KirchMedia vor der Auflösung

Gläubigerbanken haben Verkaufspläne aufgegeben

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 17.06.2003

 
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Einst galt das Filmarchiv als das Zentrum des Medienreiches von Leo Kirch. Mehr als 60.000 Stunden TV-Unterhaltung auf mehr als 16.000 Filmrollen schienen im Medien-Zeitalter so wertvoll wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Doch das Kapital von einst hat an Wert verloren. Jetzt soll die Sparte Kirch Media komplett liquidiert werden.

Am 12. Juni fasste die Gläubigerversammlung der vier beteiligten Kreditinstitute – Hypo-Vereinsbank, Bayerische Landesbank, DZ Bank und Commerzbank – den Beschluss, Kirchs Kerngeschäft in den kommenden Jahren Stück für Stück aufzulösen. Neue Filmrechte werden nicht mehr erworben, die alten aber noch so gut wie möglich verwertet, lautet die neue Strategie der Insolvenzexperten, die im Auftrag der Gläubigerbanken Kirchs Filmware zu versilbern versuchen. Von den 3,2 Milliarden Euro Filmvermögen, mit denen Kirch seine TV-Ware für das Bilanzjahr 2000 bewertet hatte, ist schon lange keine Rede mehr. Der Wert von KirchMedia war zuletzt wegen des Preisverfalls bei Filmlizenzen immer stärker gesunken.

Nach Angaben von Insolvenzverwalter Michael Jaffé steht der Großteil von Kirchs Filmbibliothek zunächst für zehn Jahre der ProSiebenSat.1 Media AG zu günstigen Konditionen zur Verfügung. Dabei handelt es sich nach Auskunft von ProSiebensat.1-Vorstandschef Urs Rohner um einen Pool von 2000 Filmen, deren Nutzung über ein Erlösbeteiligungsmodell (Beteiligung an Werbeeinnahmen) abgegolten werden soll. Neue Filmlizenzen wird die ProSiebenSat.1 Media AG künftig in eigener Regie einkaufen und nicht mehr wie bisher von Kirch Media beziehen.

Ü Banken-Beteiligung an ProSiebenSat.1 Media AG  

 
Ohne das Filmrechtegeschäft besteht die KirchMedia inzwischen fast nur noch aus dem Mehrheitsanteil an der ProSiebenSat.1 Media AG, der bei 52,5 Prozent liegt. Diese Beteiligung soll nun in eine Zwischenholding überführt werden, an der die vier großen Gläubigerbanken beteiligt werden. Die Kreditinstitute sichern der neuen Holding auch eine Finanzspritze. Der hoch verschuldete TV-Konzern braucht frisches Kapital in

Höhe von 250 bis 300 Millionen Euro. Jeweils eine Hälfte dieser Summe soll bis spätestens Anfang 2004 von Kirch Media und den Banken fließen.

Hypo-Vereinsbank, Bayerische Landesbank, DZ Bank und Commerzbank werden durch diese Kapitalerhöhung jeweils einen Anteil von etwa 3 bis 4 Prozent an der ProSiebenSat.1 Media AG erhalten. Die genaue Beteiligungshöhe wird davon abhängen, wie viele Alt-Aktionäre ihr Bezugsrecht für die Kapitalerhöhung nutzen. Das Engagement der Banken, insbesondere der staatlichen Bayerischen Landesbank, stieß allerdings bereits auf Bedenken einiger Landesmedienanstalten. Sollte sich die Bayern LB, die zur Hälfte dem Freistaat Bayern gehört, am Unternehmen beteiligen, sehen Kritiker das Gebot der Staatsferne von Medienunternehmen verletzt.

36 Prozent der ProSiebenSat.1 Media AG gehören weiterhin freien Aktionären. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um stimmrechtslose Vorzugsaktien. Gerüchte, die Papiere würden in Stammaktien umgewandelt, hatten den Aktienkurs des Unternehmens in den vergangenen zwei Wochen um etwa zehn Prozent steigen lassen. „Ich kann ihnen heute berichten, dass Kirch Media inzwischen klar dahin tendiert, einer Umwandlung zuzustimmen“, teilte Urs Rohner am 16. Juni der Hauptversammlung in München mit. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. Von den 97,2 Millionen Stammaktien hält KirchMedia zurzeit noch 88,5 Prozent, der Rest gehört dem Axel Springer Verlag.

Ü Free-TV-Gruppe kein „Sanierungsfall“

Um überhaupt noch etwas Geld von ihren Kreditlinien wiederzusehen, müssen die Gläubigerbanken jetzt statt Verkaufserlöse die Tatsache realisieren, Kirchs Kerngeschäfte vorerst selbst sanieren zu müssen. Der Großteil der Kreditsummen wurde bereits abgeschrieben. Dass Kirchs Gläubigerbanken jetzt den Ton bei der ProSiebenSat.1 Media AG angeben, macht auch die Wahl der neuen Aufsichtsspitze deutlich: Bei seiner konstituierenden Sitzung wählte das Gremium am 16. Juni Dr. Michael Jaffé, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter der KirchMedia GmbH & Co. KGaA, zum Vorsitzenden. Sein Stellvertreter wurde Wolfgang Hartmann, Mitglied des Vorstands der Commerzbank AG. Dem neuen Aufsichtsrat gehören auch die beiden Kirch-Interimschefs Wolfgang von Betteray (Düsseldorf) und Hans-Joachim Ziems (Köln) sowie Gerhard Gribkowsky als Mitglied des Vorstands der Bayerischen Landesbank an.

Nach dem Verlust von knapp 31 Millionen Euro im ersten Quartal rechnet Vorstandschef Urs Rohner für das zweite Quartal einen Gewinn, für das dritte wieder einen Verlust und für das gesamte Jahr 2003 vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen mit einen Gewinn in dreistelliger Millionenhöhe für die ProSiebenSat.1 Media AG (2002: 134 Mio. Euro). Sein Unternehmen sei auf keinen Fall ein Sanierungsfall, erklärte Vorstandschef Urs Rohner. Genau das aber hatte noch vor wenigen Wochen Haim Saban behauptet und sich dann als neuer Investor rasch zurückgezogen. Die Zeiten hoher Renditen sind bei der ProSiebenSat.1 Media AG aber in jedem Fall vorbei: Die Hauptversammlung beschloss eine Dividende von nur noch 2 Cent je Vorzugsaktie.

 

Ü Siehe auch folgende Artikel:   1 ProSiebenSat.1 Media AG verkauft

                                            1 Kirch-Gruppe zu 85 Prozent verkauft

                                            1 Bundeskartellamt gibt Saban grünes Licht

                                            1 ProSiebenSat.1 Media AG mit Verlusten

                                            1 Saban muss bei Kirch-Übernahme passen