Viva jetzt fest in der Hand von Viacom

Mitarbeitern drohen Kündigungen und Umzug in Berliner MTV-Zentrale

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 15.01.2005

 
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Der US-Konzern Viacom kann nun bei den deutschen Musikkanälen Viva und Viva Plus endlich allein den Ton angeben. Bei einer außerordentlichen Hauptversammlung klagten die Kleinaktionäre zwar über ein zu niedriges Abfindungsangebot und große Managementfehler. Verhindern aber konnten sie die Viva-Übernahme durch Viacom und einen entsprechenden Beherrschungsvertrag nicht.

Die Aktionäre der Viva Media AG haben am 14. Januar nach zehnstündiger Verhandlung dem Beherrschungsvertrag zwischen der Viva Media AG und Viacom sowie einer Zwangsabfindung („Squeeze-Out“) der Minderheitsaktionäre zugestimmt. Damit wird sich das Unternehmen bald endgültig von der Börse verabschieden. Im Viacom-Besitz waren bereits vor der außerordentlichen Hauptversammlung in Köln 98 Prozent der Viva-Wertpapiere. Die restlichen 2 Prozent sollen gegen eine Barabfindung von 12,65 Euro pro Aktie an Viacom übergehen. Der US-Mutterkonzern des globalen Pop-Kanals MTV hatte im Juli die Mehrheit der Viva-Aktien übernommen (4siehe Artikel Viacom will Viva Media AG übernehmen und Viacom übernimmt Viva Media AG), nachdem die vierzehn Viva-Großaktionäre – darunter Time Warner (30,6%) und Vivendi Universal (15,3%) – insgesamt 75,8 Prozent der Viva-Anteile verkauft hatten. Mit dem Beherrschungsvertrag kann Viacom jetzt allein den Ton im deutschen Musikfernsehen angeben.

 

Ü Gorny kassierte 1,9 Millionen Euro

 

Der bei der Hauptversammlung genannte Unternehmenswert der Viva Media AG beträgt nur 136,5 Millionen Euro. Viacom hatte sich die Viva-Übernahme etwa 310 Millionen Euro kosten lassen und sucht nun nach Konzepten, damit sich der hohe Kaufpreis lohnt. Erst nach der Eintragung des Beherrschungsvertrages ins Handelsregister will sich die US-Konzernleitung dazu äußern, ob und welche der vier Musikkanäle in welcher Form umgewandelt werden. Weil bei der Hauptversammlung einige Aktionäre bereits Widerspruch einlegten, könnte sich der Handelsregister-Eintrag verzögern. Die Abfindung von 12,65 Euro pro Stückaktie entspricht exakt dem Preis, den auch die übrigen Aktionäre im vergangenen Jahr beim Übernahmeangebot durch Viacom erhalten haben. Ex-Viva-Chef Dieter Gorny, der selbst mit 0,6 Prozent an Viva beteiligt war, bekam für sein Aktienpaket fast 1,9 Millionen Euro. Jörg Grabosch, der als Brainpool-Chef bei der Übernahme seiner Produktionsfirma durch die Viva Media AG 2001 einen Paket von 3,7 Prozent der Viva-Aktien erhalten hatte, kassierte von Viacom knapp 11,5 Millionen Euro.

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Gorny, so gab Viacom am 2. November 2004 bekannt, soll für den US-Konzern in Deutschland neue TV-Geschäftsfelder erschließen und erhielt für seinen Arbeitsbereich den klangvollen Namen „Business Development & Network Relations“. Die übrigen der 292 Mitarbeiter, die in Köln bei Viva und Viva Plus arbeiten, werden weniger komfortabel abgefunden. Gorny räumte bei der Hauptversammlung die Notwendigkeit eines Personalabbaus ein, nannte aber keine Details. Der Betriebsrat befürchtet eine Viva-Verlagerung nach Berlin. Mehr als 200 Stellen sollen bei der Fusion von MTV und MTV 2 Pop, Viva und Viva plus wegfallen, sagte eine Sprecherin des Betriebsrats. „Entscheidungen sowohl zur Standortfrage als auch zum Personalabbau sind bisher nicht gefallen“, berichtete Gorny erneut. Allerdings werde es „für die Arbeitnehmer sicher nicht ohne Härten abgehen“. Deutschlands MTV-Chefin Catherine Mühlemann, die nun auch für Viva zuständig ist, hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt: „Aus wirtschaftlichen Gründen sind Entlassungen leider unvermeidbar.“ (4siehe Artikel: Von Viva bleibt fast nur der Name übrig) Die noch immer zur Viva Media AG gehörende Kölner Produktionsfirma Brainpool (280 Beschäftigte) soll von Umstrukturierungen zunächst nicht betroffen sein.

 

Ü Änderungen für Viva-Programm

 

Viva erzielte im vergangenen Jahr einen Marktanteil von 0,4 Prozent, Viva Plus 0,3 Prozent. Nach einem weiteren Rückgang der Werbeeinnahmen wird der Verlust für 2004 auf 8,3 Millionen Euro geschätzt. 2003 lag der Verlust bei 42,3 Mio. Euro (4siehe Artikel Viva mit Verlusten im Kerngeschäft). Zuletzt hatte Viva 2002 schwarze Zahlen geschrieben. Für das laufende Jahr erwartet Viva 116,4 Millionen Euro Umsatz und einen Verlust von 1,76 Millionen Euro. 2006 will Viacom schließlich Viva-Gewinne sehen. Zunächst aber muss der US-Konzern noch sämtliche Schulden der beiden Kölner Musikkanäle übernehmen.

Erste Änderungen im Viva-Programm wurden bereits vollzogen: Charlotte Roches „Fast Forward“ und das Modemagazin „Inside“ gibt es nicht mehr, ebenso die Formate „Interaktiv“ und „News“. Sarah Kuttner konnte ihre Sendung vorerst retten, allerdings wird „Sarah Kuttner - Die Show“ nur noch zwei Mal pro Woche – mittwochs und donnerstags ab 21.15 Uhr – ausgestrahlt. Als neue Formate kündigte Viva in der vergangenen Woche an: „Big Brother“ sowie die Entertainment-Formate „101 Best Kept Hollywood Secrets“, „101 Juiciest Hollywood Hookups“, „VH1 All Access“ und „The Fabulous Life Of...“. Außerdem startet am 14. Februar die Anruf-Sendung „Liebe, Sex & Video“ (montags bis donnerstags 23.15-0.15 Uhr).

 

 

Ü Hier finden Sie den kompletten Geschäftsbericht der Viva Media AG 2003.

 

Ü Buchtipp Musikfernsehen in Deutschland.