Die Medienbehörde der
Bundesländer hat eine Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Axel Springer
AG abgelehnt. Fünf Monate nach Antragstellung kam die Kommission zur Ermittlung
der Konzentration im Medienbereich (KEK) zu dem Schluss, dass die Fusion die
Meinungsvielfalt nachhaltig bedroht hätte. Auch das Bundeskartellamt hat
Springer einen negativen Zwischenbescheid zugestellt.
Nach den Vorschriften des
Rundfunkstaatsvertrages ergäbe sich im Fall der Fusion eine vorherrschende
Meinungsmacht, urteilten die sechs KEK-Mitglieder. Die Kombination von
Springers starker Stellung auf den Zeitungsmärkten und des
Zuschauer-Marktanteils der ProSiebenSat.1
Media AG auf dem Fernsehmarkt komme insgesamt einem
TV-Zuschaueranteil von 42 Prozent gleich. Alternativen wie den Verkauf von
Sat.1 oder Pro Sieben beziehungsweise die Umwandlung eines der Programme in ein
binnenplurales Unternehmen, habe die Axel Springer
AG abgelehnt. Deshalb könne die KEK „die
medienkonzentrationsrechtliche Unbedenklichkeit des Vorhabens nicht
bestätigen“, formulierte die Behörde in einer Pressemitteilung.
Ü Zeitungen
„medienrelevant verwandt“
Zentraler Bestandteil der
KEK-Argumentation ist ein Modell, mit dem die Medienaufsicht gemäß Paragraf 26 Rundfunkstaatsvertrag
untersuchte, ob trotz eines Zuschauer-Marktanteils von nur 22 Prozent im
TV-Bereich die Fusion von Springer und ProSiebenSat.1 durch Berücksichtigung
„medienrelevanter verwandter Märkte“ zu Gefahren für den Pluralismus führen
könnte. Unter der Annahme, dass Tageszeitungen etwa ein Drittel weniger
wirkungsmächtig als TV-Inhalte sind, errechnete die KEK für Springers Zeitungen
(26 Prozent Auflagen-Marktanteil in Deutschland) ein Einflusspotenzial, das dem
von 17 Prozent im TV-Bereich entspreche. In der Addition (22% + 17%) ergab sich
mit 39 Prozent schließlich ein Wert deutlich über der im Rundfunkstaatsvertrag
festgelegten Grenze von höchstens 30 Prozent.
Ü Springer
lehnte binnenpluralen Beirat ab
Die KEK
hatte gefordert, dass im Fusionsfall Sat.1
durch einen Beirat mit mindestens dreißig Vertretern aller gesellschaftlich
relevanter Gruppen (inhaltlich und wirtschaftlich!) gesteuert werden müsse. Die
Redaktion hätte unabhängig von wirtschaftlichen Profit-Zielen operieren sollen
und sollte nur dem TV-Beirat, an dessen Besetzung Springer nicht beteiligt
werden dürfe, verpflichtet sein. Die Zielgruppen-Orientierung zugunsten der 15-
bis 49-Jährigen müsse aufgegeben werden und die Binnenpluralität das Programm
prägen, hatte die KEK als weitere Bedingung für eine Genehmigung genannt. Bei
Verstößen gegen dieses Modell, wäre Sat.1 die Lizenz entzogen worden. Springer
hingegen mochte nur ein Kontrollgremium akzeptieren, dass Cross-Promotion
verhindern sollte.
Beschlüsse
der KEK können von den Direktoren der Landesmedienanstalten zwar innerhalb
dreier Monate mit einer Dreiviertel-Mehrheit (12 von 15 Direktoren) rückgängig
gemacht werden, davon aber ist nicht auszugehen. Würde das Bundeskartellamt der
Fusion überraschend doch noch zustimmen, hätte der KEK-Beschluss keine
aufschiebende Wirkung. Springer könnte dann die TV-Gruppe zunächst übernehmen
und müsste parallel vor Verwaltungsgerichten die KEK-Entscheidung anfechten.
Sollten die Gerichte aber schließlich der KEK Recht geben, müsste die Übernahme
rückgängig gemacht werden. Das juristische Entscheidungsverfahren würde
mindestens 18 Monate dauern.
Ü Kartellamt
will Duopol verhindern
Während
die KEK Folgen von Medienfusionen für die Meinungsmacht prüft, kontrolliert das
Bundeskartellamt allein die
Marktmacht. Die 6. Beschlusskammer der Bonner Behörde kritisiert eine drohende Marktbeherrschung
(v.a. auf dem Boulevard-Markt) und eine Duopol, bei dem Springer und Bertelsmann den deutschen Medienmarkt
(v.a. bei der Werbung) dominieren könnten. Mit einer Entscheidung wird bis zum
20. Januar gerechnet.
Selbst die Einrichtung eines Beirates hätte für das
Bundeskartellamt nur dann eine Rolle spielen können, wenn Springer dadurch auch
dauerhaft die wirtschaftliche Kontrolle über Sat.1 verloren hätte. Aber auch
dann wäre diese Verhaltensauflage für die Wettbewerbshüter problematisch, da
die kartellrechtliche Entscheidung im Falle einer späteren Beirat-Abschaffung
nicht zurückgenommen werden könnte. Deshalb hatten die Kartellprüfer den
Verkauf der Bild-Zeitung oder die Veräußerung eines der beiden großen
ProSiebenSat.1-Programme gefordert, wozu Springer-Chef Mathias Döpfner aber
bislang nicht bereit ist.
Ü Springers
Kompromiss-Paket
Springer
hat im Laufe der Verfahrens bislang folgende Vorschläge gemacht, um doch noch
eine Genehmigung zu erhalten:
·
Verzicht auf eine TV-Version
der Bild-Zeitung und auf Print-TV-Cross-Promotion,
·
Verkauf aller Beteiligungen an
Unternehmen, an denen auch Bertelsmann beteiligt ist,
·
Verkauf aller
Hörfunk-Beteiligungen,
·
Verkauf aller Familien- und
TV-Zeitschriften,
·
Bildung eines binnenpluralen
Beirates mit Veto- und Kontrollrechten, der Cross-Promotion verhindern, aber
keine unternehmerische Verantwortung (keine Hoheit bei Personalfragen, Budget
oder Programminhalten) tragen soll.
Ü Saban trägt
Kartell-Risiko
Sollte das
Bundeskartellamt nicht zustimmen, kann Springer vor dem zuständigen Oberlandesgericht
(Düsseldorf) klagen oder einen Antrag auf Sondererlaubnis beim zuständigen
Bundesministerium stellen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos müsste dann
zunächst eine Stellungnahme der Monopolkommission einholen. Auch wenn sich
diese – wie vom Vorsitzenden Jürgen Basedow angedeutet – ablehnend äußern
würde, könnte Glos die Fusion schließlich erlauben. Die Entscheidungsfrist
liegt bei vier Monaten.
Angesichts der eindeutigen Voten von
KEK und Bundeskartellamt und der Tatsache, dass bislang noch nie eine
Medienfusion per Ministererlaubnis ermöglicht wurde, gehen Branchen-Experten
zurzeit davon aus, dass Springer das Projekt ProSiebenSat.1 aufgeben wird. Haim
Saban müsste sich dann nach einem neuen Käufer umsehen oder die Senderfamilie
gemeinsam mit seinem Konsortium US-amerikanischer Investoren (vorerst) selbst
weiter führen.
Ü Siehe auch folgende Artikel:
1 Springer
Verlag greift nach ProSiebenSat.1 (05.08.2005)
1 Reaktionen
auf Springers ProSiebenSat.1-Deal (07.08.2005)
1 ProSiebenSat.1 meldet Rekord-Gewinn (22.02.2005)
1 ProSiebenSat.1
Media überrascht positiv (20.02.2004)
1 ProSiebenSat.1 Media AG geht doch an Saban
(05.08.2003)
1 KirchMedia vor der Auflösung (17.06.2003)
1 Saban muss bei Kirch-Übernahme passen
(04.06.2003)
1 ProSiebenSat.1 Media AG mit Verlusten
(15.05.2003)
1 Bundeskartellamt gibt Saban grünes Licht
(25.04.2003)
1 Kirch-Gruppe zu 85 Prozent verkauft (02.04.2003)
1 ProSiebenSat.1 Media AG verkauft (17.03.2003)