Viacom übernimmt Viva Media AG

MTV ebnet Weg für das Monopol im Musikfernsehen

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 24.06.2004

 
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Der amerikanische Medienkonzern Viacom, dem bereits die MTV-Musikkanäle gehören, übernimmt die Mehrheit der deutschen Viva Media AG. Den beteiligten vierzehn Viva-Großaktionären wurden bereits 75,8 Prozent der Anteile abgekauft. Außerdem hat Viacom auch die 49 Prozent der Gesellschafteranteile von Viva plus erworben, die zuvor dem US-Medienkonzern Time Warner gehörten. MTV und MTV 2 Pop, Viva  und Viva plus gehören, geben die Kartellbehörden grünes Licht, zum selben Konzern.

Die Übernahme der Viva Media AG war bereits seit Monaten erwartet worden und hatte im vergangenen halben Jahr den Aktienkurs von 6 auf mehr als 12 Euro steigen lassen (siehe Artikel Viacom will Viva Media AG übernehmen). Bislang hat Viacom für den Kauf der Aktienmehrheit etwa 220 Millionen Euro ausgeben müssen. Zu den vierzehn Großaktionären, die ihre Wertpapiere vorbehaltlich der Zustimmung durch die Aufsichtsbehörden, bereits veräußerten, zählen das Time-Warner-Tochterunternehmen Turner Broadcasting (30,6%), Universal International Music (15,3%), vier Kommanditgesellschaften der Viva-Gründer (zusammen 18,8%), Dieter Gorny (0,6%) sowie Christian Gisy, Jörg Grabosch, Bettina Tronich Grabosch, Helge Sasse, Andreas Scheuermann, Martin Keß und Ralf Günther (zusammen 9,6%). Viva-Gründer und -Chef Dieter Gorny soll an der Seite von MTV-Deutschland-Chefin Catherine Mühlemann weiterhin die Viva-Geschäfte leiten. Die Richtungsentscheidungen für MTV Deutschland und die neue Tochtergesellschaft Viva sollen künftig von Brent Hansen, dem Chef von MTV Networks Europe, aus London kommen.

Stimmen die Kartellbehörden zu, wird die Viva-Übernahme die bislang größte MTV-Akquisition. Insgesamt will sich das US-Unternehmen die Übernahme der 24,4 Millionen Viva-Aktien etwa 310 Millionen Euro kosten lassen. Den Besitzern der etwa 24 Prozent noch in Streubesitz befindlichen Aktien machte Viacom gemäß dem deutschen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) ein Übernahmeangebot für die restlichen Papiere zum Stückpreis von 12,65 Euro. Dieser Preis liegt 21 Prozent über dem zuletzt veröffentlichten, durchschnittlichen gewichteten Aktienkurs der vergangenen drei Monate. Sollte der Erwerb aller Viva-Aktien gelingen, will Viacom (Umsatz 2003: 26,6 Mrd. Dollar) die Wertpapiere nicht weiter an der Börse handeln lassen.

Im Vergleich zu Haim Saban, der im vergangenen Jahr nur 525 Millionen Euro aufwenden musste, um die Mehrheit an der ProSiebenSat.1 Media AG zu erwerben (4 siehe Artikel ProSiebenSat.1 Media AG geht doch an Saban), zahlt Viacom einen hohen Preis für den Einstieg in den deutschen TV-Markt. Während die Viva Media AG im vergangenen Jahr 42 Millionen Euro Verlust machte, reichte es bei Kirchs ehemaliger Senderfamilie noch zu einem Gewinn von 58 Millionen Euro. Viva und Viva Plus erzielten 2003 nur einen Marktanteil von weniger als einem Prozent, während Sabans Programme fast 22 Prozent erreichten.

Ü Größtes TV-Netzwerk in Europa

Zu Viacoms MTV Networks zählen TV-Programme, die von mehr als 400 Millionen Fernsehhaushalten in 164 Ländern und 18 Sprachen über 94 Fernsehstationen (mit 77 Webseiten) empfangen werden können. MTV Networks machte im vergangenen Jahr mit 5,4 Milliarden Dollar Umsatz 2,17 Milliarden Dollar Gewinn vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen. In Europa gilt MTV Networks mit 42 Kanälen als das größte Fernsehnetzwerk. 20 Kanäle davon tragen den Namen MTV und werden in mehr als 142 Millionen Haushalte übertragen. Allein in Großbritannien betreibt Viacom nach eigenen Angaben neun verschiedene TV-Musikkanäle.

In Deutschland werde Viacom seine vier Musikkanäle Viva und Viva plus, MTV und MTV 2 Pop jetzt neu positionieren und die Aktivitäten verstärken, kündigte Tom Freston, MTV-Erfinderer und Co-Präsident des Konzerns, an. Deutschland sei als größter TV-Werbemarkt in Europa ein Schlüsselfaktor für Viacoms Wachstumspläne. Zu Viacom gehören außer MTV auch das US-Network CBS, Spartenkanäle wie Nickelodeon und Comedy Central, das Hollywood-Studio Paramount sowie die UCI-Kinokette und die Hörfunk-Senderkette Infinity. Von der größten US-Videothekenkette Blockbuster will sich Viacom gerade trennen und erwartet dabei einen Verkaufserlös von 738 Millionen Dollar.

Ü Ziehen Viva-Kanäle nach Berlin um?

Zur Viva Media AG zählen außer Viva und Viva Plus auch Musikkanäle in Polen, der Schweiz, Ungarn und den Niederlanden sowie das Produktionsunternehmen Brainpool TV GmbH, das unter anderem die TV-Shows von Anke Engelke und Stefan Raab herstellt. Die Standorte Berlin, wohin MTV dank massiver Subventionen erst im April seine neue Deutschland-Zentrale verlegte, und Köln sollen erhalten bleiben. Allerdings bleibt fraglich, ob die Programme Viva und Viva Plus nicht bald nach Berlin umziehen, so dass nur noch Brainpool von Köln aus agieren wird.

„In Deutschland plant MTV Networks Europe, die vier MTV- und Viva-Kanäle komplementär und unverwechselbar zu positionieren, um zusammen im Ergebnis eine größere Programmvielfalt für ein breiteres Publikum und eine größere Bandbreite an Geschmacksrichtungen zu bieten“, heißt es in einer Viacom-Pressemitteilung vom 24. Juni. Konkret dürfte das bedeuten, dass MTV 2 Pop und Viva Plus in Jugend- oder Kinderkanäle verwandelt werden, in denen der Videoclip-Anteil weiter sinken wird. In den USA machen die Popvideos ohnehin nur noch einen Anteil von etwa einem Drittel am MTV-Programm aus. Lukrativ an Viva Plus ist vor allem die garantierte Kabeleinspeisung im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (4,2 Mio Kabel-Haushalte), die auch bei einer Umwidmung des Programms garantiert bleibt.

Ü Vivas Schwächten im TV-Geschäft

Viva galt noch bis vor wenigen Monaten als großer Herausforderer für MTV in Europa und war seit seiner Gründung vor zehn Jahren stetig gewachsen. Im Juli 2000 ging die Viva Media AG erfolgreich an die Börse, 2001 folgte die Fusion mit der Produktionsfirma Brainpool TV AG. Während Brainpool unter anderem dank „TV Total“ und „Anke Late Night“ Gewinne macht, hatte das nationale Geschäft mit den Musikkanälen im vergangenen Jahr Verluste in Höhe von etwa 42 Millionen Euro verursacht (siehe Artikel Viva mit Verlusten im Kerngeschäft). Mit nur 134,5 Millionen Euro Brutto-Werbeeinnahmen lag Viva im vergangenen Jahr weit hinter MTV zurück, das brutto für 195,2 Millionen Euro Werbezeiten verkaufte. Auch im ersten Quartal 2004 schaffte die Viva Media AG nicht die Wende und machte erneut 3,3 Millionen Euro Verlust.

Bei den etwa 600 Viva-Mitarbeitern in Köln herrscht derzeit große Unsicherheit über die berufliche Zukunft. Bereits nachdem Time Warner sich Ende 2002 mehr bei Viva engagiert hatte, war die ohnehin schon sehr große Personalfluktuation erhöht worden. So wurde beispielsweise innerhalb weniger Monate fast die komplette Marketing-Abteilung neu besetzt. Die Kölner Viva-Mitarbeiter erfuhren am 23. Juni bei einer Betriebsversammlung im Studio von „Anke Late Night“ von den bevorstehenden Veränderungen. „Es gibt  eine Standortzusage, aber keine Arbeitsplatzgarantie“, berichtete der Betriebsratsvorsitzende Thomas Diekmann anschließend. Konkrete Umstrukturierungen sollen erst in drei bis sechs kommenden Monaten erarbeitet und umgesetzt werden, erklärte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von MTV Networks Europe, Simon Guild.

Ü Konzentration außer Kontrolle?

Die Realisierung der Viva-Übernahme hängt jetzt nur noch von den Kartellwächtern ab. Dabei ist die Frage entscheidend, ob als zu untersuchender Markt die Gesamtheit aller TV-Programme oder lediglich die Musikfernsehbranche gilt. Nur bei einer Eingrenzung auf den Bereich der Musikkanäle könnte von einer deutlichen Medienkonzentration durch die Fusion ausgegangen werden. Das Kartellamt hat nun bis Oktober Zeit zu prüfen, ob eine Marktbeherrschung durch Viacom droht. Wichtig bei der Entscheidungsfindung dürfte auch ein Urteil darüber sein, wie viele Werbekunden hauptsächlich Spots bei Musikkanälen buchen, die nach einer Fusion in Deutschland aller in einer Hand wären.

MTV und Viva erreichten in den vergangenen Monaten jeweils 0,4 Prozent Zuschauer-Marktanteil, MTV 2 Pop und Viva Plus jeweils 0,3 Prozent. Wegen dieser geringen Anteile und der Tatsache, dass Viacom mangels weiterer deutscher Beteiligungen beim Zuschauermarktanteil weit von der für Übernahmeverbote gemäß Rundfunkstaatsvertrag relevanten 30-Prozent-Grenze entfernt ist, haben die Landesmedienanstalten keinerlei Möglichkeiten einzuschreiten. Norbert Schneider, der Direktor der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt, forderte deshalb bereits, es müsse geprüft werden, „ob die gegenwärtige Rechtslage, nach der man in Deutschland alles an Medien kaufen kann, was man bezahlen kann, weiterhin uneingeschränkt bleiben soll“. Wettbewerb im deutschen Musikfernsehen jedenfalls gibt es, wird die Übernahme genehmigt, nicht mehr. Vor einem Monat erst hatte der Musikkanal Onyx sein Ende für Ende August angekündigt (siehe Artikel Aus Onyx.TV wird Terra Nova).

 

Ü Hier finden Sie den kompletten Geschäftsbericht der Viva Media AG 2003.

 

Ü Buchtipp Musikfernsehen in Deutschland.