Zwanzig Jahre nach dem Start des kommerziellen Fernsehens in Deutschland hat sich die TV-Landschaft so stark verändert wie kaum ein anderer Medienmarkt in den vergangenen beiden Jahrzehnten. RTL und Sat.1 sind längst erwachsen geworden und Teil der größten Free-TV-Landschaft weltweit. Doch von der Angebotsvielzahl darf nicht automatisch auf wirtschaftlichen Erfolg geschlossen werden.

 

Als der Sat.1-Vorläufer PKS (Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk) am 1. Januar 1984 von Ludwigshafen aus sein Programm startete, sollte in Deutschland eine neue Medienepoche beginnen. Das PKS-Angebot war zunächst auf das Kabelpilotprojekt Ludwigshafen-Vorderpfalz beschränkt und konnte nur von etwa 1500 Haushalten via Kabel empfangen werden. Dennoch feierten die TV-Pioniere den Start überschwänglich mit Händels Feuerwerkmusik und Ausschnitten aus Dvoraks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“.

 

In den kommenden Jahren hatten die Sat.1-Programmmacher in wirtschaftlicher Hinsicht dann allerdings in der schönen, neuen Medienwelt nur selten Grund zum Feiern. Seit der Gründung wurden mit dem Programm von PKS, das 1985 in Sat.1 umgetauft worden war, mehr als 600 Millionen Euro Verlust gemacht, und nur selten stand am Ende eines Geschäftsjahres mal ein kleiner Gewinn in zweistelliger Millionen-Höhe. Deutlich weniger pompös als Sat.1 war einen Tag später RTL plus an den Start gegangen: Moderator Rainer Holbe hatte sich mit einem Chirurgenkittel verkleidet , um ein neues Fernsehen ans Licht der Medienwelt zu bringen. Der Spross RTL gedieh prächtig, machte schon 1990 Gewinn und wurde drei Jahre später erstmals Quoten-Marktführer (zu den aktuellen Marktanteilen vgl. Artikel RTL erneut Sieger bei TV-Marktanteilen). In den 90-er Jahren entwickelte sich RTL zu Europas erfolgreichstem Werbeträger, der bis heute insgesamt etwa 1 Milliarde Euro Gewinn abwarf.

Ü Kabelfernsehen als Basis für Boom

Basis für die Etablierung privatwirtschaftlicher TV-Programme in Deutschland war die Überwindung des Engpasses bei Übertragungskapazitäten: 1982 begann mit der Kohl-Ära auch die Verlegung von TV-Kabeln in der Bundesrepublik, die insgesamt 28 (später ca. 31) Programme ermöglichten. Am 11. Dezember 1988 wurde der erste Astra-Satellit ins All geschossen, der die Übertragung von 16 TV-Kanälen erlaubte. Ein Jahr zuvor war der erste Rundfunk-Staatsvertrag in Kraft getreten, der garantierte, dass TV-Lizenzen trotz der Kulturhoheit der Länder und unterschiedlicher Landesmediengesetze auch bundesweit Geltung besaßen. Trotz einiger Besitzer- und Namenswechsel wurde in den Folgejahren nie ein Programmplatz komplett geräumt, weil die Lizenzen angesichts knapper Übertragungsressourcen in den analogen TV-Kabelnetzen als wertvolles Gut galten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tele 5

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

N24

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NBC/Giga

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Onyx

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

QVC

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

HOT

 

 

 

 

HSE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

TM 3

 

 

 

 

9 live

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Viva 2

 

 

 

 

 

Viva plus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

VH-1

 

 

 

 

MTV 2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Super RTL

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Viva

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

RTL 2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vox

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

n-tv

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kabelkanal

Kabel 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eurosport

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

MTV

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eureka

ProSieben

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

PKS

Sat.1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Musikbox

 

 

 

Tele 5

 

 

DSF

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

RTL plus

 

 

 

 

 

 

 

RTL

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

 

 

Sat.1 und RTL stehen wie kaum ein anderes Programm-Duo für unterschiedliche Strategien, Erfolge und Senderfamilien. Während sich der vermeintliche Sat.1-Vorteil, im Schoße der KirchGruppe über einen umfangreichen Programmstock zu verfügen, bald als Nachteil erwies, machte RTL aus der Not mangelnder Filmrechte eine Tugend und schaffte mit preiswerten Eigenproduktionen hatte bereits zehn Jahre nach dem Start die Anlaufkosten wieder eingespielt. Ganz anders Sat.1: Während Kirch dort stets als Programmverkäufer verdiente, mussten die Verluste lange von Zeitungsverlagen als Mitgesellschaften mitgetragen werden. Das Programm war lange vor allem Kirchs Abspielstation für eigene Filmware, ließ dafür aber ein erfolgreiches Zielgruppenkonzept vermissen.

 

RTL gilt hingegen als Musterbeispiel für erfolgreiches Free-TV: Was in einem provisorischen Studio in Luxemburg anfing, wurde spätestens mit dem Umzug nach Köln (1988) zum Profit-Center. Aus einem Budget von etwa 12 Millionen Euro (1984) machte der Marktführer jährlich mehr als 2 Milliarde Euro Werbeeinnahmen. Auf dem Weg zum Marktführer wandelte sich RTL – die Buchstaben wurden anfangs in der Branche als Kürzel für „Rammeln, Töten Lallen“ verwendet – vom Schmuddelkind zum Branchenkönig. Viele Stationen zum Erfolg – vor allem die strenge Formatierung sowie Talk- und Soap-Serien – wurden dabei vom US-Fernsehen adaptiert.

 

Textfeld: Ü Chronik des Marktführers RTL

02.01.1984: 	Sendestart in Luxemburg.
März 1984: 	Erste Formel-1-Übertragung (mit Bildern vom belgischen Fernsehen).
Februar 1987: 	Erika Berger moderiert erstmals „Eine Chance für die Liebe“.
September 1987: 	RTL führt Frühstücksfernsehen ein.
Januar 1988: 	Umzug nach Köln.
April 1988: 	Hauptnachrichtensendung „7 vor 7“ wird in „RTL aktuell“ umbenannt.
Mai 1988: 	1. Folge von „Alles nichts oder“ mit Hella von Sinnen und Hugo Egon Balder.
Januar 1989:	Premiere für „Spiegel TV“.
Januar 1989: 	Olaf Kracht startet Krawall-TV mit „Explosiv – der heiße Stuhl“.
Februar 1990: 	Premiere für die Erotik-Spielshow „Tutti Frutti“.
April 1990: 	„Stern TV“ bekommt bei RTL ein Zuhause.
Dezember 1990:	RTL schreibt erstmals schwarze Zahlen.
Dezember 1991: 	Einführung des Nachtprogramms.
Mai 1992: 	Start des Infotainment-Magazins „Explosiv“ mit Barbara Eligmann.
Mai 1992 : 	Folge 1 der Daily-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“.
Mai 1992: 	Hans Meiser wird Pionier des Daily Talks.
September 1992: 	Thomas Gottschalk moderiert die Erste Late Night Show in Deutschland.
September 1992:	RTL wird erstmals Marktführer bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern.
Dezember 1992: 	Aus „RTL plus“ wird „RTL“.
November 1993: 	„RTL Samstag Nacht“ wird zum Vorreiter der TV-Comedy-Welle.
Dezember 1993:	RTL wird bei Zuschaueranteilen erstmals Marktführer für das gesamte Jahr.
November 1998:	Gerhard Zeiler löst Helmut Thoma als Geschäftsführer ab.
September 1999: 	Start des Quotenknüllers „Wer wird Millionär?“.
März 2001: 	RTL gründet den Teleshopping-Ableger „RTL Shop“.
April 2002: 	Mit der „80er Show“ löst RTL einen Timetainment-Boom aus.
November 2002: 	Start von „Deutschland sucht den Superstar“.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Seit 1984 wurden die Erträge der Rundfunkwirtschaft (v.a. Gebühren und Werbeeinnahmen von Hörfunk und Fernsehen) in Deutschland nahezu verfünffacht. Nahmen Sat.1 und RTL 1984 zusammen nur etwa 10 Millionen Euro für die Werbung ein, stieg die Summe aller TV-Werbeeinnahmen in Deutschland auf inzwischen fast 4 Milliarde Euro. Zwanzig Jahre nach dem Start des werbefinanzierten Fernsehens haben allerdings von den prominenten Programmen außer RTL lediglich ProSieben und Kabel 1 mehr Geld verdient als ausgegeben. Mit Angeboten wie Vox, n-tv oder Viva wurden nur in wenigen, guten Geschäftsjahren Gewinne erwirtschaftet. Hohe Anlaufverluste machten außer Sat.1 vor allem Vox (mehr als 350 Mio. €) und DSF (mehr als 350 Mio. €).

Ü Mehr als 160 Millionen Euro Defizit im Free-TV

Alles in allem lagen die Einnahmen aller privatwirtschaftlichen TV-Programme – vom Vollprogramm bis zum Lokal-TV – im vergangenen Jahr etwa 800 Millionen Euro unter den Ausgaben, im Jahr 2001 betrug das Defizit sogar 1,3 Milliarden Euro. Die acht bundesweiten TV-Vollprogramme zusammen verbuchten 2002 ein Defizit von 34 Millionen Euro, bei den bundesweiten Spartenprogrammen lag der Verlust sogar bei insgesamt 131 Millionen Euro. Am stärksten aber trug das Pay TV (Premiere) zum Minus der TV-Branche bei: Bei einem Defizit von 563 Millionen Euro konnten nur 61 Prozent der Kosten gedeckt werden.

 

 

Û Weitere Daten zum Fernsehmarkt und über die aktuelle Beteiligungsverhältnisse der TV-Programmanbieter finden Sie im Download-Bereich „Daten & Fakten“.