Hängepartie im Streit um Berliner Zeitung

Vorerst keine Ministererlaubnis, zunächst Suche nach Käufer für Tagesspiegel

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 13.05.2003

 
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Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hat die Entscheidung über eine mögliche Ministererlaubnis im Fall der Berliner Zeitung vorerst verschoben. Statt den Verkauf der Zeitung an die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck zu genehmigen oder abzulehnen, forderte der Minister den Verlag dazu auf, einen Käufer für den Berliner Tagesspiegel zu suchen. Auf diese Weise soll eine dominierende Stellung von Holtzbrinck auf dem Berliner Zeitungsmarkt verhindert werden.

Der Streit um die Markt- und Machtverhältnisse der Zeitungslandschaft in der Hauptstadt begann, nachdem das Bertelsmann-Tochterunternehmen Gruner + Jahr am 1. Juli 2002 die Berliner Zeitung (Auflage: ca. 190.000) zusammen mit dem Berliner Kurier (Auflage: ca. 140.000) und dem Stadtblatt Tip (Auflage: ca. 70.000) an Holtzbrinck verkauft hatte. Ein knappes halbes Jahr später reagierte das Bundeskartellamt im Rahmen der Pressefusionskontrolle (4 siehe Kasten) mit einem Verbot. Die Begründung lautete am 12. Dezember 2002 wie folgt: Da Holtzbrinck in Berlin auch den Tagesspiegel herausgebe (Auflage: knapp 140.000), erlange der Verlag in der Hauptstadt mit einem Abonnement-Marktanteil von 61,4 Prozent zu viel Marktmacht, die eine Wachstumsbarriere für andere Unternehmen darstelle. Den restlichen Abonnenten-Marktanteil deckt in Berlin fast ausschließlich der Springer Verlag mit seiner Berliner Morgenpost (Auflage: ca. 150.000) ab, deren Redaktion im vergangenen Jahr mit der der Welt zusammengelegt wurde.

Ü Holtzbrinck droht mit Einstellung des Tagesspiegel

Textfeld: 4Pressefusionskontrolle

Um das Zeitungssterben zu verhindern, ermöglichte die Dritte Kartellrechtsnovelle es 1976 dem Kartellamt in § 35, Zusammenschlüsse von zwei Zeitungsverlagen zu unter-sagen, wenn sie auf dem selben Markt agieren und gemeinsam einen Jahres-umsatz von mehr als 25 Millionen Euro im Inland erzielen. Dann wird nur eine maximale Beteiligung von 24,9% erlaubt. 
(In anderen Branchen liegt dieses Aufgreifkriterium erst bei 500 Mio. €)
Für Zeitungsverlage gilt auch die so genannte Bagatell-klausel nicht, wonach die Fusionskontrolle unterbleibt, wenn ein beteiligtes Unter-nehmen weniger als 10 Millionen Euro Jahresumsatz ausweist.
Während sich der Springer Verlag über die Entscheidung des Bundeskartellamtes erleichtert zeigte, reagierte Holtzbrinck am 14. Januar mit dem Antrag auf eine Ministererlaubnis. Seit Einführung der Fusionskontrolle 1973 wurden 17 Anträge auf eine solche Ministererlaubnis in Deutschland gestellt und sieben davon bewilligt. In diesen Fällen entschied sich der Bundeswirtschaftsminister jeweils gegen das Votum der Wettbewerbshüter und ließ Fusionen trotz kartellrechtlicher Bedenken zu. Voraussetzung für eine Ministererlaubnis sind ein „überragendes Interesse der Allgemeinheit“ bzw. „gesamtwirtschaftliche Vorteile“, die schwerer wiegen als Konzentrationsbedenken. Im Medienbereich lag nur 1981 ein Antrag des Burda-Verlages vor, der aber mangels Erfolgsaussichten wieder zurückgezogen wurde. In der Begründung zum Antrag auf eine Ministererlaubnis brachte die Verlagsgruppe Holtzbrinck vor, entscheidend für die Verhältnisse auf dem BerlinerZeitungsmarkt seien

weniger die Anteile auf dem Lesermarkt als die des Werbemarktes. In diesem Bereich dominiere nämlich der Axel Springer Verlag, der mit seinen Titeln B.Z., Bild, Berliner Morgenpost, Welt und Welt am Sonntag etwa 55 Prozent der verkauften Anzeigen auf sich vereinen könne. Angesichts dieser starken Stellung, so argumentierte Holtzbrinck, habe der Tagesspiegel seit 1992 insgesamt etwa 75 Millionen Euro Verlust gemacht, davon 6,6 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Ohne die Übernahme der Berliner Zeitung, so drohte Holtzbrinck, müsse der Tagesspiegel komplett eingestellt werden.

Ü Springer droht mit Einstellung der Welt

Um Bedenken wegen publizistischer Konzentration auszuräumen, schlug die Verlagsgruppe Holtzbrinck Ende März ein Stiftungsmodell für den Tagesspiegel vor. Dabei solle eine Redaktionsgesellschaft gegründet werden, deren Unabhängigkeit ein 9-köpfiges Kuratorium aus externen Chefredakteuren, Intendanten etc. überwachen könne. Außerdem bot Holtzbrinck an, auch sein Stadtmagazin Zitty zu verkaufen. Trotz dieses Angebotes und trotz des Stiftungsmodells sprach sich am 10. April auch die Monopolkommission gegen die Übernahme der Berliner Zeitung aus. Bei einer Anhörung im Bundeswirtschaftsministerium drohte der Springer Verlag am 22. April sogar damit die seit Jahren defizitäre Welt einzustellen, falls Holtzbrinck vom Minister grünes Licht erhalte.

Wolfgang Clement verschickte nun statt der für den 13. Mai erwarteten Ministererlaubnis vorerst nur einen Zwischenbescheid. Darin heißt es, zunächst müsse geprüft werden, wie bedrohlich die wirtschaftliche Situation des Tagesspiegel wirklich sei. Zu diesem Zweck soll Holtzbrinck versuchen, einen Käufer für das Blatt zu suchen. Nach einem Verkauf wäre die Übernahme der Berliner Zeitung kein Problem mehr. Könne kein Käufer gefunden werden, so signalisierte Clement, sei eine Ministererlaubnis möglich. Holtzbrinck hat sich mit dem Verfahren einverstanden erklärt und die Kölner Privatbank Oppenheim mit der Käufersuche beauftragt. Interessenten für den Tagesspiegel soll es auch schon geben, darunter vor allem die Ippen-Gruppe und die Verlagsgruppe Bauer, die bereits vier Tage vor Clements Entscheidung schriftlich ein Angebot angekündigt hatte. Bauer hatte sich nach der Wiedervereinigung vergeblich um die Berliner Zeitung bemüht, aber den Zuschlag für die Magdeburger Volksstimme erhalten.

Ü Siehe auch Artikel Springer Verlag will Kartellrecht lockern.