kursbetrug. Der Vorwurf
lautet, die Ex-Vorstände hätten am 24. August 2000 falsche Halbjahreszahlen
präsentiert und die Geschäftsentwicklung in der Zeit vom 9. Oktober bis 15.
November in Interviews und Vorträgen zu positiv dargestellt und damit gegen
Paragraf 400 des Aktiengesetzes bzw. Paragraf 88 Börsengesetz verstoßen.
15. November 2001: Die
renommierte US-Kanzlei Shalov Stone & Bonner kündigt eine Sammelklage gegen
die früheren EM.TV-Vorstände an. Nach ihrer Ansicht haben Thomas und Florian
Haffa Ende September 2000 bei einer Roadshow in den USA versucht,
institutionelle Investoren mit geschönten Zahlen zu gewinnen. Der
Controlling-Vorstand Ulrich Goebel soll vergeblich dagegen interveniert haben.
27. November 2001: EM.TV
trennt sich überraschend bereits nach wenigen Wochen vom neuen Finanzvorstand
Marius Schwarz.
1. Februar 2002: Werner
E. Klatten übernimmt für geschätzte 100 Millionen Euro 24,8% (36,16 Millionen
Aktien) der EM.TV-Anteile von Thomas Haffa, der mit 17,5% nur noch zweitgrößter
Aktionär wird.
3. April 2002: EM.TV
meldet den Erwerb der europäischen Merchandising-Rechte für die
Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Die Höhe des an die FIFA zu
zahlenden Preises wird nicht genannt.
»Am 18. 4. 2002 werde ich 50.
Bis dahin soll EM.TV der größte Anbieter von Kinder- und Familien-Entertainment
sein.« – »Das sind Sie doch schon.«
– »Ich meine weltweit. Das heißt
auch, dass die größten Marken unter unserem Dach produziert werden.« – »Herr Haffa, dazu müssten Sie,
mit Verlaub, Disney schlucken.« – »Kein Kommentar.«
(Haffa im Gespräch mit der
Süddeutschen Zeitung, 06.03. 2000)
28. April 2002: Der
EM.TV-Vorstand gibt für die Bilanz 2001 einen Verlust von 374 Mio. Euro (2000:
1,35 Mio. Euro) bei einem Umsatz von 722 Millionen Euro (2000: 656 Millionen
Euro) an. Vom Umsatz entfielen allerdings 440 Millionen Euro auf die für fünf
Monate voll konsolidierte Formel-1-Beteiligung. Die Jim Henson Group erzielte
130 Millionen Euro, Junior TV nur 24 Millionen Euro Umsatz. Im Kerngeschäft des
Rechtehandels verbuchte EM.TV bei einem Umsatz von etwa 272 Millionen Euro ein
negatives Ebit von 249 Millionen Euro.
29. August 2002: Für das erste
Halbjahr meldet EM.TV einen Fehlbetrag von 70,2 Millionen Euro bei nur noch
94,3 Millionen Euro Umsatz (1. Halbjahr 2001: 466,2 Millionen Euro Umsatz).
Auch ohne die Formel 1 blieb ein Umsatzrückgang von etwa 15 Prozent. Die
langfristigen Verbindlichkeiten stiegen auf 406,7 Millionen Euro, die
kurzfristigen sanken auf 139,8 Millionen Euro.
4. November 2002: Vor der vierten Kammer für Wirtschaftsstrafsachen beginnt am Münchener Landgericht der Prozess gegen Thomas und Florian Haffa (Aktenzeichen; 4KLs 305 Js 52373/00).
18. Februar 2003: EM.TV verkauft die verbliebenen Anteile an
der Formel 1 (16,7 Prozent) für 8,5 Millionen Euro an die Bayerische
Landesbank.
8. März 2003: Der geplante Verkauf der Jim Henson Company
scheitert.
31. März 2003: EM.TV legt für 2002 ein Ergebnis vor, das
vor allem wegen hoher Abschreibungen einen Fehlbetrag von mehr als 310
Millionen Euro ausweist.
8. April 2003: Das Münchner Landgericht verurteilt Thomas
und Florian Haffa zu Geldstrafen wegen unrichtiger Darstellung ihrer
Unternehmensverhältnisse. Thomas Haffa muss 1,2 Millionen Euro, Florian Haffa
240.000 Euro Strafe zahlen.
Ü Hier finden Sie den EM.TV-Geschäftsbericht 2002.