BertelsmannSpringer wechselt Besitzer
Fachverlag der Bertelsmann AG für 1,05
Milliarden Euro verkauft
Von Dr. Matthias Kurp, 13.05.2003
Monate lang wurde
verhandelt. Am 12. Mai folgte der Kaufvertrag: Stimmt das Kartellamt zu,
wechselt die Fachinformationssparte der Bertelsmann AG rückwirkend zum 1. April
den Besitzer. Käufer sind die Private-Equity-Firmen Cinven und Candover. Die
britischen Spezialisten für privates Anlagekapital zahlen, so ließ Bertelsmann
per Pressemitteilung verlauten, „auf schuldenfreier Basis“ 1,05 Mrd. Euro für
die etwa siebzig Einzelverlage von BertelsmannSpringer.
Unter dem sperrigen Titel BertelsmannSpringer firmiert die Fachinformationssparte von Deutschlands größtem Medienkonzern, seit Bertelsmann 1999 die Mehrheit am1842 gegründeten Wissenschaftsverlag Springer übernahm. BertelsmannSpringer ist Deutschlands größte Fachverlagsgruppe, auf deren Autorenverzeichnis 126 Nobelpreisträger zu finden sind. Zu dem Konglomerat aus Verlagen für Wissenschafts- und Fachliteratur zählen Unternehmen, die jährlich mehr als 4000 Buchtitel herausbringen und 700 Zeitschriften-Titel verantworten. Das Spektrum reicht von Naturwissenschaften, Wirtschaft und Technik bis hin zu Politik und Publizistik. Die bekanntesten Verlagsnamen der Gruppe in Deutschland sind Gabler, Vieweg, der Verlag Heinrich Vogel oder der Westdeutsche Verlag.
Am Tag der Vertragsunterzeichnung mit Cinven und Candover gab Bertelsmann außerdem rückwirkend
zum 1. Januar 2003 die Übernahme des Opladener Verlages Leske + Budrich
bekannt, der mit dem Westdeutschen Verlag in Wiesbaden vereinigt werden soll.
Beide Buchverlage waren einst in Leverkusen-Opladen gegründet worden. Beide
haben sich auf sozialwissenschaftliche Fachliteratur spezialisiert und bringen
gemeinsam pro Jahr mehr als 500 Titel heraus.
Ü
Schuldenabbau und Konzentration auf Kerngeschäfte
BertelsmannSpringer trug zuletzt etwa 3,9 Prozent zum Gesamtumsatz der Bertelsmann AG bei. „Mit dem Verkauf setzen wir unsere Strategie der Konzentration auf die Kerngeschäfte konsequent fort“, erläuterte Bertelsmann-Chef Gunter Thielen die Trennung, von der mehr als 5000 Mitarbeiter betroffen sind. Bei einem Umsatz von 731 Millionen Euro in 16 Ländern wurde 2002 mit den Fachinformationen ein operatives Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebita) in Höhe von 71 Millionen Euro erzielt. Im ersten Quartal 2003 ging der Umsatz allerdings um mehr als 6 Prozent zurück. Mit dem Verkaufserlös will Bertelsmann den Schuldenstand von 2,7 Milliarden Euro auf weniger als 2 Milliarde Euro reduzieren.
Die britischen Investmenthäuser Cinven und Candover zählen zu Europas führenden Unternehmen für Beteiligungen an nicht-börsennotierten Unternehmen („Private Equity“). Geld für die Beteiligungen wird meist über Fonds gesammelt, die von institutionellen Anlegern – meist Pensionsfonds – gespeist werden. Erst im Januar hatten die beiden Firmen vom niederländischen Informationskonzern Wolters Kluwer für 600 Millionen Euro dessen Sparte Kluwer Academic Publishers erworben. Das Unternehmen veröffentlicht jährlich 700 wissenschaftliche und technische Magazine sowie etwa 1.200 Buchtitel. Der Umsatz betrug im vergangenen Jahr 151 Millionen Euro. Nach der Übernahme von BertelsmannSpringer verfügen Cinven und Candover nun über den zweitgrößten Wissenschaftsverlag der Welt mit einem Proforma-Umsatz (2002) von etwa 880 Millionen Euro und einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 155 Millionen Euro. Marktführer bleibt das niederländisch-englische Unternehmen Reed Elsevier.
Ü
Cinven & Candover sanieren und verkaufen
Cinven wurde 1977 gegründet und
hat seitdem 40 Milliarden Euro in Unternehmenskäufe investiert. Candover ist
seit 1980 im Geschäft und hat seitdem mehr als hundert Transaktionen in Höhe
von insgesamt 22 Milliarden Euro abgeschlossen. Gemeinsam mit dem englischen Buchhändler WHSmith hat Cinven auch für
die U.S. Büchersparte von AOL
Time Warner ein Angebot unterbreitet. Interesse an diesem Buchgeschäft hat
auch Bertelsmann signalisiert.
Außer dem Preis von 1,05 Euro müssen Cinven und Candover auch noch geschätzte
120 Millionen Euro Pensionsverbindlichkeiten von BertelsmannSpringer übernehmen.
Nach der Fusion mit Kluwer Academic Publishers wollen die neuen Investoren das
Unternehmen unter dem Namen Springer bis 2006 so umstrukturieren und zu
zweistelligen Umsatzrenditen führen, dass ein Börsengang oder der Verkauf an einen
Medienkonzern möglich ist. Analysten spekulieren zurzeit über den vorzeitigen Verkauf
der Sparte Recht/Wirtschaft/Steuern, die bei dem Sortiment nur eine
untergeordnete Rolle spielt.
Ü Siehe auch Artikel Bertelsmann
zurück zur Old Economy.