Der
Pay-TV-Programmanbieter Premiere hat etwa einem Monat vor dem geplanten
Börsengang erstmals in seiner Unternehmensgeschichte schwarze Zahlen im
operativen Geschäft gemeldet. Bei der Präsentation der Bilanz am 1. Februar in
München wurde das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) für
2004 auf 82,9 Millionen Euro (2003: -21,2 Mio. Euro) beziffert. Als
Bilanz-Ergebnis blieben unter dem Strich allerdings dennoch 80,6 Millionen Euro
Verlust (2004: -205,4 Euro).
Als
Deutschlands einziger Pay-TV-Kanal vor drei Jahren im Strudel der Kirch-Pleite
unterzugehen drohte, machte Premiere noch
Tag für Tag zwei Millionen Euro Verlust. Inzwischen scheint Geschäftsführer
Georg Kofler das Ruder erfolgreich herumgerissen zu haben. 1999 lagen die
Gesamtschulden von Kirchs Pay-TV-Geschäft noch bei etwa 2,5 Milliarden Euro. Im
vergangenen Jahr ging die Nettoverschuldung von Premiere auf 370 Millionen Euro
zurück. Die Abonnentenzahl stieg auf 3,25 Millionen, der Umsatz
von 919 Millionen Euro (2003) auf 985 Millionen Euro. Im Kerngeschäft mit
Programm-Abonnements erlöste der Bezahlsender 817 Millionen Euro (2003: 685
Millionen Euro).
Ü
Abschied vom Hardware-Geschäft
Georg
Kofler, der auch die Pro Sieben AG 1997 erfolgreich an die Börse brachte, weiß,
dass potenzielle Anleger positive Nachrichten schätzen. Und davon hat der
smarte Südtiroler im vergangenen halben Jahr jede Menge produzieren lassen:
Premiere startet HDTV-Programme, Premiere bietet alle Spiele der Fußball-WM
live, Premiere verkauft Sendezentrum für 55 Millionen Euro an SES Astra,
Premiere erstmals mit Quartalsgewinn, Premiere übertrifft Jahresziel neuer
Abonnenten und so weiter.
„Premiere hat 2004 große Fortschritte bei Programm, Marketing und Organisation erzielt, gleichzeitig haben wir die letzten großen Altlasten aus der Vergangenheit beseitigt”, sagte Kofler am 1. Februar in München. So wurde das verlustreiche Geschäft mit der Vermietung und dem Verkauf von Digital- Receivern weiter zurückgefahren. Dadurch verringerten sich die Umsätze in diesem Bereich im vergangenen Jahr um 102,2 Millionen auf 77,3 Millionen Euro. Mittlerweile wird der Verkauf von Receivern zum Großteil vom Handel und anderen Vertriebspartnern bestritten. 87 Prozent der Premiere-Abonnenten besaßen zum Jahresende ihren digitalen Premiere-Receiver selbst, nur noch 13 Prozent haben ihn gemietet. Der Anteil des Hardware-Geschäfts mit Decodern am Premiere-Gesamtumsatz sank auf 7,9 Prozent (2003: 19,5 Prozent).
Ü
Eigenkapital aufgestockt
Für Zinsaufwendungen musste der
Pay-TV-Programmanbieter allerdings 2004 noch immer netto 72,4 Millionen Euro
aufwenden. Durch den Erlös des für März geplanten Börsengangs (4 siehe Artikel Premiere
bereitet sich auf Börsengang vor) will Premiere die Zinslast weiter senken.
Darüber hinaus haben die Gesellschafter, die im Fall der HypoVereinsbank
und der Bayerischen Landesbank zugleich zu den größten Gläubigern gehören,
Altkredite von bis zu 800 Millionen Euro in die Luxemburger Fernseh-Holding
S.A.R.L. ausgelagert. Damit wurde Premiere „von sämtlichen Verpflichtungen und
Zinszahlungen aus diesen Darlehen befreit“, köderte das Premiere-Management
interessierte Anleger. Premieres Bilanz wird so entlastet. Die Gesellschafter
wollen die Kredite schließlich beim Börsengang mit den Erlösen aus dem Verkauf
eigener Premiere-Aktien zurückzahlen. Die neue Holding hat außerdem einen
Großteil ihrer Forderungen gegen Premiere in Eigenkapital umgewandelt, so dass
die Bilanz nun 418,9 Millionen Euro Eigenkapital ausweist (Eigenkapitalquote:
32 Prozent).
Deutliche Verbesserungen erzielte Premiere bei der Kunden-Bindung. So konnte die Kündigungsquote im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben von 15,5 (2003) auf 13,6 Prozent gesenkt werden. Nur noch knapp 12 Prozent der Pay-TV-Kunden haben lediglich das Einstiegspaket „Premiere Start“ (5 Euro monatlich im ersten Jahr) abonniert. „Schon nach drei Monaten entscheiden sich über dreißig Prozent der Premiere-Start-Kunden für ein höherwertiges Programmpaket“, verbreitete das Münchner Unternehmen per Pressemitteilung. Etwa 84 Prozent der Kunden leisteten sich teurere Premium-Abonnements wie die Pakete „Premiere komplett“, „Premiere super“, „Premiere Film“ oder „Premiere Sport“.
Ü
Skepsis trotz Erfolgsstory
Auch ohne funktionierenden
Online-Rückkanal machte Premiere im vergangenen Jahr mit Pay-per-View Angeboten
fast fünfzig Prozent mehr Umsatz (29,1 Millionen Euro) als 2003. Insgesamt
wurden etwa 5,7 Millionen Pay-per-View-Tickets verkauft. Jenseits des
Kerngeschäfts konnte Premiere außerdem im Bereich Werbung, der die Einnahmen
aus TV- und Online-Werbung, Sponsoring und Direktmarketing umfasst, den Umsatz
von 10,2 Millionen auf 34 Millionen Euro mehr als verdreifachen.
Bilanz-Daten |
2001 |
2002 |
2003 |
2004 |
Abonnenten |
2,41 Mio. |
2,60 Mio. |
2,90 Mio. |
3,25 Mio. |
Ebitda* |
-775,0 Mio. € |
-243,1 Mio. € |
-21,2 Mio. € |
+82,9 Mio. € |
Ergebnis |
-1.279,9 Mio. € |
-168,8 Mio. € |
-205,4 Mio. € |
-80,6 Mio. € |
Abo-Gewinnungskosten |
407 € |
207 € |
174 € |
184 € |
Umsatz pro Abonnent |
260 € |
248 € |
260 € |
286 € |
* Ergebnis vor Steuern,
Zinsen, Abschreibungen und Restrukturierung
Dass einige Analysten trotz Koflers Erfolgsstory skeptisch bleiben, liegt
daran, dass Deutschland das größte Angebot an Free-TV-Programmen weltweit hat.
Der Gewinn weiterer Abonnenten bleibt also schwierig und hat im vergangenen
Jahr pro Neukunde Kosten von 184 Euro verursacht („Abo-Gewinnungskosten“). Nur
etwa acht Prozent aller deutschen Haushalte empfangen Premiere. BskyB in Großbritannien und Canal Plus in Frankreich werden von mehr
als vierzig Prozent der Haushalte abonniert. Der durchschnittliche Jahresumsatz
pro Abonnent (ARPU, Average Revenue Per User) stieg im Premiere-Kerngeschäft
2004 zwar auf 286 Euro, liegt bei BskyB aber etwa doppelt so hoch.