Die Axel Springer AG versucht
die Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG dadurch zu retten, dass aus dem
Senderverbund ein Programm herausgelöst wird. Pro Sieben soll deshalb verkauft
werden, um mit weniger Markt- und Meinungsmacht grünes Licht vom
Bundeskartellamt und von den Medienbehörden zu erhalten.
Nach der
Übernahme-Ablehnung durch die Medienaufsicht (4 siehe Artikel Springer
Verlag scheitert an KEK-Beschluss) hatte bei der ProSiebenSat.1 Media AG offenbar
niemand etwas von Springers Offensive geahnt. Überrascht vom Vorpreschen des
Berliner Verlags beim Bundeskartellamt
reagierte das TV-Unternehmen mit folgender Erklärung: „Die ProSiebenSat.1 Media AG war an den
Besprechungen mit dem Kartellamt über einen möglichen Verkauf des Senders Pro
Sieben nicht beteiligt. (...) Der Vorstand der ProSiebenSat.1 Media AG wird ein
mögliches Auflagenangebot prüfen, wenn weitere Informationen von Axel Springer
oder dem Bundeskartellamt vorliegen.“
Ü Kartellamt
stellt Bedingungen
Das Bundeskartellamt hat inzwischen signalisiert, dass Springer
die ProSiebenSat.1 Media AG nach dem Herauslösen von Pro Sieben aus Kirchs ehemaligem Senderverbund
übernehmen dürfte. Auch die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im
Medienbereich (KEK) würde in diesem
Fall einer Fusion von Europas größtem Zeitungskonzern mit Deutschlands
zweitgrößtem Fernseh-Programmanbieter genehmigen.
Problematisch bleibt allerdings, dass Springer
die ProSiebenSat.1 Media AG zunächst übernehmen und Pro Sieben erst in einem
zweiten Schritt verkaufen möchte. Dieses Vorgehen bietet für das
Bundeskartellamt aber keinerlei Sanktionsmöglichkeiten für den Fall, dass
Springer später auf einen Verkauf von pro Sieben verzichtet. Also drängen die
Wettbewerbshüter darauf, dass vor einem Antrag Fakten geschaffen werden. Das bedeute, dass der mittlerweile von Springer angebotene
Verkauf „an einen unabhängigen Erwerber“ von ProSieben „vor dem Zusammenschluss
erfolgen müsste“.
Ü KEK könnte
zustimmen
Die Medienaufsicht hingegen könnte die Trennung von Sat.1 und Pro Sieben zur Lizenzauflage machen
und deshalb die beantragte Fusion eventuell rascher genehmigen. Bei einem Verzicht auf einen der beiden großen Sender sieht
der KEK-Vorsitzende Dieter Dörr inzwischen Chancen für eine Genehmigung.
„Springer müsste dann einen neuen Antrag stellen. Und falls das Unternehmen auf
Pro Sieben oder Sat.1 verzichtet, würden wir diesem auch zustimmen“, sagte er
der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Offenbar
geht die Medienaufsicht davon aus, dass von der Bündelung der
Springer-Printmedien mit den TV-Programmen Sat.1, Kabel 1, N24
und Neun live keine Gefahr für die
Meinungsvielfalt ausgeht. Ohne Pro Sieben kommt die ProSiebenSat.1 Media AG auf
einen Zuschauer-Markanteil von etwa 16 Prozent und liegt dabei deutlich unter
der im Rundfunkstaatsvertrag (§ 26) genannten Grenze von 25 Prozent.
Ü Pro Sieben
liefert höchste Rendite
Analysten
schätzen den Wert von Pro Sieben auf 1,3 bis drei Milliarden Euro. Ob und wie die Herauslösung des Programms aus dem
Senderverbund möglich ist, scheint völlig offen. Springer musste inzwischen
einräumen, dass noch geprüft werde, „ob die (vom Kartellamt) vorgeschlagene
Gestaltung wirtschaftlich und rechtlich überhaupt umgesetzt werden kann“. Aus
Sicht der ProSiebenSat.1 Media AG würde die Trennung von Pro Sieben den Verlust
des profitabelsten Programms bedeuten. In
den ersten drei Quartalen des Vorjahres erwirtschaftete Pro Sieben allein etwa
44 Prozent des operativen Gewinn des Fernsehkonzerns. 2004 hatte Pro Sieben mit
einer Umsatzrendite von 23,3 Prozent den mit Abstand größten Teil des
Vorsteuer-Ergebnisses der Gruppe erwirtschaftet:
Ü Ungelöste
Probleme
Viele
Kleinaktionäre haben sich inzwischen von ihren Aktien der ProSiebenSat.1 Media
AG getrennt. Sie hätten bei den bevorstehenden Entscheidungen kein Stimmrecht und
fürchten offenbar Negatives. Bei einer Trennung der beiden ehemaligen
Kirch-Programme Pro Sieben und Sat.1 wäre zum Beispiel die Teilung der
Senderechte für Spielfilme und Serien problematisch, die beide Angebote zurzeit
noch von einer gemeinsamen Zentralholding beziehen. Auch die Bereiche
Buchhaltung, Personalwesen, Werbung und Controlling müssten für viel Geld
getrennt werden.
Sollte Saban mit der Aufteilung der Senderfamilie nicht
einverstanden sein, müsste die Axel Springer AG ihre Fusionspläne begraben. In
der kommenden Woche will Springer-Chef Mathias Döpfner mit Haim Saban
verhandeln, dessen Konsortium 88 Prozent der Stimmrechte des TV-Konzerns
kontrolliert. Der Zeitungs- und Zeitschriftenverlag steht unter Zeitdruck. Ab März
soll Springer angeblich monatlich 25 Millionen Euro an Saban als Entschädigung
für entgangene Zinsgewinne überweisen müssen, falls die Übernahme bis zum
Monatsende nicht geklärt ist.
Ü Siehe auch folgende Artikel:
1 Springer
Verlag scheitert an KEK-Beschluss (11.01.2006)
1 Springer
Verlag greift nach ProSiebenSat.1 (05.08.2005)
1 Reaktionen
auf Springers ProSiebenSat.1-Deal (07.08.2005)
1 ProSiebenSat.1 meldet Rekord-Gewinn (22.02.2005)
1 ProSiebenSat.1
Media überrascht positiv (20.02.2004)
1 ProSiebenSat.1 Media AG geht doch an Saban
(05.08.2003)
1 KirchMedia vor der Auflösung (17.06.2003)
1 Saban muss bei Kirch-Übernahme passen
(04.06.2003)
1 ProSiebenSat.1 Media AG mit Verlusten
(15.05.2003)
1 Bundeskartellamt gibt Saban grünes Licht
(25.04.2003)
1 Kirch-Gruppe zu 85 Prozent verkauft (02.04.2003)
1 ProSiebenSat.1 Media AG verkauft (17.03.2003)